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27.06.2024

31.05.2024

Beitrag der Elektronen zur molekularen Chiralität entschlüsselt

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Ein neuer experimenteller Ansatz liefert die lang erwarteten Werkzeuge, um die Rolle der Elektronen bei der molekularen chiralen Reaktivität zu verstehen und die physikalischen und chemischen Eigenschaften zu kontrollieren, die aus solchen chiralen Wechselwirkungen resultieren.

Die Studie wurde von der Universität Hamburg und DESY in Zusammenarbeit mit dem Centre Laser Intense et Applications (CELIA) und Laboratoire de Chimie et Physique Quantiques (LCPQ) in Frankreich und dem Max-Born-Institut in Berlin durchgeführt.

Die Chiralität von Molekülen ist in der Natur allgegenwärtig: Zwei Moleküle, die spiegelbildlich zueinander angeordnet sind, sich aber nicht überlagern können, bilden ein Paar von Enantiomeren, von denen jedes chiral ist. So wie wir beim Händeschütteln zwischen unserer chiralen linken und rechten Hand wählen, führt die Wahl eines der Enantiomere für die Wechselwirkung mit einer anderen chiralen Einheit zu einem anderen Ergebnis.

Da das Leben homochiral ist, also gleich aufgebaut und konfiguriert, gibt es für jede Klasse unserer eigenen Biomoleküle (Aminosäuren und Zucker) nur eine dominante enantiomere Form. Dies macht die Chiralität zu einer Schlüsseleigenschaft für diverse Anwendungen, einschließlich der Entwicklung von Medikamenten.

Die statischen und dynamischen Eigenschaften chiraler Moleküle können mithilfe von Licht beeinflusst werden. Dabei wurde bisher aber nur die lichtaktivierte Strukturdynamik zur Beeinflussung des chiralen Verhaltens von Molekülen in Betracht gezogen. Eine grundlegende Frage bleibt damit unbeantwortet: Wie beeinflusst die Elektronendynamik die Chiralität von Molekülen?

Mit ultrakurzen ultravioletten Lichtimpulsen lösten die Forschenden ultraschnelle Elektronenbewegung in neutralen chiralen Molekülen aus. Sie entdeckten, dass die ausgelöste kohärente Elektronenbewegung die chirale Antwort des Moleküls modulieren und sogar eine Vorzeichenumkehr bewirken kann, und zwar auf einer Zeitskala von weniger als 10 Femtosekunden. Durch Manipulierung der lichtinduzierten Anregung konnten wir das rechte Enantiomer dazu bringen, sich periodisch wie das linke zu verhalten und umgekehrt, ohne seine Struktur zu verändern", sagt Erstautor Vincent Wanie, Wissenschaftler in der Attosekundengruppe am Center for Free-Electron Laser Science.

Beobachtet wurde dies durch die zeitliche Messung der Emissionsrichtung von Photoelektronen, die bei der Ionisation chiraler Moleküle mit ebenfalls chiralem, zirkular polarisiertem Licht entstehen - eine Technik, die als Photoelectron Circular Dichroism (PECD) bezeichnet wird.

"Wichtig ist, dass wir durch numerische Berechnungen, welche die experimentellen Arbeiten ergänzen, auch herausgefunden haben, dass die photoinduzierte Elektronenbewegung in den chiralen Molekülen transiente chirale Elektronenströme erzeugt", sagt Francesca Calegari, Leiterin der Arbeitsgruppe Attosekundenforschung, Professorin an der Universität Hamburg und bei DESY und Sprecherin des Exzellenzclusters "CUI: Advanced Imaging of Matter".

Dieses Konzept wurde in Zusammenarbeit mit der Preisträgerin des Mildred-Dresselhaus-Preises des Exzellenzclusters, Prof. Olga Smirnova vom Max-Born-Institut und der Technischen Universität Berlin, entwickelt. Die im Experiment erzeugten chiralen Ströme eröffnen wichtige Perspektiven für die photochemische Kontrolle, zum Beispiel um die Fragmentierungsrichtung chiraler Moleküle während der Photolyse zu bestimmen und damit einen neuen Ansatz für die ladungsgesteuerte Chemie zu ermöglichen.

» Originalpublikation

Quelle: Max-Born-Institut