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04.11.2024

20.08.2019

Mikroplastik im Schnee der Alpen und der Arktis nachgewiesen

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Winzige Mikroplastikpartikel wurden in den vergangenen Jahren vielfach im Meer- und Trinkwasser und sogar in Tieren nachgewiesen. Die winzigen Kunststoffteilchen werden aber auch über die Atmosphäre transportiert und insbesondere mit dem Schnee aus der Luft ausgewaschen - selbst in so entlegenen Regionen wie der Arktis und den Alpen.

Das zeigt eine aktuelle Studie von Forschenden des Alfred-Wegener-Instituts und des schweizerischen WSL-Instituts für Schnee- und Lawinenforschung SLF in der Fachzeitschrift Science Advances.

Dass die Meere voller Plastikmüll sind, ist inzwischen allgemein bekannt. So landen jährlich viele Millionen Tonnen von Kunststoffabfällen in Flüssen, in Küstengewässern und sogar in der arktischen Tiefsee. Die Plastikteile zerfallen durch Wellenschlag und vor allem die UV-Strahlung der Sonne in immer kleinere Bruchstücke - das sogenannte Mikroplastik.

Dieses Mikroplastik findet sich im Sediment der Ozeane, im Meerwasser und auch in Meeresorganismen, die es mit der Nahrung aufnehmen. Weniger gut erforscht ist bislang, ob und wie stark Mikroplastikpartikel über die Atmosphäre transportiert werden. So existieren bislang nur einige Arbeiten, etwa von Forschern, die die Partikel in den Pyrenäen und in der Nähe von französischen und chinesischen Ballungsräumen nachweisen konnten.

Ein Expertenteam vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) hat jetzt herausgefunden, dass Mikroplastikpartikel offensichtlich auch über sehr große Distanzen durch die Atmosphäre transportiert und vor allem mit dem Schnee aus der Luft ausgewaschen werden. Wie die AWI-Experten um Dr. Melanie Bergmann und Dr. Gunnar Gerdts jetzt im Fachjournal Science Advances schreiben, konnten sie durch eine Analyse von Schneeproben aus Helgoland, Bayern, Bremen, den Schweizer Alpen und der Arktis feststellen, dass Schnee an allen Orten hohe Konzentrationen an Mikroplastik aufweist - selbst in den entlegenen arktischen Gebieten, auf der Insel Spitzbergen und sogar im Schnee auf treibenden Eisschollen.

"Es liegt auf der Hand, dass ein Großteil des Mikroplastiks über die Luft in den Schnee gelangt. Wahrscheinlich kommt ein Teil davon sogar aus Europa", sagt Melanie Bergmann. Gestützt wird die Vermutung durch ältere Untersuchungen an Pollenkörnern, mit denen andere Wissenschaftler zeigen konnten, dass Pollen über die Luft aus den mittleren Breiten in die Arktis gelangt. Pollen haben eine ähnliche Größe wie die Mikroplastikpartikel. Auch Sahara-Staub legt Strecken von mindestens 3.500 km bis in den Nordostatlantik zurück.

Die höchsten Werte im Schnee fanden die AWI-Forscher in Proben an einer Landstraße in Bayern - hier lag die Konzentration bei 154.000 Partikeln pro Liter. Der Schnee in der Arktis enthielt immerhin noch bis zu 14.400 Partikel pro Liter. Je nach Standort konnten die Forschenden ganz verschiedene Kunststoffe nachweisen. In der Arktis fanden sie vor allem Nitrilkautschuk, Acrylate und Lackteilchen, die in einer Vielzahl von Anwendungen zum Einsatz kommen.

Aufgrund seiner Beständigkeit gegenüber vielen Kraftstoffen und großen Temperaturspannen wird Nitrilkautschuk zum Beispiel häufig in Dichtungen und Schläuchen verwendet. Kunststoffhaltige Lacke finden in vielen Bereichen Anwendung, so etwa in den Oberflächen von Gebäuden, Schiffen, Autos und Offshore-Anlagen. An der Bayerischen Landstraße enthielte die Proben vor allem verschiedene Arten von Kautschuk. Dieses wird in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt, unter anderem auch bei Autoreifen.

Interessant an der AWI-Studie ist auch, dass die Mikroplastikkonzentrationen deutlich höher sind, als in Studien anderer Forscher, die beispielsweise Staubablagerungen untersucht haben. Das könnte zwei Gründe haben, sagt Gunnar Gerdts. "Zum einen wäscht der Schnee das Mikroplastik offensichtlich besonders effizient aus der Atmosphäre aus. Zum anderen liegt das vermutlich an der von uns verwendeten Infrarotspektroskopie, mit der wir selbst kleinste Partikel nachweisen können - in dieser Studie bis zu einer Größe von 11 Mikrometern."

Gunnar Gerdts und seine Mitarbeiter schmelzen den Schnee und gießen das Schmelzwasser durch einen Filter. Der Rückstand wird dann im Infrarotmikroskop mit Infrarotlicht bestrahlt. Je nach Plastiksorte werden unterschiedliche Wellenlängen absorbiert und reflektiert, sodass sich am optischen Fingerabdruck nachweisen lässt, um welchen Kunststoff es sich handelt.

Während andere Experten Mikroplastik unter dem Mikroskop mit der Hand aus ihren Proben herauslesen, wobei leicht Partikel übersehen werden können, untersucht Gunnar Gerdts mit seinem Infrarotmikroskop den gesamten Filterrückstand. Damit entgeht ihm und seinem Team kaum ein Plastikkrümel. "Wir haben das Verfahren automatisiert und standardisiert, sodass Fehler, die sich durch eine Analyse per Hand einschleichen könnten, vermieden werden", sagt er. Kein Wunder also, dass die Analysen am AWI besonders hohe Partikelkonzentrationen liefern.

Dass ein Großteil des Mikroplastiks in Europa, vor allem aber auch in der Arktis, über die Luft und den Schnee eingetragen wird, daran besteht für die AWI-Experten angesichts der meteorologischen Gegebenheiten kein Zweifel. "Dieser zusätzliche Transportweg kann auch die hohen Mengen von Mikroplastik erklären, die wir in früheren Studien im arktischen Meereis und der Tiefsee gefunden haben", sagt Melanie Bergmann.

Und noch eine Frage treibt die Forscherin um. "Bislang gibt es kaum Studien, die untersuchen, wie stark Menschen mit Mikroplastik belastet sind, hier ist noch vieles unklar." Zudem habe man bislang fast ausschließlich untersucht, inwieweit Tiere oder Menschen Mikroplastik mit der Nahrung aufnehmen. Bergmann: "Doch wenn wir feststellen, dass große Mengen an Mikroplastik über die Luft transportiert werden, stellt sich natürlich die Frage, inwieweit wir Plastik einatmen und auf diesem Wege belastet werden. Ältere Ergebnisse aus der medizinischen Forschung liefern erste Anhaltspunkte in diese Richtung." Auch hier sei es lohnend, künftig genauer hinzuschauen.

» Originalpublikation

Quelle: Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung