29.06.2022
Metallforscher wollen CO2-neutrale Aluminiumherstellung ermöglichen
Die Aluminiumgewinnung ist sehr umweltbelastend. Pro Tonne Rohmaterial wird während des Verhüttungsprozesses ein Vielfaches an CO2 ausgestoßen. Daran hat sich in fast eineinhalb Jahrhunderten industrieller Aluminiumerzeugung nicht viel geändert.
Isabella Gallino vom Lehrstuhl für Metallische Werkstoffe der Universität des Saarlandes möchte dies nun gemeinsam mit dem Industriepartner Trimet ändern. Sie erforschen eine Methode, bei der statt CO2 reiner Sauerstoff als Nebenprodukt anfällt.
Manche Dinge brauchen Zeit, die einen mehr, die anderen weniger. Im Falle von Isabella Gallino und gemessen an menschlichen Maßstäben war es schon eine ordentliche Zeit, die vergehen musste, bis das Thema ihrer Doktorarbeit nun Eingang in die Praxis findet, nämlich gut 20 Jahre. Es könnte aber ein Eingang mit großem Bahnhof sein, denn Gallinos Doktorarbeit ebnet möglicherweise einem Paradigmenwechsel in der energieintensiven und umweltbelastenden Aluminiumindustrie den Weg. Am Ende steht nichts weniger als die Möglichkeit, Aluminium CO2-neutral herstellen zu können.
Nach dem gängigen Verfahren wird bei der Aluminiumherstellung aus dem Erz Bauxit enorm viel klimaschädliches CO2 freigesetzt. "Beim Verhütten von einer Tonne Bauxit werden acht Tonnen CO2 freigesetzt, wenn Kohlestrom dafür genutzt wird", erklärt Ralf Busch, Professor für Metallische Werkstoffe an der Universität des Saarlandes. Die Metallforscherin Isabella Gallino fügt hinzu: "Selbst wenn grüner Strom genutzt wird, setzt die Aluminiumherstellung aus einer Tonne Bauxit noch 1,5 Tonnen CO2 frei." Der Grund dafür ist, dass das Aluminiumerz Bauxit (Al2O3) in den Schmelzöfen durch Elektrolyse aufgespalten wird. Das heißt, seine negativ und positiv geladenen Einzelbestandteile werden durch Anoden und Kathoden voneinander getrennt.
Bisher wird der Sauerstoff des Bauxits mithilfe einer Graphit-Anode vom Aluminium getrennt. Der Kohlenstoff dieser Graphit-Anode und der Sauerstoff des Bauxits verbinden sich dadurch zu ebenjenen 1,5 Tonnen CO2 aus einer Tonne Bauxit, das in die Atmosphäre entweicht. Übrig bleibt - unter anderem - das elementare Aluminium, das als wertvoller Ausgangsstoff für viele Industriezweige genutzt werden kann, vom Automobilbau bis zur Getränkeindustrie.
Alleine in einem einzigen Werk des größten deutschen Aluminiumproduzenten Trimet, dem Industriepartner, der nun in einem großen EU-Forschungsprojekt auf die wissenschaftliche Expertise von Isabella Gallino und Ralf Busch zurückgreift, werden in jedem einzelnen der 300 Schmelzbäder 23 schreibtischgroße Graphit-Anoden eingesetzt, die monatlich erneuert werden müssen. Eingedenk der Tatsache, dass laut Aluminium-Branchenverband weltweit rund 63 Millionen Tonnen Hüttenaluminium pro Jahr erzeugt werden, dürfte also unstrittig sein, dass eine klimafreundliche Produktion ein großer Fortschritt wäre.
Hier kommt nun Isabella Gallinos 20 Jahre alte Doktorarbeit ins Spiel, die sie an der Oregon State University in den USA verfasst hat. Sie hat darin nachgewiesen, dass so genannte inerte Anoden tatsächlich in der Praxis funktionieren. Vereinfacht gesagt, nutzte sie für diese Anoden eine Eisen-Kupfer-Nickel-Legierung, die sich nicht, wie der Kohlenstoff der Graphit-Anode, verbraucht, sondern erhalten bleibt und dabei Sauerstoff statt CO2 freisetzt. "Damals waren aber die politischen Rahmenbedingungen in den USA schlecht", blickt Isabella Gallino auf die Zeit Anfang der 2000er Jahre zurück.
Die Regierung des republikanischen Präsidenten George W. Bush hat die teure Förderung umweltfreundlicher Industriereformen zurückgefahren. Mit dem "European Green Deal", den die EU 2019 ins Leben gerufen hat, sind nun in Europa die Bedingungen für die Umsetzung dagegen sehr gut. Denn ein Umbau einer Schwerindustrie wie der Aluminiumherstellung ist ein sehr teures Unterfangen. "Wenn wir aber kein CO2 mehr produzieren wollen, ist das der einzige Weg", sagt Isabella Gallino.
Sie ist daher Teil eines EU-geförderten Konsortiums zur "CO2-freien Aluminiumproduktion", das der Aluminiumproduzent Trimet federführend leitet. Ihre Aufgabe wird es in den kommenden drei Jahren sein, metallische Anoden so weiterzuentwickeln, dass sie einen effizienten und CO2-neutralen Produktionsprozess ermöglichen. Die Industriepartner werden im Anschluss daran einen Prototyp für die Elektrolyse entwickeln und die CO2-neutrale Herstellung im kleinen Maßstab testen, bevor sie, im Idealfall, anschließend ein kleineres Werk errichten, das klimafreundliches Aluminium zunächst im kleineren Maßstab industriell erzeugen kann.
Die Metallurgie-Expertin Isabella Gallino schaut in diesem Zusammenhang noch auf eine andere Möglichkeit, die sich durch die Erzeugung von klimaschonendem Aluminium in Zukunft ergeben könnte: "Aluminium kann auch sehr gut als Energiespeicher genutzt werden, wenn es mit grünem Strom produziert wird. Aluminium ist ein Element, das auf einmal drei Valenz-Elektronen abgeben kann. Die Energiedichte ist also höher als bei anderen Elementen. Und es gibt eine Technik, bei der zur Stromerzeugung elementares Aluminium zurück zu Al2O3 oxidiert, indem man flüssiges Aluminium kontrolliert mit Wasser reagieren lässt."
Aluminiumkraftwerke statt Kohlestrom? Auch das wäre also denkbar in einer Zukunft, in der es gelänge, Aluminium klimaschonend herzustellen.
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Quelle: Universität des Saarlandes