20.11.2025
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Gefährdungsanalysen von Trinkwasserversorgungsanlagen: Risikoabschätzungen - Mindestens haltbar bis...?
Arnd Bürschgens , Christian Strehlow, Deutscher Verein der qualifizierten Sachverständigen für Trinkwasserhygiene DVQST e.V.
Bereits seit dem Jahr 2011 mussten Betreiber "Gefährdungsanalysen" erstellen lassen, wenn der technische Maßnahmenwert für Legionellen überschritten wurde. Heute ist bereits das Erreichen des Maßnahmenwerts begründend für eine Risikoabschätzung über die Gebäudewasserversorgungsanlage.
Doch was passiert, wenn nach den ergriffenen Maßnahmen noch immer Legionellen in der Trinkwasserinstallation analysiert werden und wie lange ist eine Zustandsbewertung gültig bzw. ab wann muss der Betreiber ein neues Gutachten erstellen lassen?
Der Zweck der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) ist es, die menschliche Gesundheit vor den nachteiligen Einflüssen, die sich aus der Verunreinigung von Wasser ergeben, zu schützen. In der Verordnung selbst sowie in den allgemein anerkannten Regeln der Technik hat in den letzten Jahren ein erheblicher Wandel in Hinblick auf die Trinkwasserhygiene stattgefunden.
Mit der Änderung der TrinkwV im Jahr 2011 wurde erstmals der technische Maßnahmenwert von 100 KBE/100 ml sowie die Untersuchungspflicht auf Legionellen auch für gewerblich genutzte Trinkwasserinstallationen definiert. Diese 100 koloniebildende Einheiten (KBE) pro 100 ml gelten als spezieller Indikatorparameter für technische oder betriebstechnische Mängel an einer Installation, bei dessen Überschreitung entsprechende Maßnahmen zur hygienisch-technischen Überprüfung der Trinkwasserinstallation im Sinne einer Risikoabschätzung vom Betreiber eingeleitet werden müssen.
Nach § 37 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) darf durch Trinkwasser eine Schädigung der menschlichen Gesundheit grundsätzlich nicht zu besorgen sein. Dieser Besorgnisbegriff ist durch die Rechtsprechung geklärt. Demnach ist eine Gesundheitsschädigung nur dann nicht zu besorgen, wenn hierfür keine, auch noch so wenig naheliegende Wahrscheinlichkeit besteht.
Eine Gesundheitsschädigung muss nach menschlicher Erfahrung unwahrscheinlich sein. Durch diesen Präventionsgedanken soll gerade auch abstrakten Gefahren vorgebeugt werden. Aus diesem Grund sind präventive Maßnahmen schon in einem sehr frühen Verdachtsstadium zu ergreifen.
Fehlende Definition
Was damals unter dem ebenfalls neu eingeführten Begriff der Gefährdungsanalyse zu verstehen war, war nur den wenigen Eingeweihten bekannt, die sich bereits im Vorfeld mit dem politischen Verfahren zur Änderung der Verordnung beschäftigt hatten. In der Begründung zum Referentenentwurf zur Änderung der Trinkwasserverordnung aus dem Jahre 2009[1] hieß es damals "Die Nichteinhaltung des technischen Maßnahmenwertes für Legionellen ist ein Hinweis auf technische oder organisatorische Unzulänglichkeiten in der Trinkwasserinstallation.
Zur Abklärung der Ursache für diese Nichteinhaltung muss eine Ortsbesichtigung durchgeführt und von Sachverständigen überprüft werden, welche Gefährdung für die Nutzer des Trinkwassers aus dieser Installation besteht. Die Gefährdungsanalyse ist ein Instrument zur Abwehr von Gesundheitsgefährdungen. Insbesondere ist durch Sachverständige zu überprüfen, ob mindestens die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten sind. Auch bei niedrigeren Konzentrationen von Legionellen kann eine mögliche Infektion nicht ausgeschlossen werden."
Zielkonkretisierung durch Änderung des Begriffs
Die Gefährdungsanalyse wurde damit als eine Untersuchung der Umstände des Einzelfalls definiert, die vor Ort erfolgen musste. Insbesondere war durch Sachverständige zu überprüfen, ob mindestens die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten sind und es sollten mögliche Gefährdungen für den Normalbetrieb der Wasserversorgung identifiziert bzw. denkbare Ereignisse, die zum konkreten Eintreten einer Gefährdung führen können, ermittelt werden.
