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03.11.2024

22.10.2024

Technik-Optimismus führt zu lascher Klimapolitik

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Auf Klimakonferenzen sind die Einschätzungen und Entscheidungen der Delegierten direkt von deren Technik-Optimismus geprägt: Je stärker die Delegierten hoffen, dass zukünftige Technologien die drohende Klimakatastrophe abwenden können, desto geringer sind ihre Ambitionen, sich für einschneidende Sofortmaßnahmen einzusetzen.

Das haben Forschende um den Marburger Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Björn Vollan herausgefunden. "In einer Zeit, in der der Kampf gegen die Klimakrise zunehmend Dringlichkeit erfordert, so zeigt unsere Studie, hoffen Delegierte auf Klimakonferenzen häufig auf zukünftige technologische Lösungen, anstatt aktuell notwendige politische Maßnahmen zu ergreifen", beschreibt das Autorenteam um Vollan den Befund. Sie befragten Teilnehmende der Klimakonferenz COP24 in Katowice 2018.

In ihrer Studie haben die Wirtschaftswissenschaftler vom Lehrstuhl für Nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen der Philipps-Universität Marburg die Antworten von 276 Delegierten der Conference of the Parties (COP) im Jahr 2018 in Katowice ausgewertet. Dabei unternahmen die Forschenden eine Kombination aus quantitativen Umfragedaten und statistischen Methoden, um das Verhalten sowie die Präferenzen von Klimadelegierten zu untersuchen.

"Wir fanden heraus, dass Delegierte, die stärker an die Bewältigung der Klimakrise durch technologische Lösungen glauben, weniger strenge klimapolitische Maßnahmen vorschlagen: Sie befürworten beispielsweise geringere CO2-Preise," erläutern die Erstautoren Maximilian Burger und Donia Mahabadi aus der Arbeitsgruppe von Björn Vollan. Dies deute darauf hin, dass das Vertrauen in technologische Lösungen das Engagement für ambitioniertere Klimaziele schwächen könne, schließen die Autoren aus den Befunden.

Die Ergebnisse sind im Kontext der internationalen Klimapolitik von Bedeutung: "Technologische Lösungen wie erneuerbare Energien, CO2-Abscheidung oder Geo-Engineering können zwar eine wichtige Rolle bei der Verringerung der CO2-Emissionen spielen. Sie sind jedoch noch nicht in dem Umfang ausgereift, dass sie alleine ausreichen würden, um die Klimakrise zu bewältigen", erläutert Maximilian Burger. Es sei auch unklar, ob diese Technologien in der Zukunft das notwendige Potenzial erreichen werden. Daher berge das Vertrauen auf solche Technologien ein Risiko, wenn es zu Lasten strengerer Klimapolitik geht.

Interessanterweise widerspricht dies der klassischen ökonomischen Theorie, die nahelegt, dass höhere Preise - beispielsweise für CO2 - als Anreiz für Innovationen wirken, erläutert Vollan. Niedrige Preise hingegen könnten verhindern, dass die notwendigen technologischen Fortschritte überhaupt realisiert werden.

Als kritisch bewertet das Team um Björn Vollan auch, dass im Vorfeld der jüngsten Weltklimakonferenz COP28 in Dubai Ende 2023 der Wunsch nach mehr Teilnehmenden mit 'Business Mindset' geäußert wurde. Auch die hohe Anzahl an Lobbyisten aus der fossilen Brennstoffindustrie sieht das Team als problematisch an.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass der alleinige Glaube an zukünftige Technologien notwendige politische Maßnahmen verzögern kann - ein Risiko, das die internationalen Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels gefährden könnte. Ein wichtiger Aspekt wäre, die Diskurse über technologische Lösungen kritisch zu hinterfragen, indem Informationen über die Skalierbarkeit, die Kosten und den zeitlichen Rahmen für die Umsetzung solcher Technologien bereitgestellt werden", kommentieren die Autorn der Studie.

» Originalpublikation

Quelle: Universität Marburg