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28.09.2024

24.04.2020

Tanz der Moleküle verstehen

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Relaxationsphänomene und Dynamik von ionischen Flüssigkeiten, also bei Raumtemperatur flüssigen Salzen, lassen sich mit einer Kombination aus Kernspinresonanz- und Simulationsmethoden auf molekularer Ebene verstehen. Das zeigen Professor Ralf Ludwig aus der Physikalischen Chemie der Universität Rostock und seine Partner der Universität Wien, Ottmar Steinhauser und Christian Schröder.

Damit können die Forscher nun die Gültigkeit von Relaxationsmodellen überprüfen, die bisher auf Verdacht eingesetzt wurden. Solche Modelle beschreiben, wie durch Magnetfelder angeregte Kernspins ins Gleichgewicht zurückkehren, sie relaxieren gewissermaßen in den ursprünglichen Ruhezustand.

Diese Zusammenarbeit wurde durch den Einsatz eines sogenannten Fast-Field-Cycling Relaxometers möglich. Dieses Messgerät steht der Rostocker Gruppe im Forschungsbau des Departments Leben, Licht & Materie zur Verfügung. Mit dieser Kernspinresonanz-Methode, auch bekannt aus der MRT-Bildgebung, kann die Beweglichkeit von Molekülen über große Frequenzbereiche zwischen Kilo- und Megahertz untersucht werden.

Den Wiener Kollegen ist es nun gelungen, die Rostocker Messergebnisse ausschließlich mit Simulationsmethoden nachzuvollziehen. "Hier ist der Brückenschlag zwischen der Theorie und Experiment überzeugend gelungen", freut sich Professor Ludwig über die Kooperation. Die Simulationsmethoden erlauben gewissermaßen einen Blick mit dem Mikroskop ins Innere der Flüssigkeit. Die Forscher verstehen nun den Tanz der Moleküle. Wie verhalten sich Rotation und Translation zueinander in Anwesenheit besonderer Wechselwirkungen?

Dazu gehören beispielsweise Wasserstoffbrückenbindungen, die uns vom Wasser und von DNA, Proteinen und Enzymen in biologischen Systemen bekannt sind. Die gemeinsamen Arbeiten zwischen Rostock und Wien stehen erst am Anfang. Weitere Projekte sind in Vorbereitung. Auf Rostocker Seite ist besonders die Doktorandin Viviane Overbeck zu nennen, die das Großgerät zu Beginn ihrer Promotionszeit in Betrieb genommen hat. Im letzten Jahr erhielt sie für ihre erfolgreichen Arbeiten an ionischen Flüssigkeiten auf der renommierten COIL-Konferenz in Peking mit 1.000 Teilnehmenden einen prestigeträchtigen Posterpreis. Das Thema ihrer Doktorarbeit ist ein wichtiges Element in der Zusammenarbeit mit der Universität Wien.

Der geplante Besuch von Professor Ludwig an der Universität Wien musste allerdings wegen der Corona-Krise abgesagt werden. Die gemeinsamen Projekte werden nun per Internet und Videokonferenz weiter vorangetrieben. Während Christian Schröder und seine Crew die Molekülsimulationen auch im Home-Office erledigen kann, sind die Rostocker auf Experimente im Labor angewiesen. Ludwig und seine Arbeitsgruppe hoffen, bald wieder verstärkt experimentell arbeiten zu können.

Inzwischen wurden die Labore unter Einhaltung der Vorschriften für die Forschung wieder frei gegeben werden. "Wenn der Virus uns keinen längeren Strich durch die Rechnung macht, wird Christian Schröder im Juli im Rahmen des Mare Baltikum Programms der Universität Rostock über seine und die gemeinsamen Arbeiten in Vorlesungen und Vorträgen berichten", stellt Professor Ludwig in Aussicht.

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Quelle: Universität Rostock