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Analytik NEWS
Das Online-Labormagazin
16.12.2025

20.03.2025

Vom Monomer über das Oligomer bis zum Polymer - wie entsteht ein Makromolekül?

Dr. Gerhard Heinzmann , Alina Heinzmann, Sophia Heinzmann


Das altgriechische Wort "Meros" bedeutet Teil, Bestandteil oder Stück. Ein "Mono"mer ist daher ein einzelnes Teil, ein "Oligo"mer besteht aus einigen wenigen Teilen, und ein "Poly"mer besteht aus vielen Teilen. Obwohl Oligomere und Polymere im Prinzip nur aus sich wiederholenden Einheiten von Monomeren bestehen, unterscheiden sich Ihre physikalischen Eigenschaften fundamental von denen des einzelnen Moleküls. Und auch zwischen Oligomeren und Polymeren gibt es deutliche Unterschiede. Warum ist das so und wie entsteht eigentlich ein Makromolekül aus den einzelnen, monomeren Bausteinen?

Monomere

Betrachten wir den Fall des chemisch gesehen einfachsten Makromoleküls: das Polyethylen. Polyethylen besteht aus dem monomeren Ethylen- oder Ethenmolekül (Abbildung 1). Über die im Ethenmolekül vorhandene Doppelbindung können Verknüpfungen zu anderen Ethenmolekülen aufgebaut werden (Abbildung 2). Ein weiterer, sehr bekannter Polymertyp ist das Polystyrol. Wie auch beim Ethen, können durch die im monomeren Styrolmolekül enthaltene Doppelbindung Verknüpfungen zu anderen Styrolmolekülen aufgebaut werden (Abbildung 3).

von Ethen zum Polymer
Abb.1: Monomeres Ethylen- oder Ethenmolekül; Abb.2: Polymerisation von Ethenmolekülen; Abb.3: Polymerisation von Styrolmolekülen

Sind nur einige wenige Monomermoleküle miteinander verknüpft, dann spricht man von einem Oligomer, das nur ein geringes Molekulargewicht aufweist. Erst wenn eine bestimmte Grenze im Molekulargewicht erreicht ist, wird das Makromolekül als Polymer bezeichnet. Die Grenze zwischen Oligomer und Polymer ist nicht genau definiert. Am Anfang einer Polymerisationsreaktion sind die Wiederholeinheiten noch genau zu benennen; sind zwei Moleküle miteinander verknüpft, dann handelt es sich um ein Dimer, bei drei Einheiten um ein Trimer, dann folgt das Tetramer und das Pentamer. Von einem Polymer spricht man erst, wenn zumindest mehr als 50 Wiederholeinheiten miteinander verknüpft sind. Dies würde beim Polyethylen einem Molekulargewicht von etwa 1400 g/mol entsprechen, im Fall des Polystyrols einem Molekulargewicht von etwa 5200 g/mol.

Oligomere

Oligomere bestehen, wie bereits beschrieben, nur aus einigen wenigen Wiederholeinheiten von Monomeren. Sie weisen noch keine vollständigen Polymereigenschaften auf. So ist z.B. der dn/dc-Wert, das sogenannte Brechungsindexinkrement [1], das für ein Polymer ab einem bestimmten Molekulargewicht eine konstante Größe hat, im Fall von Oligomeren abweichend, da hier Endgruppeneffekte deutlich stärker zum Tragen kommen, als dies bei Polymeren der Fall ist (Abbildung 4). Diese Endgruppeneffekte wirken sich sehr viel stärker auf die chemischen Eigenschaften des Oligomer-Moleküls aus, als dies bei einem Polymermolekül der Fall ist, und verändern somit den dn/dc-Wert der Oligomermoleküle.

dn/dc-Wert von Polystyrol in THF über Mw
Abb.4: dn/dc-Wert von Polystyrol in THF in Abhängigkeit vom Molekulargewicht [2]

Auflistung der dn/dc-Werte für Polystyrol
Tab.1: Auflistung der dn/dc-Werte für Polystyrol
in Abhängigkeit vom Molekulargewicht;
alle Werte sind bei 25 °C gemessen, in THF,
mit einer Wellenlänge von 632 nm [3]
Tabelle 1 zeigt, wie sich der dn/dc-Wert für Polystyrol in dem Lösungsmittel Tetrahydrofuran (THF) bei einer Temperatur von 25 °C und einer Wellenlänge von 632 nm verändert, bis er sich ab einem Molekulargewicht von etwa 5000 g/mol zu einem konstanten Wert von 0,185 ml/g entwickelt.

Betrachtet man die Molekulargewichte, die sich im Verlauf einer Polymerisationsreaktion ergeben, so können für das Monomer, wie auch die kleineren Oligomere, wie Dimer, Trimer, Tetramer und Pentamer, noch genau definierte Werte angegeben werden. Je weiter eine Polymerisationsreaktion aber fortschreitet, umso mehr findet man eine Molekulargewichtsverteilung als Resultat, da nicht alle Polymerketten mit derselben Geschwindigkeit wachsen, und es ggf. im Verlauf der Reaktion dazu kommen kann, dass sich zwei oder mehrere bereits vorhandene Polymerketten miteinander verbinden.

