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03.12.2024

03.02.2022

Nebenwirkungen und neue bioaktive Substanzen bei der Wirkstoffsuche identifizieren


Pharmaforschende sprechen von einem Hit oder auch Treffer, wenn sie bei der Wirkstoffsuche auf eine vielversprechende Substanz mit gewünschter Wirkung stoßen. Doch leider sind Hits selten Volltreffer, oft zeigen sich unerwünschte Nebenwirkungen, die nicht nur die Suche nach neuen Hits erschweren, sondern auch die anschließende Entwicklung zum Medikament.

Eine neue Studie von Slava Ziegler und Herbert Waldmann vom Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund könnte nun dabei helfen, eine der meistbeobachteten Nebenwirkungen schon während der frühen Wirkstoffsuche zu identifizieren aber auch neue Wirkungen zu finden.

Die am häufigsten eingesetzten Krebsmedikamente enthalten Wirkstoffe, die das Zytoskelett der Zelle durch die Bindung an Mikrotubuli manipulieren. Das führt zu einer Störung der Zellteilung, sowie zur Beeinträchtigung anderer essentieller Prozesse und endet tödlich für die Krebszellen.

Ein solcher Effekt ist für andere Therapien natürlich nicht wünschenswert. Doch Mikrotubuli sind aufgrund ihrer besonderen Oberfläche mit vielen tiefen Bindungstaschen besonders anfällig für die Modulation durch chemischen Substanzen mit unterschiedlichsten chemischen Gerüsten.

Wirkstoffsuche ist vorbelastet

Bei der Suche und der Entwicklung neuer Wirkstoffe spielt der Nachweis bekannter Nebenwirkungen eine immense Rolle, vor allem wenn man bedenkt, dass es im Schnitt ca. 13 Jahre dauert und mehr als eine Milliarde US-Dollar kostet ein neues Medikament zu entwickeln. Es gibt zwar bereits standardisierte Testverfahren (Screens) zur Identifizierung von unerwünschten Nebenwirkungen, jedoch erfassen sie lange nicht alle Angriffspunkte in der Zelle, geben oft den zellulären Kontext nicht korrekt wieder und sind wenig zuverlässig z. B. bei der Kontrolle der Tubulinbindung. Damit ist jede Wirkstoffsuche in einem gewissen Maße immer vorbelastet.

Malen in Zellen

Das Team um Slava Ziegler und Herbert Waldmann hat nun eine neue Strategie angewendet, um Nebenwirkungen, wie die Störung von Tubulin, schon in einem frühen Stadium der Wirkstoffsuche zuverlässig zu erkennen. Dafür nutzten die Forschenden den sogenannten "Cell Painting" Ansatz. Hierbei werden mehrere funktionelle Bereiche der Zelle gefärbt und anschließend mikroskopisch auf Veränderungen nach Wirkstoffzugabe untersucht. So können für eine Substanz hunderte zelluläre Parameter in einem morphologischen Fingerabdruck erfasst werden.

Vergleicht man nun diesen Fingerabdruck mit dem von bekannten Referenzwirkstoffen, erhält man Rückschlüsse auf die Wirkungen der unbekannten Substanz. Besonders wertvoll macht diesen Ansatz die Möglichkeit, Fingerabdrücke für tausende von Substanzen im Hochdurchsatzverfahren zu erstellen. Auf diese Weise konnten die Forschenden aufdecken, dass etwas mehr als 1% von ca. 15.000 untersuchten Substanzen eine tubulinmodulierende Wirkung hat. Darunter befand sich auch eine Vielzahl bekannter Referenzsubstanzen, bei denen einen Einfluss auf Tubulin bisher unbekannt war.

Nützliches Add-on für die Wirkstoffentwicklung

"Referenzsubstanzen spielen eine essentielle Rolle bei der Interpretation eines Screens, daher sollten sie sorgfältig bewertet und geprüft werden. Die Substanzen, die unser Screen identifiziert hat, zeigen unterschiedlichste chemische Grundgerüste, selbst kleine chemische Veränderungen können einen dramatischen Einfluss auf die Tubulin-bindenden Eigenschaften einer Substanz haben. Dieses Risiko ist vor allem während der Phase der Substanzoptimierung allgegenwärtig, bei der schrittweise bestehende Atome ausgetauscht oder entfernt und neue Atome angebaut werden, um so die pharmakologischen Eigenschaften einer Substanz zu verbessern.

Das zusätzliche Erfassen von morphologischen Fingerabdrücken während der Suche nach Hits und ihrer Optimierung zu Wirkstoffen könnte nicht nur dabei helfen, Nebenwirkungen wie die Modulation von Tubulin früh zu demaskieren, sondern auch gewünschte und neue Bioaktivitäten zu identifizieren," sagt Slava Ziegler. "Auch könnte dieser Ansatz Zeit und Kosten sparen, wenn dadurch früher erkannt wird, ob eine vielversprechende Substanz das Zeug zum Wirkstoff hat oder nicht."

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Quelle: Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie