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19.09.2024

19.08.2024

Eine Vorliebe für Kohlendioxid

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Nitrogenasen gehören zu den geochemisch wichtigsten Enzymen der Erde und versorgen alle Lebewesen mit bioverfügbarem Stickstoff in Form von Ammoniak. Da die Eisen-Nitrogenase auch Kohlendioxid direkt zu Kohlenwasserstoffen umsetzen kann, ist sie ein Ansatzpunkt für die Entwicklung biotechnologischer Verfahren.

Einem Marburger Forscherteam um den Max-Planck-Wissenschaftler Johannes Rebelein ist es nun gelungen, weitreichende Einblicke in diese besonderen Eigenschaften zu gewinnen. Die Ergebnisse verändern das bisherige Bild von Nitrogenasen und unterstreichen ihr Potenzial für eine nachhaltige Bioproduktion.

Stickstoff gehört zu den wichtigsten Bausteinen unserer Zellen. Der größte Teil des Stickstoffs auf der Erde liegt jedoch in Form von gasförmigem elementarem Stickstoff vor, der für Zellen chemisch nicht verwertbar ist. Nur eine einzige Familie von Enzymen, die ausschließlich von mikrobiellen Organismen produziert wird, ist in der Lage, diesen in bioverfügbares Ammoniak umzuwandeln: die Nitrogenasen.

Ein Forschungsteam um Johannes Rebelein vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie entdeckte kürzlich, dass einige Nitrogenasen auch mit einem anderen wichtigen Substrat umgehen können: Sie reduzieren das Treibhausgas Kohlendioxid zu Kohlenwasserstoffen (Methan, Ethylen, Ethan), Kohlenmonoxid und Ameisensäure. Alle diese Stoffe haben gemeinsam, dass sie potenzielle Energieträger und industriell relevante Chemikalien sind. Im Hinblick auf eine nachhaltige, kohlenstoffneutrale Bioproduktion wollte das Team wissen: Wie gut können die Enzyme zwischen Kohlendioxid und Stickstoff unterscheiden? Und findet die Kohlendioxid-Reduktion bei Bakterien, die auf Stickstoff wachsen, auch unter normalen Bedingungen statt?

Zwei Nitrogenasen

Um diese Fragen zu beantworten, konzentrierten sich die Forschenden auf das fotosynthetische Bakterium Rhodobacter capsulatus, das zwei Isoenzyme beherbergt: neben der Molybdän (Mo)-Nitrogenase auch die Eisen-Nitrogenase, die das Bakterium als Reserve bei Molybdänmangel benötigt. Sie isolierten beide Nitrogenasen und verglichen deren Kohlendioxid-Reduktion mittels biochemischer Tests. Dabei stellten sie fest, dass die Eisen-Nitrogenase tatsächlich dreimal effizienter Kohlendioxid reduziert als ihr Molybdän-haltiges Gegenstück und auch bei atmosphärischen Kohlendioxid-Konzentrationen Ameisensäure und Methan produziert.

Werden beiden Enzymen gleichzeitig Kohlendioxid und Stickstoff angeboten, zeigt sich ein weiterer wichtiger Unterschied: Während die Mo-Nitrogenase selektiv Stickstoff reduziert, wählt die Eisen-Nitrogenase eher Kohlendioxid als Substrat. "Normalerweise geht bei Enzymen eine höhere Reaktionsgeschwindigkeit auf Kosten der Genauigkeit. Interessanterweise ist die Mo-Nitrogenase sowohl schneller als auch selektiver, was ihren Vorteil bei der Stickstofffixierung zeigt. Die geringere Spezifität der Eisen-Nitrogenase und ihre Vorliebe für Kohlendioxid macht sie zum vielversprechenden Ausgangspunkt für die Entwicklung neuartiger Kohlendioxid -Reduktasen", sagt Frederik Schmidt, Doktorand im Labor von Johannes Rebelein und Mitautor der Studie.

Kohlendioxid-Reduktion in der Natur weit verbreitet?

Dies war nicht die einzige Überraschung. "Wir haben geprüft, welcher Anteil der Elektronen in welchem Produkt landet. Dabei stellten wir fest, dass die Bakterien auch dann Methan und Ameisensäure ausscheiden, wenn der Kultur kein zusätzliches Kohlendioxid zugeführt wird: Das durch die Eisen-Nitrogenase aus dem Stoffwechsel gewonnene Kohlendioxid reicht aus, um den Prozess anzutreiben.

Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass die durch Eisen-Nitrogenasen katalysierte Kohlendioxid-Reduktion in der Natur tatsächlich weit verbreitet sein könnte", erklärt Niels Oehlmann, Erstautor der Studie. Durch ihren Einfluss auf die die Verfügbarkeit und der Austausch von Kohlenstoff-Substraten beeinflussen Nitrogenasen wahrscheinlich mikrobielle Gemeinschaften in verschiedenen Umgebungen.

Die Entdeckungen verändern das bisherige Bild von Nitrogenasen als reine Stickstoff-umwandelnde Enzyme. Fotosynthetische Bakterien wie R. capsulatus, die Lichtenergie nutzen, um Nitrogenasen zur Umwandlung des Treibhausgases Kohlendioxid anzuregen, könnten neben ihren Umweltauswirkungen auch für den gesellschaftlichen Wandel hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft von entscheidender Bedeutung sein, betont Johannes Rebelein. "Die Idee ist, dass wir die Energie des Sonnenlichts, die der Fotosyntheseapparat der Mikroorganismen einfängt, in den von der Nitrogenase produzierten Kohlenwasserstoffen zu speichern. In Zukunft wollen wir die Eisen-Nitrogenase weiterentwickeln, um sie für die Kohlendioxid-Fixierung zu nutzen."

» Originalpublikation

Quelle: Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie (MPIterMic)