24.03.2022
Nutzen der Impfung nach Genesung von COVID-19
Kommt unser Immunsystem in Kontakt mit dem Coronavirus SARS-CoV-2, wehrt es sich und bildet Antikörper. Eine ähnliche Immunantwort wird durch Corona-Impfstoffe ausgelöst. Zur Stärke und Dauerhaftigkeit des Immunschutzes liegen allerdings weiterhin nur wenig Daten vor.
Ein Team um Carsten Watzl vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund hat nun in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie und dem Klinikum Dortmund noch 300 Tage nach einer Coronavirus-Infektion mit der ursprünglichen Variante hohe Mengen neutralisierender Antikörper in Probanden nachweisen können.
Und mehr noch: Nach vollständiger Impfung zeigten die Genesenen ca. fünffach höhere Antikörperspiegel als Geimpfte ohne vorherige Infektion. Damit wären sie bei einer Neuinfektion mit anderen Coronavirus-Varianten deutlich besser vor einem schweren Krankheitsverlauf geschützt.
Unser Immunschutz wird durch zwei Hand in Hand arbeitende Systeme gewährleistet. Bei der Infektion mit einem Virus reagiert das Immunsystem mit der Produktion von Antikörpern, die das Virus daran hindern können, weitere Zellen zu infizieren. Gleichzeitig können sogenannte T-Killerzellen die fremden Virusbestandteile erkennen und so bereits infizierte Zellen abtöten. Während der Immunreaktion verbessern sich die Antikörper ständig und sind schließlich maßgeschneidert für den Erreger. Die Menge dieser neutralisierenden Antikörper zeigt an, wie gut eine neue Infektion vom Körper abgewehrt werden kann.
"Als die Corona-Pandemie ausgebrochen ist, hat uns als Immunologen natürlich interessiert, wie sich unser Immunsystem gegen das Coronavirus wehrt. Deswegen entwickelten wir zusammen mit unseren Kollegen vom Max-Planck-Institut und dem Klinikum Dortmund ein zuverlässiges Testsystem zum Nachweis von neutralisierenden Antikörpern", so Carsten Watzl, Direktor am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung. Um Antikörper zielgerichtet aus dem Blut fischen zu können, benötigt man einen entsprechenden Köder.
Ein Hauptangriffsziel des Immunsystems ist das Spike-Protein, mit dem die Viren an menschliche Zellen binden und sie dann infizieren. "Ein Teil dieses Proteins, genauer gesagt den Bereich, der an die Zelle andockt, haben wir im Reagenzglas in hoher Reinheit herstellen können", berichtet Jan-Erik Hoffmann, Leiter der Proteinproduktion am Max-Planck-Institut in Dortmund.
Mit dieser exakten Kopie und Blutproben aus dem Klinikum Dortmund konnten die Forschenden am Leibniz-Institut ein zuverlässiges und aussagekräftiges Nachweissystem für die Coronavirus-Antikörper entwickeln. Für eine Studie mit ca. 140 freiwilligen Probanden einer Dortmunder Gesundheitseinrichtung mit mehreren dokumentierten Fällen von SARS-CoV-2-Infektionen zu Beginn der Pandemie (März 2020) standen die Forschenden anschließend im engen Austausch mit dem Dortmunder Gesundheitsamt und dem Klinikum Dortmund.
Höhere Antikörperspiegel nach Impfung bei Genesenen
Bei fast allen der positiv getesteten Probanden konnten effektive Mengen neutralisierender Antikörper gegen das Spike-Protein nachgewiesen werden. Und selbst nach 300 Tagen waren die Antikörperspiegel in drei von vier Probanden kaum gesunken. Jedoch fanden die Infektionen noch mit der ursprünglichen Variante des Coronavirus statt und es wurden die neutralisierenden Antikörper gegen das ursprüngliche Spike-Protein gemessen.
Wie wir wissen, hat sich das Virus mittlerweile so weiterentwickelt, dass die Immunität gegenüber dem Ursprungsvirus aktuell deutlich weniger Schutz bietet. Daher untersuchten die Forschenden auch die Auswirkung einer Impfung mit den Vakzinen von AstraZeneca und BioNTech auf das Immunsystem. Das Erstaunliche: Genesene Probanden entwickelten nach vollständiger Impfung bis zu fünfmal mehr neutralisierende Antikörper als Geimpfte ohne vorherige Infektion. Damit wären sie dann auch besser gegen aktuelle Varianten geschützt.
"Mittlerweile gibt es einige Studien zur Immunantwort nach einer Corona-Infektion. Davon unterscheidet sich unsere Studie insofern, als uns Blutproben vor und aus den ersten Wochen der Pandemie zur Verfügung standen. So wussten wir genau, ob ein Proband bereits infiziert war oder nicht. Neben diesen unvoreingenommenen Daten ist auch der lange Zeitraum der Studie von fast einem Jahr bemerkenswert", so Watzl.
"Die Spielregeln haben sich zwischenzeitlich natürlich geändert, da es neue Varianten wie Omikron gibt. Es ist jedoch wichtig zu wissen, wie lange eigentlich eine Immunität anhält, denn diese kann auch bei einer Neuinfektion mit anderen Coronavirus-Varianten vor einem schweren Krankheitsverlauf schützen", ordnet Carsten Watzl die Ergebnisse in die aktuelle Lage ein. "Aktuell verwenden wir unsere gemeinsam entwickelten Testsysteme auch zur Untersuchung der Immunreaktion auf die COVID-19-Impfungen und deren Schutz gegenüber verschiedenen Coronavirus-Varianten."
Quelle: Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie