03.04.2025
Studie zur Mikroplastikfreisetzung aus verschiedenen Textilgrundstoffen während des Waschens
Michael Toni Sturm, Pieter Ronsse, Katrin Schuhen , Wasser 3.0
Der Faserverlust beim Waschen von Textilien ist eine der Hauptquellen für Kunststofffasern und Mikropartikel in der Umwelt [1]. Fasern, die aus Textilien aus synthetischen Materialien wie zum Beispiel Polyester (PES), Polyamid (PA) oder Elastan (EL) freigesetzt werden, werden unter dem Überbegriff Mikroplastik zusammengefasst [2]. Boucher und Friot schätzen, dass das Waschen synthetischer Stoffe für 34,8 % der primären Mikroplastikpartikel verantwortlich ist, die ins Meer gelangen [3].
Synthetische Fasern bzw. Mikroplastik sind persistent, reichern sich in der Umwelt an und können durch Strömungen, Flüsse und Wind über weite Strecken transportiert werden [4]. Verschiedene Studien bestätigten zahlreiche negative Auswirkungen der Mikroplastikpartikel auf Organismen in der Umwelt und Ökosysteme (Abbildung 1). In diesem Zusammenhang erfolgte auch die Kategorisierung als Umweltschadstoff [5].

Abb.1: Verhalten und Auswirkung von Mikroplastik in der Umwelt ©Wasser 3.0

- Tab.1: Hauptfaktoren, die die Freisetzung
von Mikrofasern während des
Waschvorgangs beeinflussen [7-9].
Die Wahl der Textilgrundstoffe und die Verarbeitung der Materialien zu den unterschiedlichen Produkten haben einen sehr starken Einfluss auf die Freisetzung von Fasern [7-9]. Dabei wird die Freisetzung von Faser-Fragmenten hauptsächlich durch den Bruch von Fasern verursacht, der wiederum von Faser-Typ, Faser-Struktur sowie der Veredelung beeinflusst wird. Beispielsweise setzen gezwirnte Garne mit langen und elastischen Fasern weniger Fasern frei als Stapelfasergarne mit kurzen Fasern [7, 10].
Was die Gewebestruktur betrifft, setzen weniger gefranste, dichter gewebte Stoffe weniger Fasern frei. Veredelungen wie Sengen oder Kalandrieren verringern die Faserfreisetzung, da sie freie Fasern auf der Textiloberfläche verringern. Scheren und Bürsten, die das Gewebe weicher und voluminöser machen, beschädigen das Garn und führen zu einer erhöhten Faserfreisetzung [8, 10].
Auch der Waschmaschinentyp beeinflusst die Anzahl der freigesetzten Fasern, ebenso wie das Waschprogramm, d. h. Umdrehungen pro Minute (U/min), die verwendete Wassermenge, Temperaturen, Waschzeit und der Trocknungsprozess [7-9]. Auch die Art und Menge der verwendeten Waschmittel und Weichspüler können den Textilabrieb beeinflussen, wobei Studien hier zu teils widersprüchlichen Ergebnissen kommen.
Ein weiterer Parameter ist die Waschtemperatur. Auch in diesem Bereich sind die zugrundeliegenden mechanistischen Effekte und Wechselwirkungen noch nicht vollständig wissenschaftlich erklärt. Eine Studie zum Einfluss der Schleuderdrehzahl (U/min) und Waschdauer auf die Faserfreisetzung fand heraus, dass die Waschdauer und die Schleuderdrehzahl direkt proportional zur Faserfreisetzung sind. Die höhere mechanische Belastung erhöht die Faserfreisetzung [9].
Um Aussagen über einzelne Parameter treffen zu können ist es wichtig, Modellversuche durchzuführen, bei denen nur der Parameter variiert wird, dessen Einfluss es zu untersuchen gibt. Alle anderen Parameter werden im Versuch konstant gehalten. Auch eine standardisierte und vergleichbare Methode zur Erfassung und Detektion der abgegebenen Fasern ist eine Grundlage für vergleichbare Ergebnisse.
Die hier vorgestellte Studie untersucht drei Textilgrundstoffe, die zur Herstellung von Radsporttrikots verwendet werden. Hierbei soll die Freisetzung der Fasern in einem simulierten Waschprozess ohne Waschmittel im Labormaßstab verglichen werden, um eine Aussage über die Menge der Fasern treffen zu können, die die jeweiligen Trikotstoffe unter konstanten Waschbedingungen abgeben. Es wird der Frage nachgegangen, ob es bei den ausgewählten Stoffen trotz des gleichen Anwendungsfeldes und sehr ähnlicher Eigenschaften, Unterschiede in der Faserfreisetzung gibt. Auch der Einfluss der Waschdauer wird untersucht.
Material und Methoden
Verwendete Stoffe
Die Studie wurde mit drei Stoffproben, die sowohl in glatter als auch perforierter Form vorlagen, durchgeführt (Abbildung 2). Alle Stoffe enthielten Polyamid- und Polyester-Fasern, wobei Stoff 3 den höchsten Anteil an recycelten Grund-Materialien enthielt.

