11.04.2025
Niedrigwasser führt nicht generell zu erhöhten Schadstoffkonzentrationen
Wie kann die Resilienz des Wasserhaushalts gestärkt werden? Diese Frage stand im Zentrum des Tags der Hydrologie 2025, bei dem sich Wissenschaft, Behörden und Praxisakteure vom 19. bis 21. März in Augsburg austauschten.
Die BfG brachte sich gemeinsam mit dem ICWRGC mit Fachvorträgen, Postern und einem gemeinsamen Informationsstand aktiv in den Diskurs ein - und präsentierte dabei auch die neue digitale Zeitreise zur deutschen Beteiligung am Internationalen Hydrologischen Programm der UNESCO (IHP).
Beim "Tag der Hydrologie" (TdH) trafen sich Wissenschaft, Behörden und weitere Akteure, um gemeinsam zu diskutieren, wie die Resilienz des Wasserhaushalts gestärkt bzw. wiederhergestellt werden kann. Die BfG und das ICWRGC beteiligten sich an dem Diskurs und waren mit Vorträgen, wissenschaftlichen Postern und einem gemeinsamen Informationsstand bei "dem" Treffen der hydrologischen Gemeinschaft vertreten.
Steigt die Schadstoffkonzentration bei sinkendem Wasserstand?
Das Poster der BfG-Wissenschaftler Gerd Hübner, Daniel Schwandt, Michael Schlüsener und Arne Wick weckte großes Interesse. Die Forscher waren der Frage nachgegangen, ob mit sinkendem Wasserstand auch die Konzentration von Schadstoffen im Fließgewässer insgesamt steigt - so die intuitive Erwartung. Für ihre Studie haben sie die Wasserqualität des Rheins während des extremen Niedrigwassers im Juli und August 2022 genauer unter die Lupe genommen: Das überraschende Ergebnis der Untersuchung zeigt, dass sommerliche Niedrigwasserereignisse nicht generell zu erhöhten Schadstoffkonzentrationen führen, sondern differenziert betrachtet werden müssen:
Die Mehrzahl der an der BfG-Messstation Koblenz untersuchten organischen Spurenstoffe (z. B. Industriechemikalien, Arzneistoffe und Pestizide) traten beim Niedrigwasser 2022 im Vergleich zum Jahresgang nur in mittleren oder geringen Konzentrationen auf. Die Erklärung der Wissenschaftler:
Die trocken-warme Witterung im Sommer 2022 führte nach Einschätzung des Forscherteams zu besonders günstigen Bedingungen für die Abwasserreinigung. In diesen Phasen habe es ferner kaum Schadstoffeinträge durch Oberflächenabfluss und Bodenerosion gegeben. Gewässerseitig begünstigten viele Sonnenstunden und wenig Wassertrübung den Schadstoffabbau durch UV-Strahlung (Photolyse). Da der Sauerstoffgehalt im Rhein trotz der Erwärmung im untersuchten Zeitraum stabil blieb, könne dort auch von einem hohen mikrobiellen Stoffumsatz ausgegangen werden, so die Forscher weiter.
Dennoch wurden auch zahlreiche schwer abbaubare organische Spurenstoffe niedrigwasserbedingt (also aufgrund des Mangels an Verdünnungswasser) in erhöhter bzw. deutlich erhöhter Konzentration nachgewiesen. Unter den anorganischen Stoffen traten bei den Salzionen Chlorid, Sulfat, Kalium und Natrium beim Niedrigwasser die höchsten Konzentrationen des Jahres auf.
Die Ergebnisse der Untersuchung helfen, die Wasserqualität des Rheins bei Niedrigwasser besser zu verstehen und einzuordnen. Das ist zum Beispiel für Trinkwasserversorger von großem Interesse. Dass die neuen Erkenntnisse schneller als gedacht relevant werden könnten, zeigt ein Blick auf die großen Flüsse: Laut Deutschem Wetterdienst war der März 2025 in Deutschland einer der trockensten seit Beginn der systematischen Messungen im Jahr 1881. Der fehlende Niederschlag wirkt sich bereits auf die Durchflüsse und Wasserstände der Bundeswasserstraßen aus. Schon jetzt ist der Wasserstand des Rheins für die Jahreszeit ungewöhnlich niedrig und bewegt sich im Bereich der für die Schifffahrt relevanten Niedrigwasserschwellenwerte.
Von wegen gleichmäßig: So sprunghaft sind Schwebstoffe im Rhein
In einem weiteren Beitrag präsentierte Dr. Renee van Dongen-Köster Ergebnisse aus dem Projekt URSACHEN. In diesem Forschungsprojekt untersuchte die Projektkoordinatorin zusammen mit anderen Forschenden u.a. die raum-zeitliche Variabilität von gelösten und suspendierten Stoffen in Flüssen. In ihrem Vortrag betonte Renee van Dongen-Köster die unterschiedlichen raum-zeitlichen Trends der Schwebstoffkonzentrationen in Flüssen im globalen Kontext und hob die Bedeutung der räumlichen Variabilität der Schwebstoffkonzentrationen im Rhein hervor.
In dem Projekt URSACHEN konnten sie und ihr Team deutliche Unterschiede zwischen den Uferbereichen und der Flussmitte nachweisen. Die Arbeiten der Wissenschaftlerin helfen, den Zeitpunkt einer Probenahme besser als bisher abzuschätzen, um repräsentativere Aussagen über die Stofffrachten in Fließgewässern zu erhalten. Darüber hinaus stellte van Dongen-Köster in einem Poster die Studienprogramme SASSCAL und WASCAL vor und wies auf das Angebot des ICWRGC zur Betreuung westafrikanischer Doktoranden hin.
Digitale Zeitreise zur deutschen Beteiligung am IHP
"Unser Ziel ist es, zentrale Entwicklungen, Forschungsprojekte und internationale Kooperationen aus deutscher Perspektive in einer virtuellen Umgebung erlebbar zu machen", erklärte der stellvertretende Leiter des ICWRGC, Stephan Dietrich, beim Tag der Hydrologie. Das 60-jährige Bestehen der UNESCO-Wasserwissenschaften und des Internationalen Hydrologischen Programms (IHP) bilden den offiziellen Anlass zur Programmierung der virtuellen Anwendung, die die Beiträge Deutschlands zum IHP über sechs Jahrzehnte hinweg sichtbar macht. Präsentiert wird die interaktive Zeitreise in einer Begleitveranstaltung zu den offiziellen Feierlichkeiten in Paris (11. bis 13. Juni 2025).
Die digitale Zeitreise wird vom Internationalen UNESCO-Zentrum für Wasserressourcen und Globalen Wandel (ICWRGC), dem deutschen IHP-Nationalkomitee sowie dem UNESCO-Wasserlehrstuhl von Prof. Dr. Heribert Nacken initiiert. "Einsendungen sind noch bis Ende April möglich", so Dietrich weiter. Die BfG unterstützt das Vorhaben im Rahmen ihres Engagements für internationale Wasserforschung und Wissenstransfer.
Quelle: Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG)