04.04.2023
Mit Blutzucker Strom erzeugen
Wenn eine Brennstoffzelle unter der Haut Blutzucker aus dem Körper in elektrische Energie umwandelt, klingt das nach Science-Fiction. Dabei funktioniert es einwandfrei, wie ein ETH-Forschungsteam um den Biotechnologieprofessor Martin Fussenegger zeigt.
Bei Typ-1-Diabetikern produziert der Körper kein Insulin. Deshalb müssen sich Betroffene das Hormon von aussen zuführen, um den Blutzuckerspiegel zu regulieren. Heutzutage geschieht dies meist über Insulinpumpen, die direkt am Körper sitzen.
Solche Geräte, aber auch andere medizinische Anwendungen wie beispielsweise Herzschrittmacher, brauchen eine zuverlässige Energieversorgung. Diese wird derzeit vor allem mit Strom aus Batterien oder wiederaufladbaren Akkus sichergestellt.
Ein Team von Forschenden um Martin Fussenegger vom Departement Biosysteme der ETH Zürich in Basel hat nun eine futuristisch anmutende Idee verwirklicht: Sie haben eine implantierbare Brennstoffzelle entwickelt, die überschüssigen Blutzucker (Glukose) aus dem Gewebe nutzt, um daraus elektrische Energie zu erzeugen. Die Brennstoffzelle wiederum kombinierten die Forschenden mit bereits vor einigen Jahren in ihrer Gruppe entwickelten künstlichen Beta-Zellen, die wie ihre natürlichen Vorbilder in der Bauchspeicheldrüse Insulin produzieren und den Blutzuckerspiegel wirksam senken.
"Besonders in westlichen Industrienationen nehmen viele Menschen mehr Kohlenhydrate zu sich als sie im Alltag benötigen", sagt ETH-Professor Fussenegger. Das führe zu Übergewicht, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. "Das hat uns auf die Idee gebracht, diesen Überschuss an metabolischer Energie zu nutzen, um Strom für den Betrieb von biomedizinischen Geräten herzustellen", erklärt der Biotechnologe weiter.
Brennstoffzelle im "Teebeutelchen"-Format
Kernstück der Brennstoffzelle ist die von Fusseneggers Team eigens für diese Anwendung geschaffene Anode (Elektrode). Diese besteht aus kupferbasierten Nanopartikeln und spaltet zur Stromerzeugung Glukose in Glukonsäure und ein Proton auf, was einen Stromkreislauf in Gang setzt.
Die Brennstoffzelle ist in ein Vlies eingewickelt und mit Alginat, einem für medizinische Anwendungen zugelassenen Algenprodukt, ummantelt. Dadurch ähnelt die Brennstoffzelle einem Teebeutelchen, das unter die Haut eingesetzt werden kann. Das Alginat saugt sich mit Körperflüssigkeit voll und lässt Glukose aus dem Gewebe in ihr Inneres passieren.
Diabetes-Netzwerk mit eigener Stromversorgung
In einem zweiten Schritt haben die Forschenden die Brennstoffzelle mit einer Kapsel gekoppelt, die künstliche Beta-Zellen enthält. Diese können mit elektrischem Strom oder blauem LED-Licht dazu angeregt werden, Insulin zu produzieren und auszuschütten. Solche Designerzellen haben Fussenegger und seine Mitarbeitenden schon vor einiger Zeit getestet.
Das System kombiniert also dauerhafte Stromerzeugung und kontrollierte Insulinabgabe. Sobald die Brennstoffzelle einen Glukoseüberschuss registriert, springt die Stromproduktion an. Die elektrische Energie wird dann dazu genutzt, die Zellen zu stimulieren, sodass sie Insulin produzieren und ins Blut abgeben. Der Blutzuckerspiegel sinkt dadurch auf ein normales Maß. Sobald er unter einen bestimmten Schwellenwert fällt, stoppt die Strom- und damit die Insulinproduktion.
Die Brennstoffzelle liefert nicht nur genügend elektrische Energie, um die Designerzellen zu stimulieren, sie reicht auch aus, damit das implantierte System mit externen Geräten wie einem Smartphone kommunizieren kann. Das ermöglicht es potenziellen Nutzenden, das System über eine entsprechende App zu justieren. Auch ein Arzt oder eine Ärztin könnte aus der Ferne darauf zugreifen und Anpassungen vornehmen. "Das neue System reguliert den Insulinpegel und damit den Blutzuckerstand autonom und könnte künftig zur Diabetesbehandlung eingesetzt werden", betont Fussenegger.
Langer, unsicherer Weg zur Marktreife
Das vorliegende System ist erst ein Prototyp. Die Forschenden haben es zwar im Mausmodell erfolgreich getestet, sie können es allerdings nicht zu einem markttauglichen Produkt weiterentwickeln. "Ein solches Gerät zur Marktreife zu bringen, übersteigt unsere finanziellen und personellen Mittel bei Weitem", so Fussenegger. Gefragt sei deshalb ein Industriepartner, der über entsprechende Mittel und Know-how verfüge.
Quelle: ETH Zürich