Abb.2: Lichtmikroskopische Aufnahmen der verwendeten Stoffe. Sowohl die Gewebestruktur als auch die Kunstfasern, aus denen das Garn besteht, sind zu erkennen. Auch ist zu erkennen, dass die Löcher im perforierten Material (jeweils rechts) durch die Gewebestruktur entstehen. ©Wasser 3.0
Quantifizierung der Faserfreisetzung
Die Versuche wurden in Doppelbestimmungen durchgeführt. Mithilfe einer Schablone wurden die Stoffe in 5 x 5 cm große Quadrate zugeschnitten. Von jeder Stoffprobe wurde je fünf Quadrate aus dem glatten und fünf Quadrate aus dem perforierten Stoff ausgeschnitten.
Dazu wurde 250 ml VE-Wasser in ein 400 ml Bechergläser gefüllt, mit einem Rührfisch (Magnetstäbchen zylindrisch, Ø: 8 mm, 20 mm) versehen und mit einem Heiz- und Magnetrührer (C-MAG HS 7 Komplett-Set, IKA, Staufen, Deutschland) auf 40 °C erhitzt. Nach dem Erhitzen wurde die Rührfunktion auf Stufe eins gestellt und die Stoffproben, je ein glattes und ein perforiertes Stück pro Becherglas, zugegeben. Somit gab es pro Stoff fünf Bechergläser mit je zwei Stoffproben (Abbildung 3). Um den zeitlichen Einfluss zu untersuchen, wurden pro Stoff fünf Proben angesetzt und zu folgenden Zeiten entnommen: 10 Minuten, 30 Minuten, 60 Minuten, 90 Minuten und 120 Minuten. Zusätzlich wurde je ein Blindversuch ohne die Zugabe von Stoff durchgeführt. Der erhaltene Korrekturwert wurde anschließend von den gemessenen Werten abgezogen.

Abb.3: Skizze des Versuchsaufbaus. Pro Becherglas wurde 250 ml Wasser (40 °C), ein Quadrat aus
glattem Material, ein Quadrat aus perforiertem Material und ein Rührfisch hinzugefügt.
Zusätzlich wurden 100 ml der erhaltenen wässrigen Suspension mit 25 µl abcr eco Wasser 3.0 detect mix MP-1 (AB930015, abcr GmbH, Karlsruhe, Deutschland) über einen Zeitraum von 1 h bei 80 °C angefärbt und anschließend über einen schwarzen Rundmembranfilter filtriert und mit dem Fluoreszenzmikroskop von Zeiss (Axio Zoom.V16) bei grüner Fluoreszenz automatisch fotografiert und ausgezählt.
Der Fluoreszenzmarker abcr eco Wasser 3.0 detect mix MP-1 wurde speziell entwickelt, um Mikroplastik anzufärben und dies unter dem Fluoreszenzmikroskop sichtbar und detektierbar zu machen. Somit lassen sich auch kleinste Partikel detektieren, die mit dem bloßen Auge nicht sichtbar sind [11].
Pro Filter wurden fünf Quadrate fotografiert und die darin enthaltenen Fasern ausgezählt (Abbildung 4). Für die direkt gefärbten Proben erfolgte die Auszählung manuell, für Fluoreszenzaufnahmen der mit dem Fluoreszenzmarker angefärbten Proben erfolgte eine automatisierte Auswertung mittels Partikeldetektionssoftware. Über die Gesamtmembran-Filterfläche und das verwendete Probenvolumen wird die Partikelzahl auf abgegebene Fasern pro Stofffläche oder Stoffgewicht extrapoliert.