Die Bewertung im Rahmen einer Gefährdungsanalyse erfolgte also bis Juni 2023 auf Grundlage der allgemein anerkannten Regeln der Technik zur "Identifizierung von Bereichen einer Trinkwasserinstallation, von denen eine Gefährdung ausgehen kann", und damit allein von der Technik ausgehend.

- Abb:1: Auch unterhalb des technischen
Maßnahmenwerts kann eine Gesundheits-
gefährdung nicht ausgeschlossen werden;
allerdings sind spätestens bei einer
Überschreitung von 100 KBE/100 ml
Maßnahmen zu ergreifen.
Bei der Bewertung von Trinkwasserinstallationen im Sinne einer Risikoabschätzung handelt es sich um individuelle, anlagen-/gebäude-/aufgabenspezifische sowie anlassbezogene oder präventive Gutachten. Die Ausprägung und die Grundlage der gutachterlichen Bewertung ist dabei auch abhängig von den jeweiligen Nutzergruppen (z.B. immungeschwächte Personen) und den unterschiedlichen rechtlichen oder hygienisch-technischen Anforderungen an die Trinkwasserinstallation (z.B. Arbeitsstättenrichtlinien, RKI-Empfehlungen).
Eine Risikoabschätzung ist also grundsätzlich ein Gutachten zur hygienisch/ technischen Bewertung von Trinkwasserinstallationen, welches mindestens eine dementsprechende Form aufweisen sollte. Eine einfache Tabellenform kann diesen Ansprüchen nicht gerecht werden.
Gutachterliche Bewertung

- Abb.2: Die verbindliche UBA-Empfehlung zur
Gefährdungsanalyse definiert die Mindest-
anforderungen an Personen, die als geeignet
angesehen werden, Gutachten zur Risiko-
abschätzung zu erstellen
Unter Punkt 5 der UBA-Empfehlung wurde erstmals eine Abgrenzung formuliert, wer als geeignet angesehen wird, eine solche Bewertung zu erstellen. Als Durchführende kamen hier qualifizierte Personen mit einschlägiger Berufsausbildung/Studium in Betracht, die durch zusätzlich fortlaufende, spezielle berufsbegleitende Fortbildungen eine weitere Vertiefung erkennen lassen (z.B. Fortbildung nach VDI 6023 Zertifikat Kategorie A).
Zudem muss der Ersteller der Gefährdungsanalyse unbefangen in Bezug auf die kontaminierte Anlage sein und darf keine weiterführenden finanziellen Interessen haben. Wer den Auftrag zur Risikoabschätzung übernimmt, verzichtet damit gleichzeitig auf die Beauftragung von Maßnahmen, die sich aus der Bewertung ergeben.
Seither wurden also von unterschiedlichsten Protagonisten Schriftstücke mit dem Titel "Gefährdungsanalyse" bzw. "Risikoabschätzung" erstellt, die Mängel an der Trinkwasserinstallation aufzeigen, Risiken ableiten und notwendige Maßnahmen aufführen sollten, um eine Trinkwasserinstallation so instand zu setzen, dass nach der Sanierung wieder einwandfreie Trinkwasserqualität entnommen werden konnte. Nach Abschluss der Sanierungsmaßnahmen soll die Installation wieder vollumfänglich den allgemeinen Anforderungen (§ 5) der Trinkwasserverordnung entsprechen sowie bestimmungsgemäß betrieben werden können.
Klare Spielregeln

- Abb.3: Die VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2
definiert die Anforderungen an ein Gutachten
zur Bewertung von Trinkwasserinstallationen
und bietet versierten Fachleuten die Möglichkeit,
die persönliche Qualifikation im Rahmen eines
VDI/DVQST-Zertifizierungsprogramms
nachzuweisen
Der einhellige Tenor beider Veranstaltungen war, dass die existierende UBA-Empfehlung zur Gefährdungsanalyse nicht ausreichend ist. Zentrale Forderung der Teilnehmer war die Beschreibung der Anforderungen an die Sachverständigen für Gefährdungsanalysen und/oder ein "Qualitätssiegel". Eine Beschreibung von Zulassungskriterien für Gutachter und Sachverständige in der Trinkwasserverordnung wurde von vielen Teilnehmenden als unverzichtbar bewertet. Analog der Beschreibung der Anforderungen an Probennahme und Untersuchungsstellen sollte beschrieben werden:
- Wer darf zulassen?
