Zum InhaltZur Navigation
Analytik NEWS
Das Online-Labormagazin
14.12.2024

01.06.2023

Naturstoff aus Korallen für potentielle medizinische Anwendungen synthetisiert


Weichkorallen sind eine reiche Quelle bioaktiver Naturstoffe. Die Gattung Xenia produziert die sogenannten Xenia Diterpenoide, die sich durch die große Vielfalt ihrer chemischen Struktur und biologischer Aktivität auszeichnen. Aufgrund ihrer vielversprechenden biologischen Eigenschaften sind auch pharmazeutische Unternehmen verstärkt an ihnen interessiert.

Manche Xenia Diterpenoide haben unter anderem entzündungs- und krebshemmende Wirkungen gezeigt. Erste Vertreter dieser Stoffe wurden bereits 1977 isoliert, konnten bisher aber nur eingeschränkt untersucht werden.

Die größte Herausforderung ist die schlechte Verfügbarkeit der natürlichen Quellen. Viele Meeresorganismen, so auch Korallen, lassen sich weitgehend nicht kultivieren. Eine großangelegte Gewinnung von Xenia Diterpenoiden aus Korallen in der Natur würde einen enormen Eingriff in ihr sensibles Ökosystem darstellen. Mehrere Versuche, die komplexen molekularen Strukturen im Labor herzustellen, schlugen fehl und bis heute sind nur eine Handvoll erfolgreiche Synthesen in der Literatur beschrieben.

Hemmung des Ionenkanals

Im Jahr 2014 begann in einem Arbeitskreis um Thomas Magauer an der Universität Innsbruck die Forschung zu einer möglichen Synthese von Waixenicin A. Ziel war es, einen flexiblen Zugang zu diesem Naturstoff zu entwickeln, um seinen Wirkmechanismus und sein medizinisches Potential zu erforschen.

Waixenicin A ist ein einzigartiger Vertreter der Xenia Diterpenoide und wurde erstmals 1984 an der Harvard Medical School aus der hawaiianischen Oktokoralle Anthelia edmondsoni isoliert. Erste Tests im Jahr 2011 konnten zeigen, dass Waixenicin A ein selektiver und hochpotenter Hemmstoff des TRPM7-Ionenkanals aus der Familie der TRP-Ionenkanäle ist. Diese Ionenkanäle spielen bei verschiedenen biologischen Prozessen eine essentielle Rolle, unter anderem in der Weiterleitung von Signalen und der Wahrnehmung unterschiedlichster Eindrücke wie Wärme, Geschmack und Schmerz.

Erfolg durch Vorarbeiten über Herbizide

Waixenicin A im Labor herzustellen, gelang dem Arbeitskreis um Magauer letztendlich im April 2023. Die Synthese war aufgrund der besonderen Eigenschaften des Naturstoffes sehr herausfordernd, konnte aber schließlich mithilfe einer effizienten Synthesestrategie, die Magauers Gruppe in vorherigen Arbeiten auf dem Gebiet der Herbizidsynthese entwickelt hatte, erfolgreich durchgeführt werden.

Trotz früher Fortschritte und einem ersten wichtigen Durchbruch 2017 war den Chemikern das gewünschte bizyklisches Gerüst zunächst nicht zugänglich. Die Anwesenheit labiler funktioneller Gruppen sowie eines gespannten neungliedrigen Ringes verhinderten mehrere Jahre eine erfolgreiche Synthese.

Die Lösung lieferte schließlich eine frühere Studie zur Herstellung des Herbizids Cornexistin. Aus dieser älteren Arbeit konnte ein hocheffizienter intramolekularer Ringschluss für den Aufbau des Gerüsts abgeleitet werden. Eine sequentielle Funktionalisierung eines bizyklischen Schlüsselintermediates ermöglichte den selektiven Einbau der Seitenkette und eröffnete erstmals die Synthese von Waixenicin A.

Eine weitere Diversifizierung des Schlüsselintermediates erlaubte den Zugang zu zwei weiteren Xenia Diterpenoiden: 9-Deacetoxy-14,15-deepoxyxeniculin und Xeniafaraunol A. Besonders faszinierend war dabei die Umwandlung zu Xeniafaraunol A, welche in einem Schritt durchgeführt werden konnte. Die Bedeutung dieses Schrittes für die Biosynthese und die biologische Aktivität ist bisher unerforscht, spannende Fragestellungen somit garantiert.

Aktuell beschäftigt der Arbeitskreis sich mit der Optimierung der Synthese und Herstellung einer ersten Substanzbibliothek. Diese soll in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis um Susanna Zierler auf ihre hemmende Wirkung auf den TRPM-Ionenkanal getestet werden. Darüber hinaus sollen Bindungsstudien wichtige Details zum Wirkmechanismus liefern.

» Originalpublikation E-mail

Quelle: Universität Innsbruck