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14.11.2024

16.07.2021

Selektiven Katalysator für gezielte chemische Reaktionen entwickelt

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Der Zufall spielt in chemischen Reaktionen oft eine große Rolle. Fast immer entstehen dabei zahlreiche unerwünschte Nebenprodukte, die unnötig Energie und Ressourcen verbrauchen. Ein Forschungsteam um Professorin Swetlana Schauermann vom Institut für Physikalische Chemie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) kombiniert verschiedene Messverfahren, um chemische Reaktionen auf atomarer Ebene zu untersuchen und so grundlegend besser zu verstehen.

In der renommierten Fachzeitschrift Angewandte Chemie haben sie jetzt eine Methode vorgestellt, mit der sich Reaktionen so gestalten lassen, dass am Ende nur das gewünschte Molekül entsteht. Den Unterschied macht eine spezielle Extraschicht von Molekülen, die als Katalysator die gewünschte Reaktion gezielt auslöst.

Was genau dazu führt, dass am Ende einer chemischen Reaktion ein bestimmter neuer Stoff entsteht, ist im Einzelnen nicht bekannt. Die Synthese von neuen Molekülen läuft häufig nach dem "trial and error"-Prinzip ab: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen oft zahlreiche Tests durchführen, bis sie das gewünschte Ergebnis erhalten.

Das Kieler Forschungsteam verfolgt einen anderen Ansatz und kombinierte dafür spezielle spektroskopische und mikroskopische Methoden. "Wir wollen zunächst die Prozesse auf atomarer Ebene verstehen, um anschließend selektive Katalysatoren entwickeln zu können, mit denen sich chemische Produkte gezielt herstellen lassen", sagt Swetlana Schauermann, Professorin für Oberflächenchemie und Katalyse an der CAU.

Aufgrund seiner bisherigen Untersuchungen nahm das Team an, dass eine zusätzliche Molekülschicht auf Oberflächen eine gezielte Reaktion auslösen kann. Dafür untersuchten sie, wie aus Acrolein mithilfe eines Palladium-Katalysators gezielt Propenol hergestellt werden kann, wenn die Oberfläche des Metalls vorab mit Allylcyanid beschichtet wurde. Normalerweise kann durch eine Reaktion mit Wasserstoff, auch Hydrierung genannt, entweder Propenol (Alkohol), oder Propanal (Aldehyd) entstehen.

"Als Molekül für die zusätzliche Schicht haben wir Allylcyanid gewählt, weil es eine spezielle elektronische Struktur und einer hohen Elektronendichte besitzt. Aufgrund seiner Eigenschaften kann es sehr gut mit reagierenden Molekülen in Wechselwirkungen treten", erklärt Carsten Schröder, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Schauermann und Erstautor der Studie. Außerdem spielt es in zahlreichen Industriezweigen eine Rolle, in denen mit organischen Synthesen gearbeitet wird.

Für seine Experimente beschichtete das Forschungsteam zunächst reines Palladiummetall mit Allylcyanid. Im Rastertunnelmikroskop konnten sie eine Schicht im Detail sichtbar machen und zeigen, dass die drei Kohlenstoffatome des Allyls flach auf den Metallatomen lagen. Als sie die Oberfläche anschließend Wasserstoff aussetzten, begann eine chemische Umwandlung und die flache Schicht veränderte sich. Im Rastertunnelmikroskop zeigten sich jetzt deutlich kürzere Abstände zwischen den Allylcyanid-Molekülen.
Wissenschaftler im Labor

"Durch eine Kombination unserer spektroskopischen und mikroskopischen Analysemethoden fanden wir heraus, was passiert war: Der Wasserstoff hatte sich an das Allylcyanid-Molekül gebunden und es in einen gesättigten Kohlenwasserstoff mit einer sogenannten Iminfunktion umgewandelt", sagt Schröder. Die Molekülenden mit dem gesättigten Kohlenwasserstoffrest verloren den Kontakt zu den Palladiumatomen, wodurch sich die Moleküle aufrichteten und so eine dichtere Schicht auf der Oberfläche bildeten. Hierauf konnte das Acrolein jetzt positionsgenau andocken und so den Hydrierungsprozess auslösen, der zur Entstehung von Propenol führt.

In dieser Art ist es zum ersten Mal gelungen, einen Katalysator mit einer zusätzlichen Molekülschicht zu aktivieren und auf atomarer Ebene zu untersuchen. "Ein detailliertes Verständnis solcher Prozesse könnte das Forschungsgebiet zu Katalysatoren rasant weiterentwickeln", hofft Schauermann. Überflüssige Reaktionsprodukte zu entfernen und zu entsorgen, ist bislang mit viel Aufwand verbunden. "Wenn wir in der Lage sind, einzelne Moleküle gezielt herzustellen, können wir Energie, Kosten und Ressourcen sparen und zum Beispiel zu umweltfreundlicheren Prozessen beitragen."

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Quelle: Universität Kiel