- Welche Kriterien müssen die Sachverständigen erfüllen?
- Wie sollten Schulungen und Schulungsinhalte aussehen?
- Wie sollte die Zulassungen überprüft werden?
- Wie kann die Unabhängigkeit der Sachverständigen sichergestellt werden?[3]
Unmittelbar nach der Gründung des DVQST e.V. im Jahr 2020 wurde der Wunsch von Überwachungsbehörden nach einem Bewertungssystem von Gefährdungsanalysen laut. Diese wurde in der DVQST Fach-Publikation FP-03-2020 "Merkmale Gefährdungsanalyse/ Risikoabschätzung" umgesetzt, die seit der ersten Veröffentlichung 2020 (aktuell in zweiter Auflage 2024) Betreibern und Gesundheitsämtern eine Hilfestellung bei der Bewertung dieser Schriftstücke bietet.
Als Qualitätsanforderung an die Ersteller oder Sachverständigen wurde auf Grundlage des Regelwerks VDI/BTGA/ ZVSHK 6023-2 durch den DVQST e.V. zusammen mit der unabhängigen Zertifizierungsstelle des VDI e.V. ein Zertifizierungs- und Qualifizierungsprogramm entwickelt, nach dem heute Fachleute objektiv geprüft und als Sachverständige zertifiziert werden können.
Inhalte der Risikoabschätzung
In einer aktuellen Risikoabschätzung nach § 51 TrinkwV sind Gefährdungen der menschlichen Gesundheit sowie Ereignisse oder Situationen, die zum Auftreten einer Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch die betroffene Wasserversorgungsanlage führen können, systematisch zu ermitteln und zu bewerten. Neben dieser Ermittlung und Bewertung muss die Risikoabschätzung mindestens Folgendes enthalten:
- eine Beschreibung der Wasserversorgungsanlage,
- Beobachtungen bei der Ortsbesichtigung nach Absatz 1 Nummer 2,
- festgestellte Abweichungen von den allgemein anerkannten Regeln der Technik,
- sonstige Erkenntnisse über die Wasserbeschaffenheit, die Wasserversorgungsanlage und deren Nutzung sowie
- die Ergebnisse von Untersuchungen auf den Parameter Legionella spec. einschließlich der Angabe der Probenahmestellen in der Trinkwasserinstallation und der Angabe von Datum und Uhrzeit der Probennahmen.
Überwachungspflicht des Unternehmers oder sonstigen Inhabers (UsI) einer Wasserversorgungsanlage
Grundsätzlich ist die Bewertung, ob ein Gutachten zur Risikoabschätzung heute für die jeweilige Trinkwasserinstallation verwertbar und geeignet ist, Sache des beauftragenden Betreibers im Sinne des § 51 Abs. 1 TrinkwV. Im Rahmen der Delegation einer Aufgabe hat dieser auch regelmäßig die Überwachungspflicht, d.h. er muss in der Lage sein zu überprüfen, ob eine Risikoabschätzung den Anforderungen und dem Zweck der aktuellen TrinkwV entspricht. Jedoch kann der Auftraggeber, gewöhnlich ein technischer Laie, das in der Praxis oft nur schwer überprüfen. Mit der Verbänderichtlinie VDI/BTGA/ZVSHK 6023-2 und der DVQST FP-03-2020 haben sowohl Auftraggeber als auch Gesundheitsämter die Möglichkeit zu überprüfen, ob ein korrektes, "gebrauchstaugliches" Gutachten zur Risikoabschätzung erstellt wurde oder nicht.
Nach §§ 67 und 68 TrinkwV muss das Gesundheitsamt prüfen, ob der Betreiber seinen Verpflichtungen aus § 51 nachkommt. Kommt der Betreiber der Trinkwasserinstallation seinen Pflichten selbst nach der Aufforderung durch das Gesundheitsamt nicht fristgemäß und vollständig nach, prüft das Gesundheitsamt, ob und in welchem Zeitraum Maßnahmen zum Gesundheitsschutz erforderlich sind und ordnet diese gegebenenfalls an. Anhand der VDI-Richtlinie und der DVQST Fachpublikation steht auch den Gesundheitsämtern ein klares Regelwerk zur Verfügung, um bei Bedarf zu prüfen, ob mit der vorgelegten Risikoabschätzung die Verantwortung des Betreibers erfüllt wurde oder nicht.
Auswahl des Sachverständigen
Der Ersteller einer Risikoabschätzung geht mit seinem Auftraggeber einen Werkvertrag ein, d.h. er schuldet den Erfolg im Sinne eines Gutachtens, dass alle Gefährdungen und Risiken für die Nutzer, die von der Trinkwasserinstallation ausgehen, ermittelt, erläutert und mögliche Risiken so aufführt werden, dass der Auftraggeber die erforderlichen Maßnahmen ergreifen kann. Hierzu muss der Sachverständige eine entsprechende fachliche Qualifizierung vorweisen können, um Risiken, die von einer Trinkwasserinstallation ausgehen, auch entsprechend interpretieren zu können.
Lediglich vermutet wird diese Qualifikation nach der UBA-Empfehlung, wenn die betreffende Person (nicht das beauftragte Unternehmen!) ein einschlägiges Studium oder eine gleichwertige Berufsausbildung nachweisen kann (Meister oder Techniker SHK) und zusätzlich z.B. ein Zertifikat Kategorie A nach VDI 6023 eine weitere Vertiefung erkennen lässt. Doch der Betreiber bleibt in der Verantwortung: Im Falle von Schadenersatzforderungen vor Gericht kann es wichtig sein, die Unabhängigkeit und ausreichende Qualifikation des hinzugezogenen Sachverstandes belegen zu können, da im Rahmen der Delegation von Aufgaben an Auftragnehmer (z.B. Beauftragung einer Risikoabschätzung) eine Auswahlpflicht besteht.
Es muss also belegbar sein, dass mit der Arbeit jemand beauftragt wurde, der nachweislich dafür geeignet ist. Im Rahmen der VDI/DVQST-Zertifizierung wurde nun - neben der öffentlichen Bestellung als Sachverständiger für das Teil- oder Fachgebiet Trinkwasserhygiene einer Kammer als Bestellungskörperschaft - auch weiteren versierten Fachleuten die Möglichkeit geschaffen, Ihre Qualifikation gegenüber Auftraggebern durch eine objektive Prüfung darzustellen.
Es ist nicht davon auszugehen, dass grundsätzlich jeder Teilnehmer einer Schulung mit einem Zertifikat nach VDI-MT 6023 Blatt 4 hinterher in der Lage ist, eine sachgerechte Risikoabschätzung zu erstellen und auch die diversen Schulungs-Zertifikate von Herstellern und Interessensvertretern sind kein aussagekräftiger Qualifikationsnachweis. Selbst die Zertifizierung nach VDI-MT 6023-4 Kategorie A ist nur eine notwendige Fortbildung, die ohnehin jeder Fachmann haben sollte, der sich mit Planung, Bau oder Betrieb von Trinkwasserinstallationen befasst.
Abgesehen von der öffentlichen Bestellung als Sachverständiger einer Kammer kann heute also auch die VDI/DVQST-Zertifizierung als "Qualitätssiegel" und Nachweis für die Sachkunde eines Sachverständigen dienen. Auftraggeber und Gesundheitsämter haben zukünftig anhand dieser Qualifikation den Beleg, dass der Betreiber seiner Verpflichtung zur sorgfältigen Auswahl bei der Auftragsvergabe nachgekommen ist.
