27.11.2025
Wie Mikroplastik-Entfernungstechnologien den Sprung in die Anwendung schaffen (können)
Dr. Katrin Schuhen , Wasser 3.0
Von der Forschung zur Praxis: Eine umfassende Bewertung zeigt, der Weg von innovativen Laborideen zur großindustriellen Anwendung ist steinig - aber machbar
Mikroplastik (MP) ist überall: In unseren Ozeanen, Flüssen, im Trinkwasser - sogar in der Luft, die wir atmen. Die unsichtbare Bedrohung stellt eine der größten Umweltherausforderungen unserer Zeit dar. Doch während das Problem seit Jahren bekannt ist, fehlte bislang eine systematische Analyse darüber, welche Technologien tatsächlich bereit sind, das Problem im industriellen Maßstab anzugehen.
Eine umfassende wissenschaftliche Analyse basierend auf dem aktuellen Review-Paper von Mahdavi et al. 2025 [1] mit über 400 von Fachkollegen begutachten Referenzen sowie einer Meta-Analyse zu Mikroplastik-Emissionen aus über 500 Kläranlagen aus 147 Studien (Zoccali et al. 2025) bringt weiteres Licht ins Dunkel [2].
Kläranlagen sind wichtige Eintragspfade von Mikroplastik in die Umwelt. Entfernungstechnologien gibt es, jedoch fehlt es auch hier in vielen Bereichen an Langzeitdatenerfassung und Daueranwendungen. Ein Transfer der Daten in die Technology Readiness Skala (TRL) zeigt erstmal auf, wo wir stehen.
Die TRL-Skala: Von der Idee zur Industriereife
Das Technology Readiness Level Framework teilt Technologien in neun Stufen ein - von TRL 1 (grundlegendes Forschungskonzept) bis TRL 9 (kommerziell verfügbare, bewährte Systeme). Diese Klassifizierung ist entscheidend: Nur weil eine Technologie im Labor funktioniert, heißt das noch lange nicht, dass sie sich für den industriellen Einsatz eignet.

Abb.1: TRL-Stufen und ihre Einteilung
Was die Analyse zeigt:
Mehrere Technologien haben laut der Auswertung bereits die höchsten Reifegrade erreicht. Membran-Bioreaktoren (MBR) mit TRL 8-9 erreichen hohe Entfernungsraten aus Abwasser und sind in über 5.000 Anlagen weltweit installiert [3].
Das Problem mit der Meta-Daten-Analyse:
Aufgrund der Lücke in der Standardisierung der Mikroplastik-Analytik gibt es in den meisten Anwendungen keine umfangreichen, vergleichenden realen Daten von Prozessen oder prozessintegriertes Monitoring. Die Bewertung der Effizienz beruht auf Einzelmessungen oder Prognosen. Wie bei vielen anderen Technologien auch, das zeigen Madhavi et al. deutlich auf, landen 80 % aller Mikroplastik-Partikel nicht etwa in Oberflächengewässern, sondern in Klärschlamm bzw. Biofeststoffen [1]. Diese werden nach wie vor weltweit zu 60-80 % als Dünger in der Landwirtschaft eingesetzt. Resultat: 125-850 kg Mikroplastik pro Person und Jahr gelangen über diesen Weg in europäische Böden - eine bislang unterschätzte Verschleppung der Kontamination.
Und diese bittere Wahrheit gilt auch für die Membranbioreaktor(MBR)-Technologie: Selbst "hocheffiziente" Kläranlagen lösen das Mikroplastik-Problem nicht - sie verschieben es nur von Wasser zu Land.
Zusätzliche Herausforderung:
Trotz hoher Entfernungsraten bleiben konventionelle Systeme teuer, wartungsintensiv und energiehungrig. Und Sie lösen das Problem Mikroplastik nicht kreislaufwirtschaftlich, bzw. System-übergreifend. Zudem gibt es eine kritische Lücke zwischen vielversprechenden Laborstudien (TRL 4-6) und industrietauglichen Lösungen (TRL 7-9).
