02.08.2023
Verschobene Elektronen lassen Gold-Nanopartikel schwingen
Solarzellen, Sensoren, Photokatalysatoren: Lichtempfindliche Nanopartikel versprechen eine Vielzahl von Anwendungen - sofern sich die Prozesse hinter ihrem Verhalten kontrollieren lassen. Ein solcher Prozess ist eine Art kollektive Elektronenbewegung im Nanopartikel, die zu einem Energieaustausch führt, der günstig oder störend sein kann. Die Details dieser kollektiven Bewegung waren bislang allerdings unklar.
Ein Forschungsteam vom Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) bei DESY, der Universität Hamburg, des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie und der Technischen Universität (TU) Berlin berichtet jetzt im Fachblatt "Nano Letters" über Beobachtungen von Gold-Nanopartikeln mit DESYs Freie-Elektronen-Laser FLASH, die sich nicht durch etablierte Modelle erklären lassen. Das Team präsentiert ein neues theoretisches Modell, das die beobachtete Dynamik der angeregten Gold-Nanopartikel erklären kann.
Die kollektiven Elektronenschwingungen in Nanopartikeln, Plasmonen genannt, sind mit stark lokalisierten Feldern verbunden. Plasmonen schwingen in der Regel langsam aus, so wie die Wellen auf einem Teich nach und nach schwächer werden. Wie das genau vor sich geht, ist Gegenstand der Diskussion. Die am weitesten verbreitete Theorie besagt, dass Plasmonen sehr energiereiche "heiße" Elektronen erzeugen, die dann ihre Energie durch Streuung an anderen Elektronen innerhalb des Plasmonenfeldes verlieren und ein sogenanntes "warmes" Elektronengas bilden. Dieses Gas heizt das Nanopartikel auf, das die überschüssige Energie letztlich an die Umgebung abgibt.
Die Effizienz des Energietransfers zwischen "heißen" und "warmen" Elektronen und dem Nanopartikel ist wichtig für verschiedene Anwendungen, etwa in Solarzellen und Sensoren. Insbesondere die Energieübertragung vom warmen Elektronengas auf das gesamte Nanopartikel scheint so effizient zu sein, dass das Partikel extrem schnell erhitzt wird. Dabei dehnt es sich heftig aus und versetzt das gesamte Nanopartikel in eine kollektive Schwingung, fast wie eine atmende Kugel.
Bislang ist diese "atmende" Schwingung jedoch nicht direkt beobachtet worden. Das Forschungsteam um Holger Lange von der Universität Hamburg, DESYs leitendem Wissenschaflter Jochen Küpper und Kartik Ayyer vom Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie am CFEL, die alle im Exzellenzcluster "CUI: Advanced Imaging of Matter" forschen, und Andreas Knorr von der TU Berlin hat nun mit DESYs Freie-Elektronen-Laser FLASH sowie in einem Labor der Universität Hamburg die zeitabhängige Größe sowie die elektronischen Energien von Nanopartikeln untersucht, die mit einem Laser angeregt wurden. Überraschenderweise zeigte sich, dass die Nanopartikeln sich bereits direkt mit dem optischen Anregungspuls ausgedehnt hatten. Das ist viel schneller als bisher angenommen, und eindeutig bevor sich das warme Elektronengas bilden konnte. Die direkte Anregung der Elektronen durch das Licht spielt also eine viel stärkere Rolle für die Ausdehnung des Partikels.
Um ihre Beobachtungen zu erklären, haben die Forscher ein neues Modell des Plasmonenverhaltens entwickelt, das die experimentellen Ergebnisse gut wiedergibt und ein konsistentes Bild für alle beobachteten Aspekte der Anregung liefert. Für die "Partikelatmung" gibt es darin zwei Terme: zum einen die "klassische" thermische Ausdehnung, zum anderen einen neuen Effekt, eine vom Licht ausgelöste Umverteilung der Elektronen, die das Partikel direkt zum Schwingen anregt.
Der zweite, neue Anregungsterm zeigt, dass sogenannte plasmadynamische Prozesse viel stärker miteinander verwoben sind als angenommen und dass bestehende Modelle über warme und heiße Elektronen infrage gestellt werden müssen, was Auswirkungen auf die Photokatalyse und andere Energieumwandlungswege hat. Das neue theoretische Modell liefert auch einen allgemeinen Ansatz für die Plasmonen-Teilchen-Wechselwirkung und wird bereits in weiteren Projekten eingesetzt.
Quelle: Deutsches Elektronen-Synchrotron (DESY)