Abb.4: Mikroskop-Aufnahmen der gefilterten Proben inklusive automatisierter Auswertung mittels Partikeldetektionssoftware ©Wasser 3.0
Ergebnisse und Diskussion
Emittierte (Mikroplastik-basierte) Fasermenge
Durch die erhöhte mechanische Beanspruchung bei längerer Wasch- bzw. Rührdauer wurde ein Zusammenhang zwischen Zeit und abgegebener Fasermenge erwartet [7]. Das bedeutet, je länger ein Stoff gewaschen wird, desto mehr Fasern werden freigesetzt. Dieser Zusammenhang lässt sich aus den in dieser Studie erhobenen Daten nicht ableiten (Abbildung 5). Auch wenn es Unterschiede zwischen den verschiedenen Waschdauern gibt, lässt sich kein eindeutiger Trend ableiten. Zudem ist mit zwei Wiederholungen die Anzahl der Proben zu gering, um wissenschaftlich fundierte bzw. statistisch signifikante Aussagen treffen zu können.

Abb.5: Im Waschprozess über die Zeit abgegebene Fasermenge der drei untersuchten Stoffe,
Einheit: Fasern pro kg Stoff.
Die Aussage, dass beim Waschen von synthetischen Textilien große Mengen an Kunstfasern bzw. Mikroplastik ins Abwasser und potenziell in den Wasserkreislauf abgegeben werden, deckt sich mit den Ergebnissen anderer Studien, wobei hier die Mengen an Fasern pro Waschgang abhängig vom Stoff und Versuchsdesign variieren[1, 12]. So fanden Galvo et al. eine Freisetzung von 18.000.000 Fasern pro Waschgang und Napper et al. 700.000 Fasern Pro Waschgang. Es ist auch anzumerken, dass beim Zuschneiden der Stoffquadrate die Schnittkanten einen starken Einfluss auf die Freisetzung von Fasen haben[13].
Die abgegebene Fasermenge durch die Auswahl des Stoffes bzw. das Stoffdesign zu reduzieren, ist ein wichtiger Schritt, zur Reduktion der Faserfreisetzung ins Abwasser [10, 14].
Emittiertes Mikroplastik

- Abb.6: Fluoreszenzaufnahme des mit abcr eco Wasser 3.0
detect mix MP-1 angefärbten und gefilterten Wassers nach
dem Waschprozess (Stoff 1 nach 60 min Waschzeit).
©Wasser 3.0
Die Quantifizierung der emittierten Mikroplastikpartikel (Anzahl Mikroplastikpartikel MP) bestätigt diesen optischen Eindruck (Abbildung 7). Die Werte betragen 330.027.079 MP pro kg für Stoff 3, 88.192.469 MP pro kg für Stoff 1. Mit 13.455.509 MP pro kg hat Stoff 2 auch hier den deutlich geringsten Wert und gegenüber Stoff 1 eine um 85 % geringere, gegenüber dem Stoff 3 eine um 96 % geringere Emission.

