19.12.2018
Proteine für widerstandsfähiges Gummi
Inspiriert durch die Natur haben chinesische Wissenschaftler ein synthetisches Analogon zu vulkanisiertem Naturkautschuk hergestellt, das genauso zäh und fest ist wie sein Vorbild. In der Zeitschrift Angewandte Chemie verraten sie ihr Erfolgsgeheimnis: Kurze Eiweißketten an den Seitenketten des Polymerrückgrats sorgen für eine stabile physikalische Quervernetzung und verleihen dem Material einen "Selbstverstärkungseffekt" bei Belastung. Gleichzeitig ist das Material, anders als herkömmliche Kautschuke, gut rezyklisierbar.
Kautschuk ist ein Sammelbegriff für elastische Polymere, aus denen Gummi hergestellt wird. Der Hauptteil geht in Autoreifen, weitere Einsatzgebiete sind die Automobilindustrie und Gebrauchsgegenstände, wie etwa Kaltschaummatratzen. Obwohl bestimmte synthetische Kautschuke, die Polyisoprene, an sich die gleiche Struktur der Hauptkette wie Naturkautschuk aufweisen, sind vulkanisierte Naturkautschuke noch immer deutlich überlegen, da sie wesentlich fester und strapazierfähiger sind.
Ursache ist eine spontane "Selbstverstärkung", eine reversible Versteifung des Materials bei mechanischer Belastung, die als Dehnungskristallisation bezeichnet wird. Offenbar spielen spezielle polare Komponenten an den Enden der Polymerketten eine Rolle für die hohe Belastbarkeit: nicht-kovalent gebundene Proteine und Phospholipide.
Eine Funktionalisierung der Kettenenden könnte auch ein Weg zur Verbesserung der mechanischen Eigenschaften synthetischer Kautschuke sein. Bisher mangelte es jedoch an geeigneten Synthesemethoden. Den Forschern um Yun-Xiang Xu und Guangsu Huang von der Sichuan University, Chengdu (China), ist ein solcher Ansatz jetzt gelungen. Mit einem bereits etablierten Katalysatorsystem auf der Basis Seltener Erden und spezieller stabilisierter Vorstufen gelang ihnen die Herstellung sehr langer Polymerketten aus Isopren-Einheiten mit einem hohen Anteil an cis-Verknüpfungen innerhalb des Rückgrates sowie einer Vielzahl an Seitenketten mit Hydroxylgruppen als polaren Endgruppen. Die Idee war nun, ähnlich wie beim Naturkautschuk, hier Biomoleküle anzuknüpfen, die für eine physikalische Quervernetzung der Polymerketten sorgen sollten.
Inspiriert von der hohen Festigkeit und Stärke von Spinnenseide, wählten die Forscher dafür kurze Eiweißketten (Oligopeptide) aus vier Molekülen der Aminosäure Alanin. Es ist bekannt, dass solche Oligo-Alanine ziehharmonikaartige β-Faltblatt-Strukturen ausbilden, die die harten Bestandteile der Seide ausmachen und ihr Festigkeit und thermische Stabilität verleihen.
Da die Peptid- und die Polyisoprenketten nicht mischbar sind, lagern sich die Peptidketten bevorzugt zusammen. Dieser Effekt sorgt für die gewünschte physikalische Quervernetzung der Polyisoprenketten. Die Festigkeit und Zähigkeit des neuen synthetischen Kautschuks werden so stark erhöht, ohne die Elastizität zu beeinträchtigen. Das Material zeigte zudem eine deutliche Selbstverstärkung durch Dehnungskristallisation. In seinen Eigenschaften entspricht es damit vulkanisiertem Naturkautschuk.
Da auf eine herkömmliche Vulkanisation verzichtet werden kann, ist die Wiederverwendbarkeit der neuartigen Hochleistungs-Polyisopren-Kautschuke deutlich verbessert. Auf diese Weise könnten die Unmengen an schlecht wiederverwendbarem Kautschuk, das auf Deponien wandert oder unter erheblicher Belastung der Umwelt verbrannt wird, zukünftig vielleicht reduziert werden.
Quelle: Angewandte Chemie