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05.10.2024

02.10.2024

Wie Kunststoff in unsere Lebensmittel kommen kann

Magdalena Köhler, Natalie Stark, Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Stuttgart

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Bei der Zubereitung von Speisen benutzen wir viele Küchenhilfen aus Kunststoff. Beispielsweise Salzmühlen oder Salatschleudern. Findet so Kunststoff einen weiteren Weg in unsere Lebensmittel, wenn er sich beim Mahlen von frischen Salzkörnern oder beim Schleudern vom Salat abreibt?

Dieser Frage haben wir uns gestellt und jeweils 14 Salzmühlen und Salatschleudern einem Eignungstest unterzogen, um zu beurteilen, ob diese die Vorgabe der zugehörigen Verordnung einhalten. Von den untersuchten Salzmühlen waren vier auffällig, bei den Salatschleudern war lediglich eine Probe auffällig.

Rechtliche Vorgabe

Lebensmittelkontaktmaterialien sind nach Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b der VO (EG) Nr. 1935/2004 nach guter Herstellungspraxis so herzustellen, dass sie unter den normalen oder vorhersehbaren Verwendungsbedingungen keine Bestandteile auf Lebensmittel in Mengen abgeben, die geeignet sind, eine unvertretbare Veränderung der Zusammensetzung der Lebensmittel herbeizuführen.

Ein Mahlwerk ist nur dann als geeignet zu beurteilen, wenn es durch die beim Mahlen auftretenden mechanischen Kräfte nicht angegriffen und kein Material abgetragen wird. Dass es möglich ist, ausreichend harte Mahlwerke herzustellen, zeigen die Untersuchungen an anderen Einwegmühlen (siehe Hintergrundinformation "Härtegrade von Kunststoffen"). Bei der alltäglichen Nutzung können die Kunststoffpartikel ungeeigneter Mahlwerke ins Lebensmittel fallen und sorgen vorhersehbar zu einer unvertretbaren Veränderung der Zusammensetzung des Lebensmittels. Solche Salzmühlen sind nicht verkehrsfähig.

Untersuchung der Eignung von Salzmühlen

Abrieb aus Salzmühlen
Abb.1: Rückstand nach Auflösen
des Salzes (links); Abnutzung
des Mahlwerks (rechts)
Im Labor wurde der Inhalt der Salzmühlen komplett vermahlen und anschließend wurde das gemahlene Salz in Wasser aufgelöst. Mittels IR-Spektroskopie (IR, siehe Hintergrundinformation) wurde das Material des Abriebs bestimmt. Um den Rückschluss zu führen, dass der erhaltene Abrieb aus dem Mahlwerk stammt, wurde auch das Material des Mahlwerks mittels IR-Spektroskopie bestimmt.

Unsere Untersuchungsergebnisse

Insgesamt haben wir 14 Salzmühlen untersucht und vier davon waren auffällig. Die Kunststoffart wurde mittels IR untersucht. So wurde festgestellt, dass die Mühlen aus unterschiedlichen Kunststoffen gefertigt wurden. Salzmühlen, bei denen Abrieb festgestellt wurde, waren z. B. aus Polyethylenterephthalat (PET) und Polycarbonat. Die unauffälligen Salzmühlen hatten hauptsächlich Mahlwerke aus Keramik.

Gesundheitliche Beeinträchtigungen

Sieht man sich die verwendeten Kunststoffarten genauer an, so können nach einem Verzehr der erhaltenen Kunststoffteilchen auch gesundheitliche Gefahren entstehen. Zur Herstellung von Polycarbonat wird unter anderem Bisphenol A verwendet, welches bei Erhitzung wieder freigesetzt werden kann. Bisphenol A wurde von der Europäischen Kommission als reproduktionstoxisch der Kategorie 1B eingestuft. Als endokrine Disruptoren werden Stoffe bezeichnet, die gesundheitsschädigende Effekte aufgrund ihrer Wirkung auf das Hormonsystem hervorrufen. Deshalb wurde Bisphenol A nach dem europäischen Chemikalienrecht als besonders besorgniserregende Substanz (Substance of Very High Concern, SVHC) eingestuft [5]. Bisphenol A wurde durch die EFSA im April 2023 neu bewertet [6].

Der neu festgelegte TDI-Wert (Tolerable Daily Intake) ist etwa 20.000-mal niedriger als der im Jahre 2006 festgelegte vorläufige TDI. An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass das Bundesinstitut für Risikobewertung diese Einstufung nicht teilt und einen höheren TDI vorschlägt [5].

