21.09.2022
Technetium in der Umwelt erforschen
Mit einer Halbwertszeit von etwa 210.000 Jahren spielt das radioaktive Isotop Technetium-99 (99Tc), das in Kernreaktoren durch die Spaltung des Uranisotops 235U entsteht, eine zentrale Rolle bei der Frage der sicheren Endlagerung radioaktiver Stoffe. Trotzdem ist es bislang weitgehend ungeklärt, wie sich Technetium nach der Freisetzung in der Umwelt verhält.
Eine neue Nachwuchsgruppe mit dem Namen "TecRad" um Dr. Natalia Mayordomo Herranz vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) will diese Lücke nun mit einer Vielzahl von fortschrittlichen Methoden schließen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert das Projekt in den kommenden fünf Jahren mit 1,87 Millionen Euro.
Neben abgebrannten Brennelementen ist auch die Medizin eine starke Quelle für das radioaktive Isotop 99Tc: Denn mit dem metastabilen Technetium-99 (99mTc), das bereits nach sechs Stunden in 99Tc zerfällt, lassen sich sehr gut Tumore im menschlichen Körper aufspüren.
Rund 40 Millionen Mal wird es deswegen jedes Jahr weltweit für bildgebende und funktionelle Untersuchungen von Gehirn, Herzmuskel, Schilddrüse, Lunge, Leber, Gallenblase, Nieren, Skelett und Blut eingesetzt. "Dadurch gelangt Technetium-99 täglich in kommunale Abwässer, wenn auch nur in sehr geringen Konzentrationen", erklärt Mayordomo Herranz.
Nichtsdestotrotz birgt nicht nur nach Ansicht der gebürtigen Spanierin, die seit 2017 am HZDR-Institut für Ressourcenökologie arbeitet, die Emission von Technetium Risiken für die Gesundheit und die Umwelt, da es im Grundwasser sehr mobil ist und in die Nahrungskette eingetragen wird. "Der Technetium-Transport in der Umwelt hängt stark von den chemischen Bedingungen wie dem pH-Wert, dem Vorhandensein von Ionen und dem Redoxpotential ab. Das Verbreitungsrisiko würde enorm sinken, wenn Technetium durch Wechselwirkung mit reaktiven Oberflächen wie Mineralien oder Mikroorganismen immobilisiert wird", schlussfolgert Mayordomo Herranz.
Erhebliche Risiken, jedoch kaum Daten
Derzeit gibt es nur wenige Daten, die zur Bewertung des Technetium-Transports herangezogen werden können, insbesondere was die Bildung anorganischer und organischer Komplexe in verschiedenen Oxidationsstufen betrifft. "Daher besteht das übergeordnete Ziel des Projekts darin, ein umfassendes Verständnis des Umweltverhaltens von Technetium zu erlangen. Wir werden sowohl das Technetium im Wasser als auch die Reaktionen mit Mineralien und Mikroorganismen untersuchen", schildert Mayordomo Herranz.
Die HZDR-Forschende wollen einen interdisziplinären Ansatz verwenden, der physikalische sowie radio-, geo- und biochemische Methoden kombiniert, um diese kritischen Wissenslücken zu schließen. Gleichzeitig wollen sie die experimentelle Methodik verbessern, um Prozesse in Lösung und an Grenzflächen in situ zu untersuchen. "Wir werden das bisher in diesem Forschungsbereich eingesetzte experimentelle Instrumentarium erweitern, indem wir die Elektrochemie mit Infrarot- und Kernspinresonanzspektroskopie koppeln", hebt Mayordomo Herranz eine Neuerung hervor, die ihr Team einführen wird.
Auswirkungen auf die Endlagerforschung erwartet
Die Ergebnisse dieses Projekts werden nicht nur dazu dienen, Strategien zur Sanierung von kontaminierten Standorten zu entwickeln, sondern auch helfen, Technetium-Emissionen in die Biosphäre aus technischen Umgebungen wie Endlagern zu verhindern und die langfristige Sicherheit der Atommüll-Lagerung zu bewerten. "Wir werden die gewonnenen thermodynamischen Daten für die Entwicklung und Anwendung von biogeochemischen Modellen nutzen. Diese Modelle sind theoretische Werkzeuge, die wir benötigen, um das Umweltverhalten von Technetium sowohl in Lösung als auch an Grenzflächen vorherzusagen. Bisher ist dies für redoxaktive Systeme wie Plutonium, Arsen oder Selen kaum möglich", fasst Mayordomo Herranz zusammen.
Der innovative Ansatz dieses Projekts soll das grundlegende Verständnis des (bio-)geochemischen Verhaltens anderer redoxaktiver Schadstoffe im Endlager und in weiteren Kontaminationsszenarien fördern, etwa für Uran, Plutonium, Selen, Arsen oder Chrom. Das Team von Natalia Mayordomo Herranz setzt sich aus drei Doktoranden und einem Techniker zusammen. Es ist eine von vier Nachwuchsgruppen, die das BMBF über die Ausschreibung "Kreativer Nachwuchs forscht für die Nukleare Sicherheits-, Strahlen- und Rückbauforschung" fördert. Ziel des Programms ist es, das kerntechnische Fachwissen in Deutschland zu erhalten und weiterzuentwickeln.
Dieses Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Fördermaßnahme Kreativer Nachwuchs forscht für die Nukleare Sicherheits-, Strahlen- und Rückbauforschung (NukSiFutur) (Förderkennzeichen: 02NUK072) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut.
Quelle: Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR)