13.10.2023
Katalysator für die nachhaltige Amin-Produktion auf Basis von Biomasse
Fossile Rohstoffe dominieren noch immer die chemische Industrie. Doch weltweit erforschen Labore, auf welchem Wege Großprozesse künftig auf Erdöl, Erdgas und Kohle verzichten können. Dabei gewinnen sogenannte Plattformchemikalien an Bedeutung, sie entstehen komplett aus erneuerbaren Rohstoffen.
Ihre Verwendung in industriellen Prozessen benötigt besondere Katalysatoren. Einen solchen Katalysator stellt ein Forscherteam am LIKAT, in Kooperation mit dem Dalian Institut für chemische Physik, soeben im Fachmagazin NATURE COMMUNICATIONS vor. Er gestattet in einem einzigen Reaktionsschritt die Umsetzung der Plattformchemikalie Furfural zu Aminen, die zu den wichtigsten Synthesebausteinen zählen.
Amine sind funktionale Bestandteile in der Synthese von Medikamenten und Agrochemikalien, sie werden in vielen Bereichen, etwa Energietechnik und Materialwissenschaften, massenhaft verwendet. Letztlich führen sie in die chemischen Prozesse jene Stickstoffeinheiten ein, die für spezifische Eigenschaften in den Produkten sorgen. Der Amin-Markt wächst stark, Schätzungen sagen für die nächsten zehn Jahre Wachstumsraten von jährlich acht Prozent voraus.
Reaktion ohne Ab- und Nebenprodukte
Das reizte Haifeng Qi aus Dalian, sich in seiner Dissertation näher mit dieser Reaktion zu befassen. "Denn die Amin-Synthese ist noch immer weitgehend von fossilen Ressourcen abhängig", wie er sagt. Dabei steigt weltweit das Interesse an kostengünstigen Methoden für ihre nachhaltige Fertigung auf der Basis erneuerbarer Rohstoffe, erläutert Dr. Kathrin Junge, in deren Arbeitsgruppe Dr. Haifeng Qi gegenwärtig als Humboldt-Stipendiat am LIKAT, dem Leibniz-Institut für Katalyse in Rostock, arbeitet.
Die neue Reaktion läuft in einem einzigen Schritt ab, statt wie bisher in fünf bis sechs Stufen. Haifeng Qi verwendet dafür die Plattformchemikalie Furfural, die vollständig aus Bioabfällen produziert wird, sowie Ammoniak und Wasserstoff. Daraus entsteht das Amin Piperidin, ein Zwischenprodukt u.a. für Arznei-, Pflanzenschutz- und Lösungsmittel.
Als Modellreaktion ist dieser Prozess universell nutzbar. "Wenn man z.B. das Produkt Piperidin weiter erhitzt und gleichzeitig die Zufuhr von Wasserstoff und Ammoniak abschaltet, entsteht ein weiteres Amin namens Pyridin", berichtet Dr. Haifeng Qi über seine Forschung. Beide Male setzte er seine Ausgangsstoffe vollständig um, es entstanden keinerlei Abprodukte.
Ausbeute von nahezu hundert Prozent
Das heißt auch, dass man sich nach diesen Prozessen die übliche Reinigung der Amine sparen kann, wie Dr. Junge sagt. "Auch lässt sich der Katalysator problemlos für neue Zyklen wiederverwenden." Wie hochselektiv er die Reaktion steuert, zeigt die Ausbeute, die bis zu 97 Prozent beträgt. Im Grunde ein sensationeller Wert.
Wie schafft der Katalysator das? Dr. Haifeng Qi schmunzelt, als er die Frage hört, denn genau die stellte auch er sich, als er dessen hochselektive Vorgehensweise erkannte. Deshalb wurde der Katalysator im Analyse-Bereich des LIKAT präzise untersucht.
Haifeng Qi hatte seinen Katalysator aus Kobalt und Ruthenium präpariert, und zwar in der für die heterogene Katalyse üblichen Art und Weise: Er löste Salze der beiden Metalle in Wasser auf, gab ein Trägermaterial dazu, an dem sich das Metall absetzen konnte, ließ dann das Lösungsmittel verdampfen und den Komplex trocknen. Anschließend setzte Haifeng Qi seinen Katalysator einer Hitze von 400 Grad Celsius aus. Chemiker nennen diesen Vorgang Pyrolyse: das Material verbrennt nicht, sondern ändert seine Struktur.
Einzelne Atome bewirken den Effekt
Wie entscheidend die Hitze die Katalysatorstruktur verändert hatte, zeigte sich später unter den Hightech-Mikroskopen. Kathrin Junge erläutert: "Gruppen von Kobalt-Atomen fanden sich in Nanopartikeln zusammen, an deren Oberfläche sich das Ruthenium lagerte, und zwar in Form einzelner Atome." Haifeng Qi: "Genau diese einatomige Struktur, wie wir sie nennen, machte den Effekt. Und sie ist ziemlich stabil." Das alles ermöglicht eine recht einfache Anordnung für diese Amin-Produktion, mit der nach Einschätzung von Dr. Junge jeder Laborant zurechtkomme.
"Ein solcher Stoffkreislauf der Amin-Produktion auf der Basis von Biomasse ist kaum bekannt", betont LIKAT-Direktor Prof. Dr. Matthias Beller, der von deutscher Seite die Arbeit Haifeng Qis betreute. Das könnte, wie er sagt, die Basis einer "Bioraffinerie der Zukunft" sein.
Quelle: Leibniz-Institut für Katalyse (LIKAT)