09.02.2017
Extrem kleine Atombewegungen mittels ultrakurzer Röntgenblitze aufgezeichnet
Periodische Atombewegungen auf einer Längenskala von einem Milliardstel eines Millionstels eines Meters (1 Femtometer) werden mittels ultrakurzer Röntgenimpulse abgebildet. Bei dieser neuen experimentellen Technik werden regelmäßig angeordnete Atome in einem Kristall durch einen Laserimpuls in Schwingungen versetzt, die mit Hilfe einer Reihe von Schnappschüssen über die geänderte Röntgenabsorption beobachten werden.
Ein Kristall ist eine regelmäßige, periodische Anordnung von Atomen oder Ionen, welche über Kräfte zwischen deren Elektronen zusammengehalten werden. Die Atomkerne können Schwingungen um ihre Gleichgewichtspositionen ausführen. Die räumliche Auslenkung der Kerne bei solchen Schwingungen ist viel kleiner als der Abstand zwischen benachbarten Atomen. Dennoch hat die Schwingungsbewegung eine Rückwirkung auf die Elektronen, in dem sie deren räumliche Verteilung moduliert und damit die elektronischen und optischen Eigenschaften des Kristalls verändert. Diese Prozesse laufen auf einer Zeitskala deutlich unterhalb einer Pikosekunde (ps) statt ab. Um solche Effekte zu verstehen und auch anzuwenden, etwa in akusto-optischen Bauelementen, ist eine direkte Abbildung des filigranen Zusammenspiels zwischen Kern- und Elektronenbewegungen auf der Subpikosekunden-Zeitskala wünschenswert.
Forscher vom Max-Born-Institut in Berlin (Deutschland), von den Swiss Federal Laboratories for Materials Science and Technology in Dübendorf (Schweiz) und dem National Institute of Standards and Technology, Gaithersburg (USA) berichten über ein neuartiges Experiment, das es erlaubt einerseits kohärente Atomschwingungen in kleinen LiBH4 Kristallen gezielt anzuregen und andererseits diese über die modifizierte Röntgenabsorption auszulesen. In den Experimenten regte ein optischer Lichtimpuls (Wellenlänge 800 nm) mittels impulsiver Ramanstreuung ein optisches Phonon an. Die Atombewegungen dieser Schwingung verändern periodisch die Abstände zwischen Li+ und (BH4)- Ionen. Diese Distanzänderungen modulieren wiederum die räumliche Verteilung der Elektronen im Kristall und damit das Röntgen-Absorptionsspektrum Li+-Ionen. Auf diese Weise transformieren sich die Atomschwingungen in eine oszillatorische Modulation der Röntgenabsorption an der sogenannten Li K-Kante bei Photonenergien von 60 eV. Ultrakurze Röntgenblitze messen damit die Veränderungen der Röntgenabsorption zu verschiedenen Verzögerungszeiten zwischen Anreg- und Abtastimpulsen. Aus dieser Reihe von Schnappschüssen können dann die Atombewegungen rekonstruiert werden.
Das neue experimentelle Konzept ist extrem empfindlich und erlaubte zum ersten Mal Atomschwingungen mit extrem kleinen Amplituden anzustoßen und zu vermessen. Im vorliegenden Fall bewegten sich die Li+-Ionen nur eine Strecke von 3 Femtometern, eine Länge die etwa dem Durchmesser eines Li+ Atomkerns entspricht. Diese Strecke ist damit 100000 mal kleiner als der Abstand zwischen den Ionen im Kristall. Die experimentellen Beobachtungen sind in exzellenter Übereinstimmung mit einer detallierten Theorie der Röntgenabsorption. Diese neue Methode auf der Femtosekunden-Zeitskala birgt ein vielversprechendes Potential um das Zusammenspiel zwischen Kern- und Elektronenbewegungen in kondensierter Materie abzubilden und zu verstehen, eine wesentliche Voraussetzung für weitergehende Theorien und Anwendungen in verschiedenen Technologien.
Quelle: Forschungsverbund Berlin