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Analytik NEWS
Das Online-Labormagazin
12.07.2025

03.07.2025

Neue VDI-Richtlinie zu "ekelerregenden Gerüchen"


Der Geruchssinn ist sowas wie der Ursinn des Menschen und ist doch ein bisschen das unbeachtete "Stiefkind" unserer anderen, gut erforschten Sinne. Von Geburt an ist unser Geruchssinn voll entwickelt und Babys können manche Dinge sogar besser riechen als Erwachsene. Das ist für Babys auch wichtig, denn so können sie ihre Eltern von anderen Menschen unterscheiden und finden auch einfacher den Weg zur Brust,

Ob wir einen Geruch angenehm finden oder nicht, hängt viel mit unseren Erfahrungen zusammen. So finden einige Menschen den Geruch von Kaffee z. B. toll, weil sie ihn mit einer schönen familiären Situation (vielleicht gab es sonntags bei Oma immer frisch gemahlenen Kaffee?), mit Entspannung oder Urlaub verbinden. Andere mögen ihn überhaupt nicht, weil ihnen von dem Geruch immer schlecht wird.

Das liegt vor allem daran, dass beim Riechen im Gehirn dieselben Bereiche aktiviert werden, z.B. bei Freude oder Ekel. Menschen können daher eine Aversion gegen einen bestimmten Geruch oder Geschmack von Lebensmitteln entwickeln, die auf einer eigenen konkreten Erfahrung beruht.

Diesen Mechanismus beschreibt der Psychologe Martin Seligman als "Sauce-béarnaise-Syndrom". Nach einem Abendessen mit Filet und Sauce béarnaise musste er sich übergeben und entwickelte einen dauerhaften Ekel gegen die Sauce, nicht aber gegen das Fleisch. Die Aversion entwickelte sich, obwohl Seligman wusste, dass der Auslöser für die Übelkeit eine Magen-Darm-Grippe war.

Um ekelerregende Gerüche geht es auch in dem Entwurf der neuen Richtlinie VDI 3940 Blatt 6 E. Die Richtlinie wurde erstellt, weil bei ekelerregenden oder Übelkeit auslösenden Gerüchen Gesundheitsgefahren nicht ausgeschlossen werden können. Das ist vor allem im Hinblick auf den Schutz der Bevölkerung im Rahmen der Bundesimmissionsschutzgesetzgebung, d.h. bei der Genehmigung und Überwachung von Anlagen, wichtig.

Bislang gab es keine standardisierte Vorgehensweise, um zu ermitteln, ob ein Geruch als ekelerregend oder Übelkeit auslösend einzustufen ist. Die neue Richtlinie bietet mit einer standardisierten Vorgehensweise Hilfestellung. Mithilfe eines Fragebogens wird das Ekelpotenzial einer Anlage schrittweise am Emissions- und am Immissionsort bestimmt.

Wird das kritische Ekelpotenzial am zu prüfenden Immissionsort, d.h. am Beobachtungsort erreicht bzw. überschritten, ist von einer Gesundheitsgefahr für die Anwohner rund um die Anlage und nicht mehr "nur" von einer erheblichen Belästigung auszugehen. Der Anlagenbetreiber und die Behörde müssen dann handeln.

Die Richtlinie ergänzt das komplexe technische Regelwerk des VDI rund um die Messung und Bewertung von Gerüchen in der Außenluft (DIN EN 13725, DIN EN 16841-1 und DIN EN 16841-2, VDI 3940 Blatt 3 bis Blatt 5, VDI 3880, VDI 3883 Blatt 1 bis Blatt 4, VDI 3884 Blatt 1) und im Innenraum(VDI 4302 Blatt 1, DIN ISO 16000-28 DIN ISO 16000-30) sowie die Regelungen der Technischen Anleitung Luft (TA Luft Anhang 7), die die Bundesimmissionsschutzgesetzgebung (BImSchG) untersetzt.

Fachtagung Gerüche in der Umwelt

Im Rahmen der 11. VDI-Fachtagung Gerüche in der Umwelt am 18. Und 19. November 2025 in Salzburg wird u.a. diese neue Richtlinie vorgestellt. Die Fachtagung ist seit Jahrzehnten DIE Plattform der Fachcommunity zu Gerüchen im deutschsprachigen Raum. Eine Vielzahl an praktischen Erfahrungen zur Ermittlung und Bewertung von Geruchsemissionen und -immissionen werden dort präsentiert und diskutiert. Ein hoher Praxisbezug steht dabei im Fokus der Veranstaltung.

Einsprüche zum Entwurf der Richtlinie können bis zum 28.02.2026 eingereicht werden.

» Zur Richtlinie VDI 3940 Blatt 6 E

Quelle: Verein Deutscher Ingenieure (VDI)