25.07.2022
Solvatisierung unter der Lupe
Ionen sind in der Natur allgegenwärtig. Die elektrisch geladenen Teilchen in Atomen oder Molekülen beeinflussen die Faltung und Entfaltung von Proteinen und Enzymen, chemische Gleichgewichte, sind für die Übertragung von Nervensignalen verantwortlich und bestimmen die Effizienz elektrochemischer Reaktionen.
Bei den meisten Prozessen spielen starke Wechselwirkungen zwischen Ionen und Wassermolekülen eine zentrale Rolle. Einer von ihnen ist die sogenannte Solvatisierung. Sie verändert die physikalischen sowie chemischen Eigenschaften von u. a. Wasser. Bisher ist allerdings wenig über die genauen Vorgänge, die bei der Solvatisierung zum Tragen kommen, bekannt.
Wissenschaftler der Universität Paderborn, des Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft und des IMDEA Nanoscience Institute in Madrid, Spanien, haben nun neue Einblicke in das Phänomen erlangt. Ihre Ergebnisse haben sie in dem renommierten Fachmagazin Nature Chemistry veröffentlicht.
Mikroskopischer Ursprung der Solvatisierung
"Es wird angenommen, dass der mikroskopische Ursprung der Solvatisierung in der ionenbedingten Störung des Wasserstoffbrückenbindungsnetzwerks von Wasser liegt. Mit unserer Studie bieten wir mikroskopische Einblicke in diesen Prozess, indem wir die Energieumwandlung in Salzlösungen mit zeitaufgelöster Terahertz-Raman-Spektroskopie beobachten", sagt der an der Arbeit beteiligte Wissenschaftler Dr. Vasileios Balos vom IMDEA Nanoscience Institute.
Laut dem Chemiker belegen die Ergebnisse, dass Kationen und Anionen die intermolekularen Wechselwirkungen von Wasser verändern. "Wir haben festgestellt, dass der intermolekulare Energietransfer zwischen Wassermolekülen, die zur ersten und zweiten Solvatationsschale von Ionen gehören, durch stark geladene Kationen verstärkt und durch stark geladene Anionen drastisch reduziert wird. Die entgegengesetzten Auswirkungen von Kationen und Anionen auf die intermolekularen Wechselwirkungen von Wasser ähneln den Auswirkungen von Ionen auf die Stabilisierung und Denaturierung von Proteinen", so Balos weiter.
Umfangreiche theoretische und experimentelle Studien
Aufgrund elektrostatischer Wechselwirkungen stören die Ionen die Dynamik und die lokale Struktur des Wasserstoffbrückenbindungsnetzes von Wasser. Das tatsächliche Ausmaß dieser Effekte sei allerdings noch nicht vollständig verstanden, so Prof. Dr. Thomas D. Kühne, Chemiker an der Universität Paderborn. "Wir haben umfangreiche theoretische und experimentelle Studien durchgeführt, die ohne den neuen Supercomputer Noctua 2 am Paderborn Center for Parallel Computing (PC2) nicht möglich gewesen wären, um einen mikroskopischen Einblick in die Ionensolvatisierung zu gewinnen. Aufgrund der Komplexität der zugrundeliegenden Prozesse und der selektiven Empfindlichkeit der verwendeten Methoden sind die Bilder, die sich ergeben haben, allerdings immer noch schwer fassbar und in vielen Fällen widersprüchlich", so der Wissenschaftler.
Kühne hält fest: "Unsere Erkenntnisse über die Schwächung der Wasserstoffbrückenbindungen in Gegenwart starker Anionen könnten einen bisher nur vorgeschlagenen Mechanismus unterstützen, wonach die Anionen-induzierte Proteinstabilisierung durch Wasser vermittelt wird. Eine weniger effiziente Energieübertragung und schwächere intermolekulare Wasser-Wasser-Wechselwirkungen können dazu führen, dass die Flüssigkeit durch starke Anionen in ein 'weniger gutes Lösungsmittel' umgewandelt wird, was die Proteine dazu bringen könnte, ihre für das Lösungsmittel zugängliche Oberfläche durch Faltung zu minimieren."
Quelle: Universität Paderborn