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28.09.2024

07.03.2022

Grenzen der Messbarkeit von Quantensprüngen verschoben

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Korrektes Zählen bestimmt unser modernes Leben - seien es die Bits im Computer mit ihren zwei Zuständen, die Anzahl positiver Coronatests oder generell jedes System, welches zählbare Ereignisse aufweist.

Doch je schneller gezählt wird und je kleiner die Signale sind, um die es geht, umso eher können Daten im Rauschen untergehen. Der theoretische Physiker Eric Kleinherbers vom CENIDE entwickelte mit Kollegen ein neues Werkzeug, das mehr Licht ins Dunkel solcher Daten bringt.

Besonders wichtig ist die Zählstatistik in der Quantenwelt. Moderne Messgeräte sind so empfindlich, dass sie einzelne Quantensprünge detektieren können. Limitierende Faktoren sind die Zeitauflösung des Detektors, das Hintergrundrauschen und die Beobachtungszeit. Zusätzlich verfälschen Detektionsfehler die gemessenen Informationen, sodass keine oder falsche Schlüsse über die zugrunde liegende Quantendynamik gezogen werden.

Für ihre Arbeit nutzten die Forschenden sogenannte selbstorganisierte Quantenpunkte, die ähnliche Eigenschaften wie einzelne Atome haben und bedienten sich eines Tricks. Der Quantenpunkt wird mit einem Laser angeregt und strahlt Lichtteilchen (Photonen) zurück, solange er "leer" ist. Tritt ein zusätzliches Elektron in den Quantenpunkt ein, bricht der Lichtstrom ab. So kann durch die Photonen die Elektronenbesetzung in Echtzeit aufgezeichnet und im Anschluss statistisch ausgewertet werden.

Um zu testen, wie robust der neue Auswertungsalgorithmus ist, wurden aus dem Originaldatensatz absichtlich Daten gelöscht und so eine fehlerhafte Messung simuliert. "Es waren typische experimentelle Fehler: Signale, die für den Detektor zu schnell sind und daher "übersehen" werden oder eine Spitze im Rauschen, die ein Signal vorgaukelt" erklärt Eric Kleinherbers, Erstautor der Studie.

Durch den Vergleich der Originalmesswerte mit den fehlerhaften Daten konnten die Forschenden nachweisen, dass die neue Methode der Auswertung viel fehlertoleranter ist als die bisher verwendeten Standardmethoden der statistischen Analyse. So wird das tatsächliche Verhalten der Elektronen und Photonen besser sichtbar und bringt so Licht ins Dunkel der Quantenwelt. "Es ist ein wenig, als hätte man bisher versucht mit einem unpassenden Schraubendreher eine Schraube in die Wand zu bringen," erklärt Kleinherbers. "Das geht schon, aber schön ist es nicht. Jetzt haben wir das passende Werkzeug für die Auswertung der Daten."

Zählstatistik gibt es überall: Bei der Auswertung von Nervensignalen ebenso wie beim radioaktiven Zerfall, in der Mikroelektronik sowie im Magnetismus. Während sich experimentelle Physiker immer neue Messtechniken und Experimente ausdenken, verschieben die Theoretiker die Grenzen der Machbarkeit auch durch neue Auswertungsmethoden. Interessant ist die entwickelte Methode nicht nur für neue Messergebnisse - auch vorhandene Daten lassen sich nun nochmal genauer unter die Lupe nehmen, wie Kleinherbers sagt. "Wir stehen im engen Austausch mit Kollegen, die nun schauen möchten, was sich in ihren Daten vielleicht noch verbirgt."

» Originalpublikation

Quelle: Center for Nanointegration Duisburg-Essen (CENIDE)