Risikoabschätzung als Gefahr
Gegenüber Gesundheitsämtern wird oft aus Kostengründen und/oder Unwissenheit auf eine bereits vor Jahren erarbeitete Gefährdungsanalyse verwiesen, um den notwendigen Kosten für eine erneute Gutachtenerstellung zu entgehen. Oftmals werden auch bei Dokumentenprüfung im Verlauf der Ortsbesichtigung zur Risikoabschätzung ältere Gefährdungsanalysen aus vergangenen Jahren vorgelegt. Darunter finden sich häufig Dokumente, die bereits zum Zeitpunkt der Erstellung weder den Inhalten der UBA-Empfehlung entsprachen noch den heutigen Anforderungen nach TrinkwV oder den detaillierten Vorgaben der VDI-Richtlinie 6023-2. In der Folge waren diese Dokumente unbrauchbar, sodass auf dieser Grundlage eine Kontamination mit Legionellen nicht nachhaltig beseitigt werden konnte, obwohl durch den verantwortlichen Betreiber alle aufgeführten Maßnahmen ergriffen wurden.
Hierin liegt jedoch bereits eine grundlegende Gefahr für die Nutzer der Installation, denn wenn ungeeignete Maßnahmen empfohlen werden, die vielleicht sogar zu einem Schaden an der Installation führen (z.B. thermische Desinfektion bei ungeeigneten Materialien) oder wenn bestimmte Gefährdungen gar nicht entdeckt werden und damit unerkannt bleiben, weil die technischen Mängel nur unvollständig oder oberflächlich ermittelt wurden (z.B. unzureichende Temperaturmessungen nach 30 Sekunden oder einzelne Temperaturmessungen am Trinkwassererwärmern (Spotmessung) ohne eine kontinuierliche Datenerfassung zur Bewertung, vgl. Abbildung 4), dann hat der verantwortliche Betreiber auch kaum eine Chance, seine Anlage fachgerecht sanieren zu lassen. Diese unerkannten Gefährdungen stellen dann für die Nutzer weiterhin ein mitunter ernstes Gesundheitsrisiko dar.

Abb. 4: Nur mittels kontinuierlicher Messung mit Datenloggern lassen sich Trinkwassererwärmungsanlagen
korrekt bewerten, Einzelmessungen lassen eine Bewertung nicht zu.

- Abb.5: Dokumente, die keine Analysen und Erläute-
rungen der möglichen Gefährdungen beinhalten
oder die Bewertungen auf falschen Grundlagen
vornehmen, sind unzureichend und
ggf. werkvertraglich mangelhaft
"Der Bedenkenhinweis hat grundsätzlich in der gebotenen Form und in der gebotenen Klarheit zu erfolgen, damit der Auftraggeber in die Lage versetzt wird, die Tragweite der Nichtbefolgung klar zu erkennen".[5] Diese Anforderungen gelten selbstverständlich umso mehr für eine regelgerechte Risikoabschätzung, auf deren Grundlage ein Betreiber die entsprechenden Sanierungsarbeiten beauftragen muss.
Ohne eine jeweils konkrete Erläuterung, welche Gefährdungen und Risiken für die Nutzer sich aus den dokumentierten Mängeln ergeben, wird der Auftraggeber eben nicht in die Lage versetzt, eine fundierte Entscheidung über die zu beauftragenden technischen Maßnahmen treffen zu können.
Unzureichende Sanierung
Eine Risikoabschätzung selbst ist die systematische Ermittlung von Mängeln in einer Trinkwasserinstallation, die zu einer chemischen oder mikrobiologischen Auffälligkeit (Kalt- und/oder Warmwasser) geführt hat und stellt somit eine Dokumentation des Ist-Zustandes einer Trinkwasserinstallation zum Zeitpunkt der Ortsbesichtigung dar, aus den festgestellten Mängeln resultieren ggf. abzuleitende Gefährdungen oder Risiken für die Nutzer.

- Abb.6: Werden nach einer Ortsbesichtigung die
baulichen oder hygienischen Verhältnisse verändert,
sind vorherige Risikoabschätzungen nicht mehr oder
nur noch eingeschränkt verwendbar
Es ist - auch aufgrund oftmals mangelnder Erläuterungen in der Risikoabschätzung - eine Tatsache, dass von Betreibern mitunter aus Kostengründen die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht oder nicht vollständig umgesetzt werden, so dass in der nächsten Beprobung weiterhin Legionellen über dem technischen Maßnahmenwert analysiert werden.
