Entwicklung und Anwendung biophysikalischer Einzelmolekültechniken
Wierer, Sebastian - Universität Konstanz (2016)
Die Untersuchung von biologischen Prozessen auf Einzelmolekül-Ebene während der letzten beiden Dekaden ermöglichte tiefere Einblicke in die Funktionsweise von lebenden Systemen, als es klassische Ensemble-Techniken je taten. Ein verbessertes Verständnis der Biochemie lebender Systeme bietet beispielsweise das Potential zur Entwicklung neuer Therapien zur Behandlung von bis dato schwer bis unheilbaren Krankheiten.
Die Erfolge der Einzelmolekül-Techniken gegenüber den Ensemble-Ansätzen ist vor allem auf zwei Punkte zurückzuführen: Zum einen resultiert aus einer Vermessung einer größeren Menge an Molekülen ein Verlust an Information, da lediglich ein aus der Gesamtheit gebildeter mittlerer Messwert erfasst wird. Zum anderen findet man in biologischen Systemen Prozesse, welche durch einzelne oder wenige Moleküle reguliert werden, wie beispielsweise die Replikation, Rekombination und Transkription von Desoxyribonukleinsäure (DNA). Eine Vermessung eines Ensembles entsprechender Moleküle kann somit eine artifizielle Gegebenheit darstellen, welche in biologischen Systemen nicht anzutreffen ist.
Um die Dynamiken einzelner Moleküle im biologischen Zusammenhang zu untersuchen, haben sich im Wesentlichen zwei Techniken etabliert: Die Einzelmolekülfluoreszenz, welche non-invasive Beobachtungen in vivo erlaubt und die Einzelmolekül-Kraftspektroskopie, welche eine aktive Manipulation und gleichzeitig das dynamische Vermessen von Biopolymeren in vitro ermöglicht, wie beispielsweise die Aufnahme einer Kraft-Dehnungskurve bei der Entfaltung eines Proteins. Einzelmolekül-Kraftspektroskopie an Biopolymeren wird methodisch hauptsächlich durch die Anwendung von optischen Pinzetten, magnetischen Pinzetten oder Rasterkraftmikroskopie (AFM) realisiert. Die Durchführung solcher Forschungsvorhaben erfordert eine Kombination verschiedener naturwissenschaftlicher Felder und Methoden, wie der Molekularbiologie, Mikroskopie und der Physik weicher Materie.
Der Fokus dieser Arbeit liegt in erster Linie auf der Entwicklung und Anwendung von magnetischen Pinzetten zur Untersuchung der Proteine TrmBL2, welches ein DNA-Bindeprotein aus einem hypothermophilen Archaeon Pyrococcus furiosus darstellt sowie TonB20, welches in Gram-negativen Bakterien (z. B. Escherichia Coli) vorkommt und essentiell für die Aufnahme einiger Mikronährstoffe wie Fe(III) ist. Hierbei sollten die Mechanismen der DNA-Bindung im Falle von TrmBL2 und der durch TonB vermittelte Vorgang der Aufnahme aufgeklärt werden. Das bessere Verständnis insbesondere der Funktionsweise von TonB ermöglicht in der Zukunft eventuell die Entwicklung einer neuen Klasse von Antibiotika.