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19.09.2024

23.08.2024

Neuartige chemische Bindungsspaltung verspricht vielfältige Nutzungsmöglichkeiten

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Chemische Bindungen sind der Ursprung der Struktur und des Verhaltens aller Materie, in der Atome sich untereinander elektrostatisch anziehen. Sie sind für die meisten im Alltag beobachtbaren Phänomene wie etwa die Elastizität eines Gummibandes, den Siedepunkt von Wasser oder das Leuchten eines Glühwürmchens verantwortlich.

Aus Sicht der Chemie besteht vor allem ein Interesse darin, die Zusammenhänge zwischen der Struktur und dem Verhalten von Stoffen genau zu verstehen und dieses Wissen für die Steuerung chemischer Prozesse zu nutzen. Auf mikroskopischer Ebene bedeutet dies, die Verteilung von Elektronen zwischen Atomen - den Grundbausteinen der Materie - im Verlauf einer Reaktion möglichst präzise zu beeinflussen.

Genau in diesem Zusammenhang machte ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Julia Rehbein, Prof. Patrick Nürnberger und Prof. Alexander Breder (Universität Regensburg, Fakultät für Chemie und Pharmazie), in Zusammenarbeit mit Forschenden der Universitäten Wien und Leipzig, eine bahnbrechende Entdeckung.

In chemischen Reaktionen werden bestehende Bindungen zwischen Atomen gebrochen und neu verknüpft. Hierbei kann im Wesentlichen zwischen zwei Formen der sogenannten unimolekularen Bindungsspaltung - also nur das einzelne Molekül betreffend - unterschieden werden. Zum einen kann der Bindungsbruch so erfolgen, dass die beteiligten Elektronen hälftig auf die zuvor gebundenen Atome verteilt werden - auch Homolyse genannt.

Zum anderen können auch alle Bindungselektronen einem einzigen Bindungspartner zugeteilt werden, sodass der andere "leer" ausgeht - auch Heterolyse genannt. Bislang wurden unimolekulare Heterolysen üblicherweise an polaren Bindungen durchgeführt. Hierunter werden Bindungen verstanden, in denen ein Bindungspartner von Haus aus an den Bindungselektronen "stärker zieht" als der andere.

Unpolare Bindungen hingegen durchlaufen lediglich eine homolytische Spaltung. Dieser vermeintlich unscheinbare Sachverhalt hat gravierende Folgen, da deshalb für unimolekulare heterolytische Reaktionen - die zum Teil in der großtechnischen Produktion von Hochleistungsmaterialien oder der Darstellung von Medikamenten eine zentrale Rolle spielen - primär polare Ausgangsstoffe genutzt werden. Diese Startmaterialien sind zwar deutlich reaktiver, aber oftmals aufwendiger in der Handhabung und nicht selten mit einer problematischeren Umweltbilanz behaftet.

Wie nun gezeigt werden konnte, ist es aber auch möglich, unpolare Bindungen indirekt heterolytisch zu spalten. Hierzu werden die Moleküle in einer genau abgestimmten Weise durch Licht und Wärme sequenziell so aktiviert, dass in der Folge ein Paar elektrisch gegensätzlich geladener Teilchen entsteht - ein Prozess, der von den Forschenden als Polung bezeichnet wird. Die Ergebnisse der insgesamt dreijährigen Studie wurden nun im international renommierten Fachmagazin Nature veröffentlicht.

"Die Bedeutung der gewonnenen Erkenntnisse ist von transdisziplinärer Tragweite, da sich durch sie völlig neue Möglichkeiten für die Durchführung und Erforschung chemischer Reaktionen ergeben", so die Einschätzung der Forschenden. Möglicherweise könne künftig auch auf die Nutzung von ökologisch ungünstigen Chemikalien etwa bei der Erzeugung von Industrieprodukten zunehmend verzichtet werden, was zu entscheidenden Vorteilen in Wirtschaft und Technologie führen könnte.

» Originalpublikation

Quelle: Universität Regensburg