Werden jedoch Teil-Maßnahmen ergriffen, die einen Einfluss auf die hygienisch/mikrobiologischen Verhältnisse des Trinkwassers haben, wie beispielsweise die Erneuerung der Trinkwassererwärmung, die Herstellung des hydraulischen Abgleiches im Warmwassersystem oder die teilweise Änderung von Rohrleitungen, wird in der zuvor erstellten Bewertung nach den Sanierungsmaßnahmen nicht mehr der aktuelle Zustand der Trinkwasserinstallation beschrieben. Somit kann bei einer erneuten Feststellung einer Kontamination nicht auf die vorhandene Unterlage verwiesen werden, denn diese stellt nur so lange den Zustand einer Trinkwasserinstallation dar, wie diese nicht wesentlich verändert wurde. Eine vorhandene Bewertung ist nach technischen Änderungen an einer Installation folglich nicht mehr verwertbar/anwendbar.
Aus laienhaftem Unverständnis für die oft komplexen Zusammenhänge, die zu chemischen oder mikrobiologischen Verunreinigungen des Trinkwassers führen können, greifen Betreiber von Trinkwasserinstallationen fahrlässig auch teilweise ohne vorherige Risikoabschätzung zu am Markt angebotenen Maßnahmen oder Produkten, die ohne grundlegende Sanierungsmaßnahmen an der Installation einen schnellen und preiswerten Erfolg versprechen. Hierzu zählen der Einsatz chemischer Desinfektionsmittel im Trinkwasser, "Legionellenschaltungen", Ultrafilter am Hauswassereingang sowie weitere Produkte und Systeme, die mit vollmundigen Werbeversprechen Kunden locken. Verzichtet ein verantwortlicher Betreiber allerdings auf eine grundlegende Risikoanalyse, handelt es sich hierbei zumindest um eine Ordnungswidrigkeit nach § 72 Abs. 1 Nr. 31 TrinkwV. Macht ein Betreiber so etwas sogar vorsätzlich, im Bewusstsein um die weiterhin bestehende Gefährdung für die Nutzer der Trinkwasserinstallation durch die Verbreitung von z.B. Legionellen, wird daraus gem. § 71 Abs. 1 TrinkwV gegebenenfalls eine Straftat nach § 74 Abs. 1 IfSG.
Den Nutzer im Fokus
Die Ableitung von Gefährdungen und Risiken, die sich aus technischen Mängeln ergeben, sind immer individuell für die regelmäßigen Nutzer zu bewerten. Eine Legionellen-Kontamination von 4.700 KBE/100 ml ist in einem Wohngebäude beispielsweise anders zu bewerten als in einem Pflegeheim, in dem sich gewöhnlich immungeschwächte Patienten aufhalten und das Trinkwasser nutzen. Wenn sich nach der Erstellung des Gutachtens also der Nutzerkreis ändert, beispielsweise durch die Vermietung von Wohnraum an eine Tagespflege oder eine Kindertageseinrichtung, verändert sich damit oft auch das sich aus einem Mangel abgeleitete Risiko für die jeweiligen Nutzer. Somit ist die "Gültigkeit" einer Risikoabschätzung auch immer an die Nutzung der Trinkwasserinstallation gebunden und bei einer Änderung des Personenkreises, der das Trinkwasser nutzt, ist die Priorisierung der Maßnahmen aus einer Risikoabschätzung unter Umständen ebenfalls nicht mehr verwertbar.
Regelwerke als Grundlage
Die Grundlage für ein Gutachten zur Gefährdungsanalyse sind immer die tagesaktuellen allgemein anerkannten Regeln der Technik, weil ein veraltetes und mehrfach überarbeitetes Regelwerk aus dem Jahr 1962 heute natürlich nicht mehr den Konsens der Fachwelt zur richtigen Ausführung einer Installation darstellt. Im Sinne der VDI/BTGA/ZVSHK 6023-2 ist daher jede Abweichung von den geltenden allgemein anerkannten Regeln der Technik ein Mangel.
