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Analytik NEWS
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14.11.2025

30.10.2025

Zwei Fliegen mit einer Klappe - Sauberes Wasser, saubere Bilanz: Wie Anwender-Unternehmen Umweltschutz profitabel machen können

Katrin Schuhen , Michael Sturm, Wasser 3.0


Mikroplastik-Verschmutzung und Wassermangel gehören zu den drängendsten Umweltproblemen unserer Zeit. Eine neue Studie zeigt nun, wie eine innovative Behandlungstechnologie beide Herausforderungen gleichzeitig angeht - mit beeindruckenden Ergebnissen aus der Praxis.

Das Problem: Mikroplastik im Fokus der Umweltanalytik

Die globale Wasserkrise verschärft sich zusehends [1]. Während der industrielle Wasserverbrauch in Europa durchschnittlich 55 % des Gesamtverbrauchs ausmacht, werden global die Wasserbedarfe der verarbeitenden Industrie bis 2050 voraussichtlich um 400 % steigen [2,3].

Gleichzeitig gelangen täglich unzählige Mikroplastikpartikel - definiert als Kunststoffpartikel kleiner als 5 mm - über verschiedene Quellen wie industrielle Abwässer in unsere Gewässer. Herkömmliche Entfernungstechnologien wie Sandfiltration [4,5], Membranfiltration [6,7] oder chemische Oxidationsverfahren [8,9] stoßen oft an ihre Grenzen - sei es durch hohe Kosten, Energieverbrauch oder begrenzte Wirksamkeit bei kleinen Partikeln.

Diese diffusen und punktuellen Einträge spiegeln sich auch in Umweltmonitorings wider: In Süßwassersystemen schwanken die gemessenen Mikroplastik-Konzentrationen über sechs Größenordnungen (0 bis 4.275.800 Partikel/m³) [10]. Zusätzlich kommt es zu temporären Schwankungen, was die Entwicklung standardisierter, schneller und robuster Nachweismethoden erfordert und Vermeidungsstrategien erschwert.

Die Innovation:
Agglomerations-Fixierungs-Reaktion oder einfach "Clump & Skim"

Eine wegweisende Lösung kommt nun von einem deutschen Forschungsteam, das eine Hybridkieselgel-basierte Technologie zur Mikroplastik-Entfernung über das Clump & Skim Prinzip entwickelt hat [11]. Das als Wasser 3.0 PE-X® bezeichnete Verfahren basiert auf einem eleganten dreistufigen Prozess:

  1. Agglomeration: Mikroplastikpartikel werden durch physikalische Wechselwirkungen mit dem Hybridkieselgel-Mix zu größeren Agglomeraten verbunden
  2. Fixierung: Eine wasserinduzierte chemische Reaktion stabilisiert diese Agglomerate dauerhaft
  3. Separation: Die stabilen Agglomerate können durch Abschöpfen oder einfache Filtration abgetrennt werden
Der entscheidende Vorteil liegt in der technischen Einfachheit: Die Anlage benötigt lediglich einen Rührkessel mit Dosierpumpe und eine nachgeschaltete Filtrationseinheit. Dies macht das Verfahren wartungsarm, kostengünstig und auch für kleinere Industriebetriebe umsetzbar. Die zentrale Innovation, die diese Einfachheit ermöglicht, ist der passgenaue Einsatz spezieller Hybridkieselgelmischungen, die der Supply Chain Partner abcr GmbH liefert.

Schema der Anwendung von Wasser 3.0 PE-X
Abb.1: Schema der Anwendung von Wasser 3.0 PE-X© in der Plastikverpackungsindustrie
mit zusammengefassten Ergebnissen aus der Pilotstudie und sich daraus ergebenden Vorteilen © Wasser 3.0

Praxistests von Wasser 3.0 PE-X® in der Kunststoffverpackungsindustrie

Um die Langzeitstabilität und Praxistauglichkeit zu validieren, wurde eine Pilotanlage fünf Wochen lang in einem Betrieb der Kunststoffverpackungsindustrie getestet [12]. Die Wahl fiel bewusst auf diesen Sektor, da hier in unterschiedlichen Prozessschritten Mikroplastik entsteht. Hierbei wurde das anfallende Abwasser mit der Technologie Wasser 3.0 PE-X® mit dem Hauptziel der Mikroplastikentfernung und Wasserwiederverwendung behandelt.

