20.05.2021
Potentiell gefährliche Bakterien sichtbar machen
Wie kann man virulente Bakterien ausfindig machen? Die Antwort ist: mit Zucker, genauer gesagt, mit modifiziertem Zucker. Dieser kommt in einer neuen Methode zum Einsatz, die ein deutsch-israelisches Team entwickelt hat: der Chemiker Professor Daniel B. Werz von der TU Braunschweig und Professor Micha Fridman von der Tel Aviv University, dessen Gruppe sich auf chemische Biologie spezialisiert hat.
"Alleine hätte das keiner von uns geschafft - weder hier noch in Israel. Dass das alles so gut geklappt hat, liegt an unserer Zusammenarbeit. Das war eine völlig komplementäre Expertise", sagt Professor Werz.
Es gibt verschiedene Bakterienarten, einige leben im menschlichen Körper, einige auf unserer Haut. Viele sind harmlos, andere sind potentiell gefährlich. "Solange der Körper nicht geschwächt ist, zeigen sie kein opportunistisches Verhalten. Sobald sich die Situation aber ändert, können die Bakterien pathogen werden, sich also ausbreiten und das System infizieren", sagt Professor Micha Fridman von der Tel Aviv University.
Natürlich gibt es daneben auch Bakterien, die immer krankheitserregend sind. Wie stark die krankmachende Wirkung auf einen Organismus ist, wird mit dem Begriff der Virulenz beschrieben. Für die Virulenz verantwortlich sind bestimmte Virulenzfaktoren, zum Beispiel Eiweiße, Zucker oder toxische Moleküle, die ein Bakterium produziert.
Die Frage ist nun, wie man die potentiell krankmachenden Bakterien von den harmlosen unterscheiden kann. "Bakterien geben nicht preis, was sie sind. Also suchen wir nach Markern und Signalen", sagt Professor Fridman. Um dieses Problem zu lösen, haben sich seine Arbeitsgruppe und die Gruppe um Professor Werz aus Braunschweig zusammengetan.
Die Idee der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: Das Bakterium nimmt einen spezifischen Zucker auf und lässt sich dadurch enttarnen. Und genau das konnten sie nachweisen. Das Ergebnis haben sie in einem Paper im Journal "Chemistry - A European Journal" (Wiley-VCH) veröffentlicht.
Chemische Herstellung von Zucker in Braunschweig
Die Forschungsarbeit haben sich beide Teams aufgeteilt: In Braunschweig haben Professor Werz und seine Kollegen an der Herstellung eines modifizierten Zuckers getüftelt. In Israel hat Professor Fridman an den biologischen Zusammenhängen von Zucker und Bakterien geforscht.
Begonnen hatte die Arbeit in Braunschweig mit dem Projekt von Dr. Hideki Tamai, einem japanischen Postdoktoranden, der von der Humboldt-Stiftung gefördert wurde. Dr. Amol Vibhute, ein indischer Postdoktorand, setzte die Zuckerforschung fort. Das Ziel war die organische Synthese von einem besonders modifizierten Zucker, einem sogenannten Pseudaminsäure-Derivat. "Das hat uns ein paar Jahre gekostet", sagt Professor Werz. Aber warum war die Herstellung so entscheidend? "Prinzipiell könnte man den Zucker aus den Bakterien isolieren. Das wäre aber sehr aufwändig und die Mengen wären zu gering", so Professor Werz. Außerdem solle der Zucker chemisch so umgebaut werden, dass er leicht mit einem fluoreszierenden Farbstoff reagiere.
Biologische Experimente mit Zucker und Bakterien in Israel
Die Fridman-Gruppe hat den in Braunschweig synthetisch hergestellten Zucker für Experimente an Bakterien genutzt. Bakterien bilden eine schützende Hülle aus. Dazu nehmen sie Zucker auf oder stellen ihn selbst her. Der Zucker wird dann vom Bakterium auf seiner Oberfläche präsentiert. "Bekannt ist, dass gewisse Zucker spezifisch für eine bestimmte Gruppe von Bakterien sind, die für den Wirtsorganismus problematisch werden können. Diese Bakterien können also über die Zuckermoleküle, die sie aufnehmen und einbauen, identifiziert werden.
Um das nachzuweisen, hat Professor Fridman zwei Bakterienarten - Campylobacter jejuni und Bacillus thuringiensis - getestet, die den entsprechenden Zucker auf ihrer Oberfläche präsentieren "Zwei andere Arten von Bakterien, die den Zucker nicht exprimieren, wurden als Kontrolle verwendet. Nach der Zugabe eines Fluoreszenz-Farbstoffs reagiert der Zucker und bindet den Farbstoff. Auf diese Weise können die Bakterien detektiert werden", so Professor Fridman.
Wichtig für die Entwicklung neuer Antibiotika
Diese Methode könnte auch von großem Nutzen für die Antibiotika-Entwicklung sein. Lange Zeit galt die Tötung gefährlicher Bakterien als Lösung der Probleme. Inzwischen hat man jedoch verstanden, dass es mitunter reicht, zu verhindern, dass Bakterien pathogen werden, indem man ihre Virulenzfaktoren ausschaltet. Die von den beiden Gruppen entwickelte Methode erlaubt die Detektion dieses mit der Virulenz assoziierten Zuckers. Damit könnte sie auch einen Weg darstellen, neuartige Medikamente, die die Herstellung dieses Zuckers in den Bakterien und damit die Pathogenität dieser Mikroorganismen verhindern, zu testen.
Quelle: Technische Universität Braunschweig