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02.07.2024

28.06.2024

Neue Einsichten der Stark-Spektroskopie mit ultrakurzen Terahertz-Impulsen

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Das Protein Bakteriorhodopsin ist eine Protonenpumpe, in der ein Protonentransport durch die Zellmembran durch die lichtinduzierte Isomerisation des Farbstoffs Retinal ausgelöst wird. Die hierfür relevanten Quantenzustände wurden jetzt durch Messung ihrer elektrischen Dipolmomente charakterisiert.

Mit der neuen Methode der Stark-Spektroskopie im Terahertz-Frequenzbereich lässt sich eine Mischung elektronisch angeregter Zustände mit direktem Einfluss auf Pfad und Dynamik der Photoreaktion nachweisen.

Die protonierte Schiffsche Base des Retinals, des Chromophors von Bakteriorhodopsin, erfährt nach der Absorption von Licht eine ultraschnelle Änderung ihrer molekularen Struktur. Nach Photoanregung bewegt sich das Molekül aus dem anfänglich besetzten Bereich der Potentialfläche des elektronisch angeregten Zustandes entlang einer Reaktionskoordinate zum Kreuzungspunkt zwischen angeregtem und Grundzustand, wo eine trans-cis Isomerisation der Molekülstruktur stattfindet. Dieser Prozess erfolgt innerhalb von ca. 500 fs = 5 x 10-13 s nach der Anregung.

Der Charakter der Potentialfläche des angeregten Zustandes ist - trotz seiner Schlüsselrolle für das Reaktionsgeschehen - nur in Ansätzen verstanden. Theoretische Modelle betrachten entweder allein den ersten angeregten Zustand S1 des Moleküls oder aber einen gemischten Quantenzustand mit Beiträgen von S1 und dem zweiten angeregten Zustand S2. Eine Klärung des Zustandscharakters erfordert einen neuen experimentellen Zugang. Eine vielversprechende Sonde ist das elektrische Dipolmoment von Retinal, das im Grundzustand S0, dem ersten angeregten Zustand S1und dem zweiten angeregten Zustand S2stark unterschiedliche Werte annimmt. Deshalb sollte eine Messung der Dipoländerung bei Photoanregung direkten Aufschluss über die Natur des angeregten Zustandes geben.

Ein Forschungsteam des Max-Born-Instituts, der Humboldt-Universität, beide in Berlin, und der Ludwig Maximilians Universität in München hat jetzt die Dipoländerungen des Retinals in Bakteriorhodopsin mit der neuen Methode der Terahertz (THz) Stark-Spektroskopie gemessen (1 THz = 1012 Hz = 1012 Schwingungen pro Sekunde). Wie in der Zeitschrift The Proceedings of the National Academy of Sciences USA berichtet, führt die Photoanregung zu einer moderaten Dipoländerung von 5 Debye (1.67 x 10-29 CoulombMeter), die viel kleiner ist als für einen reinen S1-Zustand vorhergesagt.

Die experimentellen Daten und ihre theoretische Analyse ergeben, dass eine Beimischung des S2-Zustandes und die Mittelung der molekularen Dynamik über die ersten 120 fs die gemessene begrenzte Dipoländerung erklären. Die Resultate zeigen damit eine ausgeprägte Mischung von Quantenzuständen, die für die Dynamik und Ausbeute der Isomerisationsreaktion des Retinals von entscheidender Bedeutung ist.

In der THz Stark-Spektroskopie stellt ein ultrakurzer THz-Anregeimpuls (Dauer ca. 1 ps = 10-12 s) ein starkes elektrisches Feld bereit, in dem optische Übergänge des Retinals vom Grundzustand in den angeregten Zustand in ihrer Frequenz verschoben werden, d.h. eine sog. Stark-Verschiebung hervorgerufen wird. Diese Frequenzverschiebung ist proportional zu der Dipoländerung Δµ zwischen Grund- und angeregtem Zustand. Die entsprechende Änderung des Absorptionsspektrums wird mit einem Femtosekunden-Abtastimpuls gemessen, dessen Dauer kurz ist im Vergleich zum THz-Impuls.

Hierdurch kann der Einfluss des momentanen THz-Feldes erfasst werden. In einer Probe, die eine Vielzahl von Retinal-Dipolen mit ungeordneter räumlicher Ausrichtung enthält, beobachtet man eine Verbreiterung des Absorptionsspektrums, aus der sich direkt die Dipoländerung ableiten lässt. Die Verbreiterung folgt zeitlich der Intensität des ultrakurzen THz-Impulses. Auf dieser Zeitskala sind Bewegungen der Proteinumgebung des Chromophors quasi eingefroren und haben keinen Einfluss auf die Bestimmung der Dipoländerung. Die THz-Stark-Spektroskopie ermöglicht so genaue Messungen von Dipolmomenten in chemisch und biologisch relevanten molekularen Systemen.

» Originalpublikation

Quelle: Max-Born-Institut