Beeindruckende Entfernungsleistung

Die Analysenergebnisse übertreffen die Erwartungen deutlich:

  • Partikelelimination: 99,1% durchschnittliche Entfernungsrate (Bereich: 97,7-99,7 %)
  • Massenreduktion: Über 97,4% Verringerung der Gesamtschwebstoffe (TSS)
  • CSB-Abnahme: 78,8% Reduktion des chemischen Sauerstoffbedarfs
  • Trübungsbeseitigung: Von durchschnittlich 1.926 NTU auf 112 NTU
Besonders bemerkenswert ist die Konstanz der Ergebnisse über den gesamten Testzeitraum, trotz schwankender Produktionsbedingungen und wechselnder Abwasserzusammensetzungen [12]. Pro Kubikmeter behandeltem Abwasser konnte im Schnitt 1,7 kg Mikroplastik entfernt werden.

Analytische Charakterisierung

Die eingesetzten Analysemethoden kombinieren bewährte Standardverfahren mit innovativen Ansätzen:

  • Mikroplastik-Nachweis: Fluoreszenzmikroskopie mit dem innovativen Fluorezenzmarker abcr eco Wasser 3.0 detect MP-1 (AB930015, abcr GmbH, Karlsruhe, Germany) ermöglicht die präzise Quantifizierung von Mikroplastik-Partikeln
  • Qualitätskontrolle: pH-Wert, CSB, Trübung und gravimetrische TSS-Bestimmung nach DIN-Normen
  • Korrelationsanalyse: Untersuchung der Zusammenhänge zwischen verschiedenen Parametern zur Prozessoptimierung
Die Partikelgrößenverteilung zeigt eine interessante Verschiebung: Während in unbehandelten Proben 95 % der Partikel kleiner als 62,3 μm waren, reduzierte sich dieser Wert nach der Behandlung auf 22,1 μm - ein Hinweis auf die besonders effektive Entfernung größerer Mikroplastikpartikel.

Mehr als nur Mikroplastik-Entfernung

Ein zusätzlicher Nutzen der Technologie liegt in der gleichzeitigen Elimination zusätzlicher Schadstoffe. Mit einer Technologie-Erweiterung können daher nicht nur Mikroplastik, sondern auch weitere Schadstoffe entfernt werden, darunter:

  • Farbstoffe und Pigmente aus Druckfarben
  • Klebstoffrückstände mit ihren Lösungsmitteln und Additiven
  • Tenside aus Waschprozessen
  • Schwermetalle und andere toxische Verbindungen.
Diese breit gefächerte Reinigungsleistung macht das Verfahren besonders wertvoll für die industrielle Abwasserbehandlung.

Wirtschaftlichkeit durch Kreislaufwirtschaft

Die Studie demonstriert eindrucksvoll, wie Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit Hand in Hand gehen können:

  • Wassereinsparung: Das gereinigte Wasser kann in den Produktionsprozess zurückgeführt werden, was den Frischwasserbedarf und die Abwassergebühren erheblich reduziert. Das wiederverwendete Wasser muss nicht mehr aufgeheizt werden, was enorme Mengen an Energie einspart. Zusätzlich werden enthaltenen Prozesschemikalien (z.B. Tenside, pH-Stabilisatoren) eingespart.
  • Abfallverwertung: Die anfallenden Agglomerate sind nicht nur stabil gelagert, sondern können sogar stofflich verwertet werden - etwa als Zuschlagstoff in Asphaltmischungen oder energetisch durch Verbrennung mit einem Heizwert von etwa 15 MJ/kg.
  • Betriebskosten: Pro behandeltem Kubikmeter fallen nur 0,7 kg des Reagenz abcr eco Wasser 3.0 PE-X®, industrial waste water (AB930006, abcr GmbH, Kalrsruhe) und 1,4 kWh Energieverbrauch an.
Stellt man die Betriebskosten den Einsparungen gegenüber, ergibt sich für den Anwender eine positive Bilanz. Dies macht den Prozess, besonders gesehen über lange Zeiträume, profitabel.

Vorgelagerte Behandlung als Schlüssel zum Erfolg

Ein zentraler Aspekt der Studie ist der Nachweis der Vorteile einer "upstream"-Behandlung direkt an der Quelle, bevor das Mikroplastik in die Abwasserströme gelangt und sich mit dem restlichen Abwasser vermischt [12]. Im Vergleich zu nachgelagerten Behandlungsverfahren in kommunalen Kläranlagen bietet dies mehrere Vorteile:

  • Höhere Effizienz: Konzentrierte Schadstoffe sind einfacher zu behandeln als verdünnte
  • Geringere Kosten: Weniger Abwasservolumen bedeutet niedrigere Behandlungskosten
  • Verursacherprinzip: Industriebetriebe übernehmen Verantwortung für ihre Emissionen
  • Entlastung der Kommunen: Kläranlagen werden von technisch anspruchsvollen Behandlungsaufgaben befreit
Die Hochrechnung für den untersuchten Betrieb zeigt das Potenzial: Bei einem jährlichen Abwasseranfall von 1.016 m³ werden 1,7 Tonnen Mikroplastik (6,8 x 1014 Partikel) und 6,1 Tonnen CSB aus dem Abwasser entfernt - Schadstoffe, die andernfalls in die kommunalen Abwasserströme und potenziell in die Umwelt gelangen würden.

