09.02.2022
Mit Phagen und Desinfektionsmittel Krankenhauskeime auf Oberflächen bekämpfen
Wer frisch operiert im Spital liegt, ist mit seinem geschwächten Immunsystem leichte Beute für Krankheitserreger, die auf verschiedensten Oberflächen lauern. Auch sorgfältige Desinfektion kann solche Spitalinfektionen nur teilweise verhindern.
Ein Hoffnungsträger im Kampf gegen die Keime sind Bakteriophagen. Eawag-Forschende konnten zeigen, dass sie in Kombination mit chemischer Desinfektion die Entfernung von Krankheitserregern auf Oberflächen verbessern.
Bakteriophagen sind Viren, die wie Mondlandefähren aussehen. Doch statt in friedlicher Mission auf Himmelskörpern zu landen, docken sie an Bakterien an, um sie wenig später zu zerstören. Sie brauchen die Bakterien als Wirt, um sich vermehren zu können: Durch Injektion ihrer DNA bringen sie die Bakterien dazu, so lange neue Phagen zu produzieren, bis sie schließlich platzen.
Die dabei freigesetzten Phagen können wiederum neue Bakterien angreifen und zerstören. Durch ihre hohe Spezialisierung - Phagen können jeweils nur eine oder wenige Bakterienarten als Wirt nutzen - sind sie prädestiniert für den Einsatz gegen krankmachende Keime.
Insbesondere im Kampf gegen antibiotikaresistente Bakterien werden sie als Hoffnungsträger gehandelt und intensiv erforscht. In Osteuropa werden sie auch schon in der medizinischen Behandlung eingesetzt. Weniger Aufmerksamkeit bekommt bisher ein weiterer möglicher Anwendungsbereich: die Bekämpfung von Krankheitserregern auf Oberflächen.
Interessant sein könnten Phagen beispielsweise für die Entfernung von opportunistischen Krankheitserregern in Spitälern oder Pflegeheimen. Solche Erreger sind für gesunde Menschen harmlos, können aber für Patienten mit geschwächtem Immunsystem gefährlich werden.
Krankheitserreger zunehmend resistent gegen Antibiotika
Infektionen mit opportunistischen Krankheitserregern haben in den letzten Jahren immer mehr zugenommen und verursachen enorme Gesundheitskosten. In der Schweiz erkranken jedes Jahr 7 bis 8 Prozent der hospitalisierten Patienten an einer sogenannten Spitalinfektion, die häufig durch opportunistische Krankheitserreger verursacht wird. Erschwerend kommt hinzu, dass viele dieser Erreger auch zunehmend resistent sind gegen Antibiotika. Übertragen werden sie oft über kontaminierte Oberflächen, da sie teilweise nicht einmal durch Desinfektion entfernt werden können oder aber gereinigte Flächen schnell wieder kontaminieren.
Ein häufiger Verursacher dieser gefürchteten Spitalinfektionen ist das opportunistische Bakterium Pseudomonas aeruginosa. Eine Infektion mit diesem Erreger kann zu Lungenentzündungen sowie Wund- und Harnwegsinfektionen führen. Eine Studie der Eawag-Forschenden Elyse Stachler, Anina Kull und Tim Julian, die in der Zeitschrift "Applied and Environmental Microbiology" erschienen ist, ging daher der Frage nach, ob Phagen die Entfernung von Pseudomonas aeruginosa von Oberflächen verbessern können.
Biofilm als Schutzschild der Bakterien
Sie untersuchten sowohl eine Behandlung mit Phagen allein als auch kombiniert mit Desinfektionsmitteln. Dafür arbeiteten die Forschenden mit zwei verschiedenen Phagen (P1 und JG004) sowie zwei verschiedenen Desinfektionsmitteln (Natriumhypochlorit und Benzalkoniumchlorid). Außerdem wurde das Bakterium in drei verschiedenen Formen untersucht, um im Labor die realen Bedingungen auf den verschiedensten Oberflächen in einem Spital möglichst gut nachzubilden: als freilebende Bakterien auf der Oberfläche bzw. in feuchten oder trockenen Biofilmen. Mit Hilfe solcher Biofilme, einer selbstproduzierten Schleimschicht, können sich die Bakterien beispielsweise gegen Antibiotika oder Desinfektionsmittel abschirmen und sind daher besonders widerstandsfähig.
Auch die Behandlung kontaminierter Oberflächen mit Phagen war daher je nach Wuchsform der Bakterien unterschiedlich erfolgreich: freilebende Bakterien und feuchte Biofilme ließen sich zu über 99 Prozent entfernen. Die Phagen waren damit wirksamer als Desinfektionsmittel. Trockene Biofilme konnten die Phagen jedoch nicht beseitigen. Die Forschenden begründen das damit, dass die Phagen aktiv wachsende Wirte brauchen, um diese für ihre Vermehrung nutzen zu können. In trockenen Biofilmen sind die Bakterien jedoch in einer Art Ruhezustand und können daher von den Phagen auch nicht für ihre Zwecke manipuliert werden. Immerhin verhinderte die Anwendung von Phagen aber, dass die trockenen Biofilme weiterwachsen konnten.
Kombination von Phagen und Desinfektionsmittel am effizientesten
Getestet wurde von den Forschenden außerdem die kombinierte Behandlung mit Phagen und Desinfektionsmitteln. Wurden bei feuchten Biofilmen zuerst Phagen und anschließend Desinfektionsmittel angewendet, ließen sich die Bakterien deutlich wirksamer entfernen als durch Phagen oder Desinfektion allein. Zudem benötigt man durch die Kombination beider Methoden weniger Phagen als bei Anwendung von Phagen allein. Damit sinkt gemäß den Forschenden auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Bakterien gegen eine der beiden Behandlungen resistent werden.
Dreht man die Reihenfolge der Behandlung um - setzt die Phagen also im Anschluss an die chemische Desinfektion ein - bringt die Kombination kaum einen Vorteil gegenüber Desinfektion allein. Die Forschenden vermuten, dass das Desinfektionsmittel die äußere Bakterienschicht des Biofilms inaktiviert und dadurch deren Infektion durch die Phagen behindert.
Bei trockenen Biofilmen wurde die kombinierte Behandlung nicht getestet, da bereits die Phagenbehandlung allein ineffizient war. Bei freilebenden Bakterien war die Phagenbehandlung hingegen so effizient, dass die verbleibenden Bakterien mit der eingesetzten Analysemethode bereits nicht mehr quantifiziert werden konnten.
Insgesamt zeigt die Studie, dass der Einsatz von Phagen sowie die kombinierte Behandlung mit Phagen und chemischer Desinfektion geeignet ist, um Krankheitserreger auf Oberflächen zu verringern oder zu entfernen, insbesondere bei Biofilmen, die sich mit herkömmlicher Desinfektion schlecht entfernen lassen. Es brauche aber noch weitere Untersuchungen, so die Forschenden, bevor die Methode tatsächlich in der Praxis angewendet werden könne.
Quelle: Eawag