TRL-Realitätscheck konventioneller Technologien: Bewährt, aber begrenzt
Sandfilter, Scheibenfilter und Sedimentationsverfahren sind mit über 100 Jahren Betriebserfahrung die ausgereiftesten Technologien (TRL 9). Sie erreichen Entfernungsraten für Feststoffe von 74-99 % - respektabel [4-6]. Bei den enormen Abwassermengen moderner Kläranlagen bleiben jedoch Millionen von Mikroplastikpartikeln zurück, die täglich in unsere Gewässer gelangen, weil diese Systeme nicht auf komplexe Stoffgemische, wie es Mikroplastik ist, ausgelegt sind.
Membranfiltrationssysteme schneiden deutlich besser ab und erreichen Entfernungsraten von 90-99,9 % [5]. Doch die Achillesferse dieser Systeme liegt in der Fouling-Problematik: Die feinen Membranen verstopfen schnell, was kontinuierliche Reinigung, hohen Wartungsaufwand und damit erhebliche Betriebskosten bedeutet. Und dann bleibt noch die Frage: Was passiert mit dem Rückspülwasser, wo sich Milliarden Mikroplastik-Partikel als Mikroplastik-Suppe wiederfinden? Derzeit stehen diverse Filtersysteme bei TRL 4-6.
Auch Koagulation und Flockung gehören zur etablierten Kläranlagentechnik, um eine Fest-Flüssig-Trennung herbeizuführen [7]. Die neuen Erkenntnisse zeigen jedoch einige fundamentale Probleme hinsichtlich Mikroplastik auf, diese sind:
- Polymerselektivität: PE/PP (Hauptanteil industrieller MPs) agglomerieren schlecht
- Verschleppungsproblem: MPs in Klärschlamm → Landwirtschaft
- Chemikalienverbrauch: Bis zu 200 mg/L Flockungsmittel (im Übrigen in den meisten Fällen ebenfalls mineralölbasierte Polymere) erforderlich
- Sekundärprobleme: Schlammvolumen +300 %, Entsorgungskosten explodieren
Ein weiterer Kandidat, der gerade in Deutschland viel gefördert wird, ist die Dissolved Air Flotation oder kurz: DAF. Auch diese Technologie lief durch die Realitätsprüfung von Madhavi et al [1]. Die Analyse lieferte diese Ergebnisse:
- Inkonsistenz und hohe Variabilität bei den Entfernungseffizienzen: 40-96 % Effizienz je nach Konstellation
- Energiefresser: Drucklufterzeugung und Rezirkulation
- Verschleppung: Flotationsschaum voller MPs - wohin damit?
Aber es gibt auch positive Nachrichten: Der Game-Changer: Agglomerations-Fixation-Technologie
Eine besonders vielversprechende Innovation befindet sich bereits in der Langzeitanwendung für industrielle und kommunale Abwässer: Die Wasser 3.0 PE-X® Technologie hat TRL 8 erreicht und zeigt beeindruckende Ergebnisse in realen Anwendungen. Somit ist die Technologie marktreif und einsatzerprobt.
Warum Wasser 3.0 PE-X® heraussticht:
- Überlegene Effizienz: Industrielle Pilotversuche zeigen 97,4 % (Gewicht) bzw. 99,1 % (Partikelzahl) Entfernungsraten bei extrem hohen Mikroplastik-Konzentrationen von über 1.700 mg/L [8].
- Bewährt in der Praxis: Erfolgreich getestet in über 15 verschiedenen Industriesegmenten - von der Papierproduktion bis zum Kunststoffrecycling
- Langzeiterprobt: Langzeittests in hochkontaminierten Industrieabwässern zeigen konstant hohe Entfernungsraten von 98 % [9].
- Nachhaltigkeit par excellence: Life Cycle Assessment zeigt 96 % Reduktion des CO-Fußabdrucks im optimierten Kreislaufmodell [8].
- Wirtschaftlich attraktiv: 20 % niedrigere Investitionskosten und 75 % niedrigere Betriebskosten als Wettbewerber
Das Clump & Skim Prinzip
Das Besondere an der Wasser 3.0 PE-X® Technologie ist ihre elegante Einfachheit: Statt Mikroplastik mühsam durch immer feinere Filter zu pressen, werden die Partikel durch spezielle Hybrid-Kieselgele zu größeren Agglomeraten verklumpt, die wie Popcorn an die Wasseroberfläche steigen und einfach abgeschöpft werden können - daher "Clump & Skim" [10].