Die Auslegung von Regelwerken ist jedoch an sich noch keine Rechtsanwendung im Sinne der Trinkwasserverordnung, sondern lediglich eine Tatsachenfeststellung. Rechtliche Relevanz erhalten Regelwerke erst, wenn sie zur Konkretisierung der Verordnung rezipiert (d.h. namentlich zur Einhaltung benannt) wurden. In § 51 TrinkwV ist die UBA-Empfehlung zur Gefährdungsanalyse namentlich benannt, so dass diese zu beachtende Unterlage damit Verbindlichkeit bekommt. Die zu beachtende UBA-Empfehlung wiederum konkretisiert dann, welche Regelwerke in Bezug auf die Trinkwasserhygiene genau gemeint sind, wenn von den allgemein anerkannten Regeln der Technik gesprochen wird.
Hier heißt es unter Punkt 4 "Grundlage der Gefährdungsanalyse sind die Anforderungen der Trinkwasserverordnung sowie die allgemein anerkannten Regeln der Technik, hier insbesondere das DVGW-Arbeitsblatt W 551 und die VDI-Richtlinie 6023. (...) Weitere Grundlagen werden in der VDI-Richtlinie 6023 in den Normenreihen DIN EN 806 ff und DIN 1988 ff beschrieben". Bei der Erstellung von Gefährdungsanalysen ist also vorrangig zu prüfen, ob die Anforderungen der VDI 6023 und des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) W 551 (A) eingehalten wurden, die Anforderungen der DIN EN 806 und der DIN 1988 sind hier nachrangig.
Auf Grund neuer Erkenntnisse oder Forschungsergebnisse und einem fortschrittlicheren Wissensstand ändern sich die allgemein anerkannten Regeln der Technik jedoch laufend. Wenn also ein Gutachten zur Gefährdungsanalyse noch auf Grundlage eines überholten Wissensstands aus veralteten Regelwerken erstellt wurde, ist dieses Gutachten heute natürlich ebenfalls nicht mehr verwertbar. Das DVGW-Arbeitsblatt W 551 wurde beispielsweise im Jahr 2004 zuletzt überarbeitet und veröffentlicht. Bereits im Jahr 2017 wurde daher durch den DVGW die ergänzende Fachinformation Nr. 90 publiziert, die wesentliche Informationen und aktuelle Erläuterungen zu den Anforderungen des DVGW-Arbeitsblattes W 551 enthält. Damit ist jedoch auch klargestellt, dass das Arbeitsblatt W 551 aus 2004 heute nicht mehr alleine, sondern nur noch zusammen mit den aktuellen Erläuterungen der Fachinformation Nr. 90 angewandt werden kann. Ebenfalls ist im Jahr 2023 die VDI-Richtlinie 6023 als Blatt 1 in einer überarbeiteten, aktualisierten Fassung erschienen. Ein Verweis auf veralte Fassungen sind in aktuellen Installationen nicht mehr anwendbar.
Zeitliche Vorgaben
Legionellen sind sogenannte obligate Krankheitserreger, d.h. je höher der analysierte Wert, desto höher ist auch das Risiko, sich zu infizieren und möglicherweise eine symptomatische Erkrankung zu entwickeln. Die Höhe einer festgestellten mikrobiologischen Kontamination kann sich zudem sehr schnell verändern, vor allem, wenn weiterhin in der Installation für Mikroorganismen optimale Lebensbedingungen herrschen.
Abhängig von der Höhe der Kontamination besteht also mehr oder weniger dringender Handlungsbedarf zur Sanierung. Laut der UBA-Empfehlung zur Gefährdungsanalyse beinhalten die im DVGW-Arbeitsblatt W 551 enthaltenen Tabellen 1a (orientierende Untersuchung) und 1b (weitergehende Untersuchung) sowohl nach Höhe der Messergebnisse abgestufte Vorgaben für Maßnahmen als auch Zeitvorgaben für deren Umsetzung. Diese Aussage kann so interpretiert werden, dass bei einer "hohen Kontamination" (d.h. größer 1.000 KBE/100 ml) eine kurzfristige Beseitigung der Gefährdung innerhalb von 3 Monaten erforderlich ist, bei einer "mittleren Kontamination" (d.h. größer 100 KBE/100 ml) innerhalb von einem Jahr (vgl. Abbildung 7).

Abb.7: Das Umweltbundesamt sieht gem. der UBA-Empfehlung zur Gefährdungsanalyse in Tabelle 1b
des DVGW W 551 (A) auch die zeitlichen Vorgaben für die Umsetzung von Maßnahmen.
