Zum InhaltZur Navigation
Analytik NEWS
Das Online-Labormagazin
05.12.2024

06.09.2022

Schon ein Schluck Alkohol verändert das Gehirn


Zwei Bier am Tag, ein Glas Wein am Wochenende oder nur ein Schnaps zum runden Geburtstag - wie viel Alkohol ist zu viel? Laut Forschern der Universität zu Köln reicht schon der einmalige Alkoholkonsum, um dauerhafte Veränderungen im Gehirn zu verursachen und womöglich das Risiko einer späteren Alkoholsucht zu steigern.

Alkohol in großen Mengen schadet der Gesundheit. Doch schon einmaliger Konsum kann womöglich dauerhaften Einfluss auf den Körper nehmen. Dies legt eine Studie von Forschern der Universitäten Mannheim und Heidelberg und der Universität zu Köln nahe. Sie untersuchten die Frage, welche Veränderungen im Gehirn den Übergang vom sporadischen Trinken zum chronischen Alkoholmissbrauch begleiten

Die meisten wissenschaftlichen Forschungen haben die Auswirkungen eines chronischen Alkoholkonsums auf den Hippocampus - die Schaltzentrale unseres Gehirns - untersucht. Deswegen ist wenig bekannt über die akuten neuronalen Wechselbeziehungen kritischer Risikofaktoren wie einem ersten Alkoholrausch im frühen Alter, erklärt Professorin Dr. Henrike Scholz, Gruppenleiterin an der Uni Köln:

"Wir hatten uns vorgenommen, ethanolabhängige molekulare Veränderungen zu entdecken. Diese bilden wiederum die Grundlage für dauerhafte zelluläre Veränderungen nach einer einmaligen, akuten Ethanolintoxikation. Die Auswirkungen einer einzelnen Alkoholgabe wurden auf molekularer, zellulärer und Verhaltensebene untersucht." Die Arbeitshypothese der Wissenschaftler war, dass ähnlich wie bei der Bildung von Gedächtnis nach einmaligem Lernen, sich bereits nach einer einmaliger Ethanolgabe die positive Assoziation mit Alkohol verändert.

Gleichgewicht im Gehirn gestört

Das Team überprüfte die Hypothese anhand Forschungen an der Fruchtfliege und im Mausmodell und fand in zwei Bereichen Veränderungen, die durch Ethanol verursacht waren: Zum einen in der so genannten mitochondrialen Dynamik und zum anderen im Gleichgewicht zwischen den Synapsen der Nervenzellen.

Mitochondrien beliefern Zellen und insbesondere Nervenzellen mit Energie. Um die Energie optimal an die Zellen abgeben zu können, bewegen sich die Mitochondrien. Die Bewegung der Mitochondrien war in den mit Ethanol behandelten Zellen gestört. Auch das chemische Gleichgewicht zwischen bestimmten Synapsen war gestört. Diese Veränderungen blieben dauerhaft und wurden in Verhaltensänderungen der Tiere bestätigt: Mäuse und Fruchtfliegen zeigten einen erhöhten Alkoholkonsum und einen Alkoholrückfall im späteren Leben.

Suchtverhalten könnte schon nach einmaligem Konsum beeinflusst sein

Die morphologische Umgestaltung von Nervenzellen ist eine bekannte Grundlage für Lernen und Gedächtnis. Diese so genannten zellulären Plastizitätsmechanismen, die für Lernen und Gedächtnis von zentraler Bedeutung sind, gelten ebenfalls als Kernstück der Bildung assoziativer Erinnerungen für drogenbezogene Belohnungen. Daher könnten einige der beobachteten morphologischen Veränderungen die ethanolbezogene Gedächtnisbildung beeinflussen. Zusammen mit der Wanderung von Mitochondrien in Nervenzellen, die auch für die synaptische Übertragung und Plastizität wichtig sind, spekulieren die Forscher, dass diese ethanolabhängigen zellulären Veränderungen entscheidende Grundlagen für die Entwicklung von Suchtverhalten sein könnten.

"Es ist bemerkenswert, dass die zellulären Prozesse, die zu einem derart komplexen Belohnungsverhalten beitragen, artenübergreifend erhalten bleiben, was auf eine ähnliche Rolle beim Menschen schließen lässt", sagt Scholz bezüglich der möglichen Übertragung ihrer Ergebnisse von Fruchtfliege und Maus auf den Menschen. "Es könnte sich um einen möglichen allgemeinen zellulären Prozess handeln, der für Lernen und Gedächtnis wesentlich ist."

Möglicher Risikofaktor für Alkoholabhängigkeit

Beide beobachteten Mechanismen könnten die bei Mäusen gemachten Beobachtungen erklären, dass ein einmaliger Rausch den Alkoholkonsum und den Alkoholrückfall im späteren Leben erhöhen kann. "Diese Mechanismen könnten sogar für die Beobachtung beim Menschen von Bedeutung sein, dass ein frühes Alter der ersten Alkoholintoxikation ein kritischer Risikofaktor für späteres Alkoholrauschverhalten und die Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit ist", erklärt Studienleiterin Scholz. "Die Identifizierung dauerhafter ethanolabhängiger Veränderungen ist daher ein wichtiger erster Schritt, um zu verstehen, wie sich akutes Trinken zu chronischem Alkoholmissbrauch entwickeln kann."

» Originalpublikation E-mail

Quelle: Universität Köln