Diese filterfreie Technologie vermeidet die typischen Probleme konventioneller Systeme: Keine verstopften Membranen, kein permanenter Reinigungsaufwand, deutlich geringerer Energiebedarf. Und das Beste: Die abgeschöpften Agglomerate sind kein Abfall, sondern können als Rohstoff für Baustoffe wiederverwendet werden - echte Kreislaufwirtschaft.
Weitere vielversprechende Kandidaten
Neben der Agglomerations-Fixation-Technologie gibt es weitere innovative Ansätze, die sich in verschiedenen Entwicklungsstadien befinden:
Elektrokoagulation (TRL 6-7)
Diese Technologie nutzt elektrischen Strom zur In-situ-Erzeugung von Koagulantien und erreicht Entfernungsraten von 90-96,8 % [1]. Der Vorteil: minimaler Chemikalieneinsatz. Die Herausforderung: Elektrodenstandzeiten und Optimierung für verschiedene Mikroplastik-Typen.
Enzymatischer Abbau (TRL 7)
Enzymatische PET-Depolymerisation mit PETase/MHETase hat TRL 7-8 erreicht und zeigt vielversprechende industrielle Anwendungen. Das französische Unternehmen Carbios betreibt bereits eine Demonstrations-Anlage für enzymatisches PET-Recycling. Die Technologie zeigt >90 % Depolymerisations-Effizienz bei optimierten Bedingungen. Aktuelle Herausforderungen liegen in der Erweiterung auf andere Polymertypen durch Protein-Engineering und weitere Optimierung der Reaktionskinetik für größere Mengen. Neuste Laborstudien versuchen dieses Konzept auf die biologische Abwasserbehandlung zu übertragen und können bereits erste Erfolge nachweisen [11].
Natürliche Koagulantien (TRL 2-4)
Innovative Studien zeigen, dass natürliche Substanzen wie das aus Chitin gewonnene Biopolymer Chitosan oder Moringa oleifera (Meerrettichbaum) in Kombination mit traditionellen Koagulantien Entfernungsraten über 95 % erreichen können - diese Chemikalienkombination könnte eine nachhaltigere Alternative zu metallbasierten Chemikalien sein. Die Ergebnisse stammen aktuell nur aus Laborversuchen, eine Aussage über reale Anwendungen bleibt abzuwarten [12].
Die TRL-Gap: Wo Innovation auf Realität trifft
Die Analyse deckt eine kritische Lücke auf: Während viele vielversprechende Technologien auf TRL 4-6 verharren, fehlt es an Pilot- und Demonstrationsprogrammen, um den Sprung zu TRL 7-8 zu schaffen. Dieser Übergang ist entscheidend - hier zeigt sich, ob eine Technologie unter realen Bedingungen, mit echtem Abwasser und schwankenden Belastungen funktioniert.
Die erfolgreiche Überbrückung der TRL-Lücke von 4-6 zu 7-9 erfordert koordinierte Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen sowie regulatorische Unterstützung. Technologien wie Wasser 3.0 PE-X® und enzymatisches PET-Recycling (Carbios) zeigen, wie dieser kritische Übergang gelingen kann.
Was fehlt: Standardisierung und Daten
Eine der größten Herausforderungen in der Mikroplastik-Forschung bleibt die mangelnde Vergleichbarkeit von Studien. Unterschiedliche Analysemethoden, variierende Definitionen von Mikroplastik und inkonsistente Berichterstattung machen es schwer, die wahre Effizienz verschiedener Technologien zu bewerten [13].
Die EU hat reagiert: Die überarbeitete Kommunalabwasser-Richtlinie schreibt nun regelmäßige Mikroplastik-Messungen für große Kläranlagen vor. Das ist ein wichtiger Schritt - doch Langzeitstudien zeigen, dass die Mikroplastik-Belastung stark schwankt und häufigere Messungen nötig sind, um repräsentative Daten zu erhalten [14].
Fazit: Vom Labor in die Welt
Der Weg von der innovativen Idee zur industrietauglichen Lösung ist lang und komplex. Doch er ist machbar. Technologien wie Wasser 3.0 PE-X® beweisen, dass der kritische Sprung von der Forschung zur Praxis gelingen kann - mit überzeugenden Daten aus realen Anwendungen, wirtschaftlicher Attraktivität und nachweisbarer Nachhaltigkeit.
