Analytik NEWS
Das Online-Labormagazin
04.07.2024

16.04.2008

Funktionsweise eines Geruchsrezeptors der Fruchtfliege aufgeklärt

Teilen:


Flüchtige Moleküle, die Duftsignale darstellen, werden an Rezeptoren gebunden, die sich in tierischen Zellmembranen befinden. Vom Rezeptor aus nimmt das Signal einen mehrstufigen Weg: Über G-Proteine wird in der Zelle der Botenstoff cAMP gebildet, welcher dann an einer anderen Stelle in der Membran Ionenkanäle öffnet - es entsteht ein elektrischer Impuls, der im Gehirn des Tieres weiterverarbeitet wird. Jenaer Wissenschaftler haben nun herausgefunden, dass die Fruchtfliege dieses aus mehreren Komponenten bestehende System im Verlauf der Evolution "zusammengeschaltet" hat. Rezeptor und Ionenkanal bilden einen integrierten Schaltkreis, der auch ohne Umwege ein Duftsignal von außen in einen Reiz umwandeln kann. Vorteil: Duftmoleküle können sicher und schnell wahrgenommen werden - für Leben und Fortpflanzung des Insekts in vielerlei Hinsicht ein evolutionärer Vorteil.

Es ist fast unglaublich, wie sich die winzig kleinen Fruchtfliegen (Drosophila melanogaster) allesamt auf einem einzigen, vielleicht auch nur etwas angefaulten Apfel wiederfinden können. Man selbst hatte weder den Apfel noch die Fliegen zuvor überhaupt bemerkt, erst der zufällige Blick auf ein Regal in der Speisekammer offenbarte dieses Bild. Insekten sind dafür bekannt, mit Hilfe ihrer sensiblen Antennen geringste Konzentrationen bestimmter Moleküle aus der Luft wahrzunehmen. Dabei kann es sich um Sexuallockstoffe (Pheromone) oder um "Nahrungssignale" handeln.

Die Wissenschaftler um Dieter Wicher und Bill Hansson haben sich gefragt, warum im Vergleich zu anderen Tieren gerade Insekten so sicher und sensitiv Duftmoleküle aufspüren können. Schon länger war bekannt, dass die Aminosäure-Sequenz ihrer "odorant receptors" (OR), obwohl funktionell mit den ORs anderer Tiere verwandt, keine Ähnlichkeit zu diesen hat. Hinzu kam ein weiterer, interessanter Befund: Der Rezeptor Or22a aus der Fruchtfliege ist in Form eines Dimers an ein in Insekten allgegenwärtiges Protein, genannt Or83b, gekoppelt, das strukurelle Ähnlichkeit mit Duftrezeptoren hat. Beide Proteine sitzen, im Vergleich zu anderen Tieren, im Insektennerv "umgedreht" in der Membran. "Wir konzentrierten unsere Experimente auf die Physiologie dieses Protein-Paares", so Wicher, "um herauszufinden, wo der Schlüssel zur besonders sensiblen Reizverwertung in Insekten liegt".

Mit Hilfe der "patch-clamp" Technik konnten elektrische Ströme im pico-Ampere Bereich (einem billionstel Ampere) gemessen werden. Als Versuchsobjekte dienten Zelllinien, in denen Or22a oder Or83b einzeln oder gemeinsam in die Membran eingebettet vorlagen, nachdem die jeweiligen Gene in den Zellen heterolog exprimiert worden waren. Als Duftmolekül wurde Ethylbutyrat (Etb, Butansäureethylester) verwendet, ein der Ananas ähnlicher Geruchsstoff. Die Experimente zeigten, dass bei hoher Außenkonzentration von Etb das Or22a/Or83b Dimer quasi direkt "durchschaltet", was schnelle Verhaltensreaktionen des Insekts hervorruft. Bei niedrigen Etb Konzentrationen verläuft die Reizweiterleitung biochemisch via G-Proteine und cAMP als Botenstoff, allerdings sehr viel sensitiver verglichen mit anderen Tieren. Hier kommt es also nicht darauf an, dass das Insekt schnell reagiert, aber schon bei Auftreten weniger Signalmoleküle in der Luft beginnen kann, die Nahrungsquelle oder den Geschlechtspartner, je nach Geruchsstoff, sicher anzusteuern.

Die Entschlüsselung der Funktionalität von Geruchszeptoren bei Insekten dient nicht nur der Erkenntnis beispielsweise über die Evolution von Sinnesleistungen bei Tieren, sondern hat auch verlockende technische Anwendungsmöglichkeiten. "Allein schon die experimentelle Methodik, die wir durch diese Versuche entwickelt haben, ist ein wichtiger Teil unseres von der Europäischen Union geförderten Forschungsprojekts "iCHEM", so Bill Hansson, Direktor am Max-Planck-Institut. In dem Projekt wird eine Art Roboter entwickelt, der geringe Geruchsspuren verschiedenster Art nachweisen soll. Diese Technik könnte unterschiedlich angewendet werden, von Umweltanalysen bis hin zur Kriminalistik.

Quelle: Max-Planck-Gesellschaft