Abb.7: Im Waschprozess über die Zeit in abgegebenes Mikroplastik (MP) der drei untersuchten Stoffe,
Einheit: MP pro kg Stoff.
Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass nicht nur (Mikroplastik-)Fasern, sondern auch Mikroplastikpartikel beim Waschen der Radsporttrikots frei werden. Der Ursprung der Mikroplastikpartikel ist unklar, wobei die wahrscheinlichste Möglichkeit ist, dass es sich um Rückstände vom Produktions- oder Veredelungsprozess handelt. Eine erhöhte Abgabe von Fasern in den ersten Waschgängen aufgrund von Produktionsrückständen ist ein bekanntes Phänomen.
In bisherigen Studien wurde die Abgabe einer solch hohen Menge kleinster Mikroplastikpartikel noch nicht beobachtet. Dies kann aber auch auf die verwendete Analytik zurückzuführen zu sein [15]. Typischerweise werden die Fasermengen gravimetrisch bestimmt oder unter dem Lichtmikroskop ausgezählt, wobei solche Kleinstpartikel nicht zu erfassen sind.
Fazit und Ausblick
Die Untersuchungen konnten zeigen, dass es bei den drei Stoffen, trotz sehr ähnlicher Stoffeigenschaften, zu starken Unterschieden in der Faser- und Mikroplastikfreisetzung beim Waschprozess kommt. Um die enormen Mengen an Mikroplastik, mit denen unser Abwasser und Wasserkreislauf durch das Waschen von Synthetik-Kleidung belastet werden, zu reduzieren, kann die Auswahl von Stoffen mit niedriger Faseremission einen wichtigen Beitrag leisten. Zusammen mit weiteren Maßnahmen wie Anpassung von Waschtemperatur, Schleuderdrehzahl oder Waschmittelauswahl, kann somit jeder und jede Einzelne bereits einen Beitrag leisten.
Eine weitere wichtige Erkenntnis ist, dass neben den Fasern auch eine weitaus höhere Anzahl an Mikroplastikpartikeln beim Waschen freigesetzt werden, deren Ursprung unklar ist. Vermutlich handelt es sich hier um Rückstände aus Produktion oder Veredelungsprozessen. Aufgrund der enormen Menge an abgegebenen Mikroplastik empfehlen sich hier weitere Untersuchung und Analysen, um sowohl den Ursprung dieses Phänomens als auch die Häufigkeit des Vorkommens in verschiedenen Stoffen zu klären.
Diese Erkenntnisse unterstreichen die Wichtigkeit von einfachen und standardisierten Detektions- und Untersuchungsmethoden für Mikroplastik in Wässern und Abwässern. Sie sind Grundlage für eine umfassende Datenerhebung und fundierte Aussagen über die Faserfreisetzung verschiedener Stoffe, was sich direkt auf deren Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit auswirkt. Wasser 3.0 bietet durch umfassende Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Bereich der Mikroplastikdetektion einfache und standardisierte Analyseverfahren zu Untersuchung verschiedener Textilien.
Danksagung
Die Autor:innen danken allen Spender:innen und Sponsor:innen, die durch ihre Mithilfe ermöglichen, dass wir Antworten auf die Alltagsfragen zum Thema Mikroplastik erforschen können. Haben Sie noch ungeklärte Fragen, die sie zum Thema Mikroplastik umtreiben? Dann kontaktieren Sie uns gerne.
Quellen
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- Boucher J, Friot D. Primary microplastics in the oceans: A global evaluation of sources. Gland, Switzerland: IUCN; 2017
- Li Y, Lu Q, Xing Y, Liu K, Ling W, Yang J, et al. Review of research on migration, distribution, biological effects, and analytical methods of microfibers in the environment. Sci Total Environ. 2023;855:158922.
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- Ramasamy R, Subramanian RB. Synthetic textile and microfiber pollution: a review on mitigation strategies. Environ Sci Pollut Res Int. 2021;28:41596-611.
- Schuhen K, Sturm MT. Mikroplastik: Hotspot Waschmaschine?! LABORPRAXIS 2023.
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- Sturm MT, Myers E, Korzin A, Polierer S, Schober D, Schuhen K. Fast Forward: Optimized Sample Preparation and Fluorescent Staining for Microplastic Detection. Microplastics. 2023;2:334-49.
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