Was jetzt gebraucht wird, ist ein koordiniertes Vorgehen:
- Mehr qualitativ-hochwertige Pilotprojekte,
- standardisierte Bewertungsmethoden und
- regulatorische Rahmenbedingungen, die Innovation fördern statt behindern.
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Quellen
- Mahdavi, H.; Kurklu Kocaoglu, S.; Halim, L.; Batten, M.; Khosravanian, A.; van 't Hag, L.; Xie, Z.; Hill, M.R.; Freeman, B.D. Enhancing strategies for advanced treatment technologies to reduce microplastic pollution. Journal of Environmental Chemical Engineering 2025, 13, 118953.
- Zoccali, A.; Cantoni, B.; Azzellino, A.; Malpei, F. Removal of microplastics in wastewater treatment plants: insights from a literature meta-analysis. Journal of Environmental Chemical Engineering 2025, 13, 116812.
- Bodzek, M.; Pohl, A.; Rosik-Dulewska, C. Microplastics in Wastewater Treatment Plants: Characteristics, Occurrence and Removal Technologies. Water 2024, 16, 3574.
- Kwon, H.J.; Hidayaturrahman, H.; Peera, S.G.; Lee, T.G. Elimination of Microplastics at Different Stages in Wastewater Treatment Plants. Water 2022, 14, 2404.
- Dayal, L.; Yadav, K.; Dey, U.; Das, K.; Kumari, P.; Raj, D.; Mandal, R.R. Recent advancement in microplastic removal process from wastewater - A critical review. Journal of Hazardous Materials Advances 2024, 16, 100460.
- Talvitie, J.; Mikola, A.; Koistinen, A.; Setälä, O. Solutions to microplastic pollution - Removal of microplastics from wastewater effluent with advanced wastewater treatment technologies. Water Res. 2017, 123, 401-407.
- Xu, Q.; Huang, Q.-S.; Luo, T.-Y.; Wu, R.-L.; Wei, W.; Ni, B.-J. Coagulation removal and photocatalytic degradation of microplastics in urban waters. Chemical Engineering Journal 2021, 416, 129123.
- Puhar, J.; Sturm, M.T.; Myers, E.; Schober, D.; Korzin, A.; Vujanovi, A.; Schuhen, K. When Technology Meets Sustainability: Microplastic Removal from Industrial Wastewater, Including Impact Analysis and Life Cycle Assessment. Water 2025, 17, 671.
- Korzin, A.; Sturm, M.T.; Myers, E.; Schober, D.; Ronsse, P.; Schuhen, K. Upstream Microplastic Removal in Industrial Wastewater: A Pilot Study on Agglomeration-Fixation-Reaction Based Treatment for Water Reuse and Waste Recovery. Clean Technol. 2025, 7, 67.
- Sturm, M.T.; Horn, H.; Schuhen, K. Removal of Microplastics from Waters through Agglomeration-Fixation Using Organosilanes-Effects of Polymer Types, Water Composition and Temperature. Water 2021, 13, 675.
- Yip, A.; McArthur, O.D.; Ho, K.C.; Aucoin, M.G.; Ingalls, B.P. Degradation of polyethylene terephthalate (PET) plastics by wastewater bacteria engineered via conjugation. Microb. Biotechnol. 2024, 17.
- Badawi, A.K.; Hasan, R.; Ismail, B. Sustainable coagulative removal of microplastic from aquatic systems: recent progress and outlook. RSC Adv. 2025, 15, 25256-25273.
- Schuhen, K.; Novak, U. Special Issue - Microplastic Removal and Assessment in Wastewater Treatment Plants. Available online at MPDI.com (accessed on 04th November 2025).
- Sturm, M.T.; Argyropoulou, D.; Myers, E.; Korzin, A.; Ronsse, P.; Zernikel, O.; Schober, D.; Schuhen, K. Comparative Long-Term Monitoring of Microplastics in the Effluent of Three Different Wastewater Treatment Plants with Two, Three, and Four Treatment Stages. Water 2025, 17, 711.