Untersuchung der Eignung von Salatschleudern

Für den Eignungstest wurden die Salatschleudern im Jahr 2020 fünfmal nacheinander für jeweils eine Minute lang gekurbelt. Anschließend wurde das Innere der Schüsseln der Salatschleudern auf einen potentiellen Übergang von Kunststoffabrieb untersucht. Bei der Untersuchung von insgesamt 14 Salatschleudern war nur eine auffällig. Nach oben beschriebener Prüfung konnte ein Abrieb in Form von weißen Kunststoffpartikeln im Deckelbereich, der auch in das Innere der Schüssel der Salatschleuder gelangte, festgestellt werden. Diese wurde gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b der VO (EG) Nr. 1935/2004 beurteilt.

Fazit

Bei dem Gebrauch von Küchenhilfen, wie z. B. Salatschleudern und Salzmühlen, sollte man diese von Zeit zu Zeit überprüfen, um möglichen Abrieb zu erkennen und sie dann nicht weiterzuverwenden. Ansonsten landet der Abrieb im Lebensmittel und der Küchenhelfer wird im wahrsten Sinne des Wortes mitverzehrt.

Hintergrundinformation
Härtegrade von Kunststoffen

Shore: Die Shore-Härte, entwickelt 1915 von dem US-Amerikaner Albert Shore, ist ein Werkstoffkennwert für Elastomere und Kunststoffe und ist in den Normen DIN EN ISO 868 und DIN ISO 48-4:2021-02 festgelegt. Das Kernstück des Shore-Härte-Prüfers (Durometer) besteht aus einem federbelasteten Stift aus gehärtetem Stahl. Dessen Eindringtiefe in das zu prüfende Material ist ein Maß für die Shore-Härte, die auf einer Skala von 0 Shore (2,5 Millimeter Eindringtiefe) bis 100 Shore (0 Millimeter Eindringtiefe) gemessen wird. Eine hohe Zahl bedeutet also eine große Härte [1]. Die Messung nach Shore wird meist für Kunststoffe vorgenommen. Polystryrol hat z. B. eine Shore-Härte von 80, PE-LD im Gegensatz dazu nur eine Shore-Härte von 40 bis 50 [2].

Rockwell: Rockwell ist eine weitere international gebräuchliche Maßeinheit für die Härte technischer Werkstoffe. Das Kürzel besteht aus HR (Hardness Rockwell, Härte nach Rockwell) als Kennzeichnung des Prüfverfahrens gefolgt von einem weiteren Buchstaben, der die Skala und damit die Prüfkräfte und -körper angibt. Grundlage des Prüfverfahrens ist die Eindringtiefe eines Prüfkörpers in den Werkstoff. Bei den Skalen A, C und D wird ein Diamantkegel mit 120° Spitzenwinkel und eine Prüfvorkraft von 98,0665 N verwendet, hinzu kommen je nach Skala zusätzliche Prüfkräfte [3].

Vickers: Anders als bei der Rockwellprüfung wird eine gleichseitige Diamantpyramide mit einem Öffnungswinkel von 136° (gemessen zwischen den Seitenflächen, nicht den Kanten der Pyramide) unter einer festgelegten Prüfkraft in das Werkstück eingedrückt. Aus der mit einem Messmikroskop festgestellten Länge der Diagonalen des bleibenden Eindrucks wird die Eindruckoberfläche errechnet. Das Verhältnis von Prüfkraft in der Einheit Newton zur Eindruckoberfläche (d in Millimetern) ergibt mit dem Faktor 0,1891 multipliziert die Vickershärte (HV, englisch VHN = Vickers Hardness Number). Talk hat z. B. eine Vickershärte von 2,4 und Diamant eine Vickershärte von 10600 [2].

Infrarotspektroskopie

Durch Infrarot-Strahlung (Wärmestrahlung) werden Moleküle zu Bewegung (Schwingungen, Rotationen) angeregt. Bestimmte Bindungen in funktionellen chemischen Gruppen nehmen hierbei Strahlung bei definierten Wellenzahlen auf. Die Absorptionen der molekularen Bindungen in Molekülen führen zu einem charakteristischen Gesamtspektrum. Da die dazu notwendigen Energien bzw. Frequenzen charakteristisch für die jeweiligen Bindungen sind, können so auch Materialien identifiziert werden. Die IR-Spektroskopie ist somit strukturaufklärend [4].

Quellen

  1. Wikipedia: Härte, zuletzt aufgerufen am 01.02.2024
  2. Polymer Service GmbH Merseburg: SHORE-Härte, zuletzt aufgerufen am 05.02.2024
  3. Wikipedia: Rockwell(Einheit), zuletzt aufgerufen am 01.02.2024
  4. Wikipedia: Infrarotspektroskopie, zuletzt aufgerufen am 01.02.2024
  5. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Bisphenol A in Alltagsprodukten: Antworten auf häufig gestellte Fragen, zuletzt aufgerufen am 01.02.2024
  6. Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA): Bisphenol A, zuletzt aufgerufen am 01.02.2024


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