20.03.2025
Vom Monomer über das Oligomer bis zum Polymer - wie entsteht ein Makromolekül?
Dr. Gerhard Heinzmann , Alina Heinzmann, Sophia Heinzmann
Das altgriechische Wort "Meros" bedeutet Teil, Bestandteil oder Stück. Ein "Mono"mer ist daher ein einzelnes Teil, ein "Oligo"mer besteht aus einigen wenigen Teilen, und ein "Poly"mer besteht aus vielen Teilen. Obwohl Oligomere und Polymere im Prinzip nur aus sich wiederholenden Einheiten von Monomeren bestehen, unterscheiden sich Ihre physikalischen Eigenschaften fundamental von denen des einzelnen Moleküls. Und auch zwischen Oligomeren und Polymeren gibt es deutliche Unterschiede. Warum ist das so und wie entsteht eigentlich ein Makromolekül aus den einzelnen, monomeren Bausteinen?
Monomere
Betrachten wir den Fall des chemisch gesehen einfachsten Makromoleküls: das Polyethylen. Polyethylen besteht aus dem monomeren Ethylen- oder Ethenmolekül (Abbildung 1). Über die im Ethenmolekül vorhandene Doppelbindung können Verknüpfungen zu anderen Ethenmolekülen aufgebaut werden (Abbildung 2). Ein weiterer, sehr bekannter Polymertyp ist das Polystyrol. Wie auch beim Ethen, können durch die im monomeren Styrolmolekül enthaltene Doppelbindung Verknüpfungen zu anderen Styrolmolekülen aufgebaut werden (Abbildung 3).

Abb.1: Monomeres Ethylen- oder Ethenmolekül; Abb.2: Polymerisation von Ethenmolekülen; Abb.3: Polymerisation von Styrolmolekülen
Oligomere
Oligomere bestehen, wie bereits beschrieben, nur aus einigen wenigen Wiederholeinheiten von Monomeren. Sie weisen noch keine vollständigen Polymereigenschaften auf. So ist z.B. der dn/dc-Wert, das sogenannte Brechungsindexinkrement [1], das für ein Polymer ab einem bestimmten Molekulargewicht eine konstante Größe hat, im Fall von Oligomeren abweichend, da hier Endgruppeneffekte deutlich stärker zum Tragen kommen, als dies bei Polymeren der Fall ist (Abbildung 4). Diese Endgruppeneffekte wirken sich sehr viel stärker auf die chemischen Eigenschaften des Oligomer-Moleküls aus, als dies bei einem Polymermolekül der Fall ist, und verändern somit den dn/dc-Wert der Oligomermoleküle.

Abb.4: dn/dc-Wert von Polystyrol in THF in Abhängigkeit vom Molekulargewicht [2]

- Tab.1: Auflistung der dn/dc-Werte für Polystyrol
in Abhängigkeit vom Molekulargewicht;
alle Werte sind bei 25 °C gemessen, in THF,
mit einer Wellenlänge von 632 nm [3]
Betrachtet man die Molekulargewichte, die sich im Verlauf einer Polymerisationsreaktion ergeben, so können für das Monomer, wie auch die kleineren Oligomere, wie Dimer, Trimer, Tetramer und Pentamer, noch genau definierte Werte angegeben werden. Je weiter eine Polymerisationsreaktion aber fortschreitet, umso mehr findet man eine Molekulargewichtsverteilung als Resultat, da nicht alle Polymerketten mit derselben Geschwindigkeit wachsen, und es ggf. im Verlauf der Reaktion dazu kommen kann, dass sich zwei oder mehrere bereits vorhandene Polymerketten miteinander verbinden.
Polymere
Ist die Polymerisationsreaktion hinreichend weit fortgeschritten, findet man bei der Analyse der entstandenen Produkte eine Verteilung der Kettenlängen und somit auch der Molekulargewichte. Wollte man die entstandenen Polymermoleküle nun exakt beschreiben, dann müsste man eine Liste der Moleküle erstellen, die die Anzahl der entstandenen Ketten und deren Molekulargewicht auflistet. Da dies aber zu unübersichtlich und zu aufwendig wäre, werden in der Polymerchemie im Wesentlichen nur drei Mittelwerte für die entstandene Verteilung angegeben.
Der erste Mittelwert ist das sogenannte Zahlenmittel Mn, im Englischen als "Number Average Molecular Weight" bezeichnet. Hier werden einfach nur alle Moleküle mit unterschiedlichen Molekulargewichten aufsummiert, und durch die Gesamtzahl aller vorliegenden Moleküle geteilt:
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- Abb.5: Differentielle Molekulargewichtsverteilung einer
breit verteilten, makromolekularen Probe mit
Molekulargewichts-Mittelwerten Mn, Mw und Mz
Die verschiedenen Molekulargewichte können in einer differentiellen Molekulargewichtsverteilung grafisch dargestellt werden (Abbildung 5). Die Spitze der Verteilung wird als Peak-Molekulargewicht Mp bezeichnet.
Strukturell gesehen können Polymerketten linear aufgebaut sein, sie können aber auch Verzweigungen enthalten. Der Einbau von Verzweigungen in die Polymerketten kann z.B. beim Polyethylen durch die Verwendung geeigneter Katalysatoren erzielt werden. Im Fall des Polystyrols kann Divinylbenzol als Zusatz zur Polymerisationslösung die Kettenverzweigung erzeugen (Abbildung 6). Durch die beiden im Divinylbenzol enthaltenen Doppelbindungen können zwei Polystyrolketten miteinander verknüpft werden (Abbildung 7).

Abb.6: Divinylbenzol; Abb.7: Verzweigtes Polystyrolmolekül
Fazit
Ein Polymermolekül entsteht durch die chemische Verknüpfung von einzelnen Monomereinheiten. Zunächst bilden sich niedermolekulare Oligomere wie Dimere, Trimere, Tetramere und Pentamere, die noch keine vollständigen Polymereigenschaften aufweisen. Erst wenn sich mehr als etwa 50 Wiederholeinheiten zu einer Polymerkette zusammengefunden haben, spricht man von einem Polymermolekül. Die Struktur, die die Polymermoleküle ausbilden, linear oder verzweigt, kann durch den Einsatz von geeigneten Katalysatoren oder den Zusatz von Verzweigungsreagenzien bei der Polymerisationsreaktion gesteuert werden. Dies ist ein wichtiger Faktor bei der Polymerisationsreaktion, da sich verzweigte und unverzweigte Polymere in Ihren physikalischen und mechanischen Eigenschaften deutlich unterscheiden.
Literatur
- G. Heinzmann, A. Heinzmann und S. Heinzmann, "Das Brechungsindexinkrement - ein kleiner Wert mit großer Wirkung im Bereich der Polymeranalytik", Fachartikel Analytik NEWS, November 2020
- D. T. Gillespie, H. K. Hammons, J. Li, "Characterisation of Copolymers", RAPRA Technology Limited, May 1995,
- American Polymer Standards Corporation, 8680 Tyler Blvd., Mentor, OH 44060, "Light Scattering dn/dc Values", 1983-2022