Fazit
Bei einer Überschreitung des technischen Maßnahmenwerts an einer Probenahmestelle ist nach § 51 TrinkwV grundsätzlich ein Gutachten mit Risikoanalyse über die betroffene Installation anzufertigen, einen etwaigen Ermessensspielraum gibt es nicht.
Dieser Betreiberpflicht kann man auch nicht entgehen, wenn man bereits eine ältere Gefährdungsanalyse vorliegen hat, denn entweder war diese mangelhaft - was heute der Grund für einen positiven Legionellenbefund ist - oder die Unterlage spiegelt heute nicht mehr die tatsächliche Ist-Situation der Trinkwasserinstallation wider, weil z.B. bauliche Veränderungen oder Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Zieht es ein Anlagenbetreiber jedoch vor, keine Risikoabschätzung erstellen oder geeignete Sanierungsmaßnahmen durchführen zu lassen, handelt es sich hierbei zumindest um eine Ordnungswidrigkeit, wenn nicht sogar um eine Straftat nach IfSG.
Aber auch wenn sich der Personenkreis ändert, der das Trinkwasser gewöhnlich nutzt oder wenn sich die technischen Regelwerke weiterentwickelt haben, auf deren Grundlage die frühere Gefährdungsanalyse beruhte, ist die Unterlage regelmäßig nicht mehr verwertbar.
Durch die Priorisierung der Maßnahmen z.B. in kurz-, mittel- bis langfristige Handlungsempfehlungen wird eine zeitliche Abfolge der Sanierungs-/Instandsetzungsmaßnahmen (Sanierungsplan) vorgegeben, der sich am potenziellen Risiko orientieren sollte. Demnach muss die Trinkwasserinstallation spätestens nach Beendigung der strukturellen, baulichen Maßnahmen in den vorgegebenen Nachuntersuchungen mikrobiologisch unauffällig sein, da der Ersteller der Risikoabschätzung dem Auftraggeber den Erfolg schuldet (§§ 280, 631 BGB Werkvertrag). Somit ist auch nach der Umsetzung aller aufgeführten Maßnahmen die Risikoabschätzung nicht mehr aktuell und verwertbar.
Quellenangabe
- Bundesratsvorlage Drucksache 530/10 Begründung zu § 9 Absatz 8 der Ersten Verordnung zur Änderung der Trinkwasserverordnung, S. 75
- Vorstellung eines neuen Ansatzes zur Bewertung von Risiken im Rahmen von Risikoabschätzungen gemäß Trinkwasserverordnung (TrinkwV), Autor: Arnd Bürschgens, 20.01.2025
- Fazit der Fortbildungstagung für Wasserfachleute (WaBoLu-Wasserkurs) vom 3.-5.11.2015 in Berlin, Umweltbundesamt Fachgebiet II 3.4, Bad Elster
- vgl. OLG Düsseldorf Urteil Az.: 22 U 41/17 vom 06.10.2017
- OLG Hamburg Urteil vom 28.09.2018 Az.: 11 U 128/7
Bildnachweis
Christian Strehlow: Teaser, Abb. 1,6
Arnd Bürschgens: Abb. 2,3,4,5
Abb. 7 nach DVGW W 551 (A) Tab. 1b
Literaturtipps zum Thema
- Trinkwasserverordnung vom 20. Juni 2023
- VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2 Hygiene in Trinkwasserinstallationen; Gefährdungsanalyse, Januar 2018
- Empfehlung des Umweltbundesamtes nach Anhörung der Trinkwasserkommission für die Durchführung einer Gefährdungsanalyse gemäß Trinkwasserverordnung, Dezember 2012
- Arnd Bürschgens: Legionellen in Trinkwasserinstallationen, Gefährdungsanalyse und Sanierung, Beuth Verlag, 2. Auflage 2018
- DVQST FP-03-2020 Merkmale Gefährdungsanalyse/Risikoabschätzung März 2024
- Umweltbundesamt - "Fazit der Fortbildungstagung für Wasserfachleute (WaBoLu-Wasserkurs) vom 3. bis 5.11.2015 in Berlin"