Polymere

Ist die Polymerisationsreaktion hinreichend weit fortgeschritten, findet man bei der Analyse der entstandenen Produkte eine Verteilung der Kettenlängen und somit auch der Molekulargewichte. Wollte man die entstandenen Polymermoleküle nun exakt beschreiben, dann müsste man eine Liste der Moleküle erstellen, die die Anzahl der entstandenen Ketten und deren Molekulargewicht auflistet. Da dies aber zu unübersichtlich und zu aufwendig wäre, werden in der Polymerchemie im Wesentlichen nur drei Mittelwerte für die entstandene Verteilung angegeben.

Der erste Mittelwert ist das sogenannte Zahlenmittel Mn, im Englischen als "Number Average Molecular Weight" bezeichnet. Hier werden einfach nur alle Moleküle mit unterschiedlichen Molekulargewichten aufsummiert, und durch die Gesamtzahl aller vorliegenden Moleküle geteilt:

Mittelwert 1

Ein weiterer Mittelwert ist das sogenannte Gewichtsmittel Mw, im Englischen als "Weight Average Molecular Weight" bezeichnet. Hier werden die molekularen Massen der einzelnen Polymerketten stärker gewichtet, wodurch dieser Wert auch immer größer sein muss als der Mn-Wert, wenn unterschiedliche Kettenlängen vorliegen:

Mittelwert 2

Ein dritter Mittelwert ist das sogenannte Zentrifugenmittel Mz. Hier werden die molekularen Massen der einzelnen Polymerketten noch stärker gewichtet als dies beim Mw-Wert der Fall ist, wodurch dieser Wert auch immer der größte von allen drei Werten ist, wenn unterschiedliche Kettenlängen vorliegen:

Mittelwert 3

Teilt man den Gewichtsmittelwert durch den Zahlenmittelwert, dann erhält man die Polydispersität (PD) der Probe, die Informationen über die Breite der vorliegenden Verteilung von Polymerketten gibt:
PD = Mw/Mn

Differentielle Molekulargewichtsverteilung
Abb.5: Differentielle Molekulargewichtsverteilung einer
breit verteilten, makromolekularen Probe mit
Molekulargewichts-Mittelwerten Mn, Mw und Mz
Bei einer geringen Polydispersität bis zu einem Wert von etwa 1,1 spricht man von einer engen Verteilung, bei Werten von 1,1 bis etwa 2 von einer mittleren Verteilung, und bei Werten größer als 2 von einer breiten Verteilung.

Die verschiedenen Molekulargewichte können in einer differentiellen Molekulargewichtsverteilung grafisch dargestellt werden (Abbildung 5). Die Spitze der Verteilung wird als Peak-Molekulargewicht Mp bezeichnet.

Strukturell gesehen können Polymerketten linear aufgebaut sein, sie können aber auch Verzweigungen enthalten. Der Einbau von Verzweigungen in die Polymerketten kann z.B. beim Polyethylen durch die Verwendung geeigneter Katalysatoren erzielt werden. Im Fall des Polystyrols kann Divinylbenzol als Zusatz zur Polymerisationslösung die Kettenverzweigung erzeugen (Abbildung 6). Durch die beiden im Divinylbenzol enthaltenen Doppelbindungen können zwei Polystyrolketten miteinander verknüpft werden (Abbildung 7).

Divinylbenzol und Verzweigtes Polystyrolmolekül
Abb.6: Divinylbenzol; Abb.7: Verzweigtes Polystyrolmolekül

Verzweigte und unverzweigte Polymere unterscheiden sich auch bei gleicher chemischer Zusammensetzung stark in Ihren physikalischen und mechanischen Eigenschaften. So ist lineares Polystyrol sehr gut löslich in verschiedenen organischen Lösungsmitteln wie z.B. Tetrahydrofuran (THF), während stark verzweigtes Polystyrol nahezu unlöslich ist. Es zeigt nur noch ein begrenztes Quellverhalten in organischen Lösungsmitteln.

Fazit

Ein Polymermolekül entsteht durch die chemische Verknüpfung von einzelnen Monomereinheiten. Zunächst bilden sich niedermolekulare Oligomere wie Dimere, Trimere, Tetramere und Pentamere, die noch keine vollständigen Polymereigenschaften aufweisen. Erst wenn sich mehr als etwa 50 Wiederholeinheiten zu einer Polymerkette zusammengefunden haben, spricht man von einem Polymermolekül. Die Struktur, die die Polymermoleküle ausbilden, linear oder verzweigt, kann durch den Einsatz von geeigneten Katalysatoren oder den Zusatz von Verzweigungsreagenzien bei der Polymerisationsreaktion gesteuert werden. Dies ist ein wichtiger Faktor bei der Polymerisationsreaktion, da sich verzweigte und unverzweigte Polymere in Ihren physikalischen und mechanischen Eigenschaften deutlich unterscheiden.

Literatur

  1. G. Heinzmann, A. Heinzmann und S. Heinzmann, "Das Brechungsindexinkrement - ein kleiner Wert mit großer Wirkung im Bereich der Polymeranalytik", Fachartikel Analytik NEWS, November 2020
  2. D. T. Gillespie, H. K. Hammons, J. Li, "Characterisation of Copolymers", RAPRA Technology Limited, May 1995,
  3. American Polymer Standards Corporation, 8680 Tyler Blvd., Mentor, OH 44060, "Light Scattering dn/dc Values", 1983-2022


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