Ausblick: Von der Innovation zur Implementierung

Die vorgestellte Studie demonstriert eindrucksvoll, wie innovative Technologien zur Lösung komplexer Umweltprobleme beitragen können. Die Hybridkieselgelbasierte Mikroplastik-Entfernung vereint hohe Effizienz, technische Einfachheit und wirtschaftliche Attraktivität - eine seltene Kombination in der Umwelttechnik. Das Verfahren adressiert zwei der drängendsten Umweltprobleme unserer Zeit:

  • Mikroplastik-Verschmutzung: Durch die effektive Entfernung an der Quelle wird die Umweltbelastung direkt reduziert.
  • Wasserknappheit: Die Möglichkeit der Wasserwiederverwendung trägt zur Ressourcenschonung bei.
Für die Zukunft der industriellen Abwasserbehandlung zeichnet sich damit ein Paradigmenwechsel ab: Weg von der reinen Schadstoffverdünnung hin zur selektiven Entfernung und Verwertung am Ort des Entstehens. Dies entspricht nicht nur den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung, sondern bringt auch ökonomische Vorteile.

Die Analytik wird dabei eine Schlüsselrolle spielen - sowohl bei der Prozessüberwachung als auch bei der Qualitätssicherung. Die hier vorgestellten Methoden und Ergebnisse können als Blaupause für weitere Entwicklungen in diesem wichtigen Forschungsfeld dienen.

Funding Information

Dieses Projekt wurde im Rahmen der Finanzhilfevereinbarung 101093964 aus dem Innovationsprogramm "Horizon Europe" der Europäischen Union kofinanziert. Diese Veröffentlichung gibt ausschließlich die Ansichten der Autor:innen wieder und die Europäische Kommission kann nicht für die Verwendung der darin enthaltenen Informationen verantwortlich gemacht werden.

Literatur

  1. UNESCO World Water Assessment Programme. The United Nations world water development report 2024: Water for prosperity and peace. Available online.
  2. Panda, M.R.; Kim, Y. Gridded global dataset of industrial water use predicted using the Random Forest. Sci. Data 2024, 11, 1331.
  3. He, C.; Liu, Z.; Wu, J.; Pan, X.; Fang, Z.; Li, J.; Bryan, B.A. Future global urban water scarcity and potential solutions. Nat. Commun. 2021, 12, 4667.
  4. Bayo, J.; Lpez-Castellanos, J.; Olmos, S. Membrane bioreactor and rapid sand filtration for the removal of microplastics in an urban wastewater treatment plant. Mar. Pollut. Bull. 2020, 156, 111211.
  5. Wolff, S.; Weber, F.; Kerpen, J.; Winklhofer, M.; Engelhart, M.; Barkmann, L. Elimination of Microplastics by Downstream Sand Filters in Wastewater Treatment. Water 2021, 13, 33.
  6. Acarer, S. A review of microplastic removal from water and wastewater by membrane technologies. Water Sci. Technol. 2023, 88, 199-219.
  7. Poerio, T.; Piacentini, E.; Mazzei, R. Membrane Processes for Microplastic Removal. Molecules 2019, 24.
  8. Kim, S.; Sin, A.; Nam, H.; Park, Y.; Lee, H.; Han, C. Advanced oxidation processes for microplastics degradation: A recent trend. Chemical Engineering Journal Advances 2022, 9, 100213.
  9. Yang, Z.; Li, Y.; Zhang, G. Degradation of microplastic in water by advanced oxidation processes. Chemosphere 2024, 357, 141939.
  10. Xue, Y.; Lu, H.; Feng, S.; Kang, J.; Guan, Y.; Li, H.; Zhang, K.; Weiss, L. Standardization of monitoring data reassesses spatial distribution of aquatic microplastics concentrations worldwide. Water Res. 2024, 254, 121356.
  11. Sturm, M.T.; Horn, H.; Schuhen, K. Removal of Microplastics from Waters through Agglomeration-Fixation Using Organosilanes-Effects of Polymer Types, Water Composition and Temperature. Water 2021, 13, 675.
  12. Korzin, A.; Sturm, M.T.; Myers, E.; Schober, D.; Ronsse, P.; Schuhen, K. Upstream Microplastic Removal in Industrial Wastewater: A Pilot Study on Agglomeration-Fixation-Reaction Based Treatment for Water Reuse and Waste Recovery. Clean Technol. 2025, 7, 67.


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