30.03.2021
Besondere Rolle von Mitochondrien bei der Abwehr von Pilzinfektionen
Infektionen durch Hefepilze der Gattung Candida lösen eine Immunantwort aus, die bisher ausschließlich bei der Abwehr von Viren, Bakterien oder Parasiten bekannt war. Ein Forschungsteam aus Jena und Barcelona identifizierte einen Mechanismus, der zur Behandlung der Infektion beitragen könnte, wie die Wissenschaftler in der Zeitschrift Nature Microbiology berichten.
Pilze verursachen eine Vielzahl von Krankheiten beim Menschen, die von oberflächlichen Infektionen der Haut und Schleimhäute bis hin zu lebensbedrohlichen systemischen Erkrankungen reichen.
Zu den häufigsten menschlichen Pilzerregern gehören Candida-Arten. Sie sind Teil gesunder mikrobieller Gemeinschaften, die unsere Schleimhäute besiedeln. Doch dann, wenn unser Immunsystem nicht richtig funktioniert, können diese Hefen verschiedene Infektionen verursachen:
Die sogenannte vulvovaginale Candidiasis zum Beispiel - eine Candida-Infektion der vaginalen Schleimhaut. 75 % der Frauen sind mindestens einmal in ihrem Leben davon betroffen. Bei dieser Infektion ziehen die Candida-Zellen aggressive Immunzellen an, die sogenannten Neutrophilen. Doch diese Zellen schaffen es nicht immer, die Infektion zu beseitigen und verursachen stattdessen schwere Schäden.
Die besondere Rolle der Mitochondrien
Forschende des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Institut - (Leibniz-HKI) und des Institute for Research in Biomedicine in Barcelona (IRB) untersuchten im Rahmen eines gemeinsamen EU-Projekts die Wechselwirkungen zwischen Zellen des menschlichen Vaginalepithels und den vier häufigsten Candida-Spezies, die eine vulvovaginale Candidiasis verursachen können.
Die Bioinformatiker in Barcelona und die Mikrobiologen in Jena charakterisierten die krankmachenden Eigenschaften der Pilze und untersuchten die Reaktionen der Epithelzellen im Zeitverlauf, um Einblicke in die Infektionsmechanismen und Immunabwehr zu erhalten. Dabei stießen sie auf mehrere Besonderheiten: Trotz der unterschiedlichen krankmachenden Eigenschaften der vier Candida-Spezies lösen sie in einem frühen Infektionsstadium den gleichen Abwehrmechanismus in der menschlichen Zelle aus.
"Wir fanden heraus, dass sich einige Mitochondrien - unsere zellulären Kraftwerke - kurz nach der Infektion in der infizierten Zelle opfern. Sie verändern ihre Form und geben ihre DNA in die Zelle ab. Dort gehört die mitochondriale DNA normalerweise nicht hin. Deshalb erkennt sie die Zelle als Alarmsignal und leitet daraufhin eine spezifische Immunantwort ein", erläutert Bernhard Hube, dessen Team die Untersuchungen in Jena durchführte. Er ist Professor für Mikrobielle Pathogenität an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Abteilungsleiter am Leibniz-HKI.
Die besondere Immunantwort
Eine weitere Besonderheit war die Art der Immunantwort: Sie wurde bisher als Abwehr gegen Virusinfektionen und auch einige Bakterien und Parasiten beobachtet. Es ist das erste Mal, dass sie als Reaktion auf eine Pilzinfektion nachgewiesen wurde.
"Der eingeleitete Signalweg war eine sogenannte Interferon-Typ-I-Antwort. Unsere Experimente zeigten, dass diese Antwort schützend gegen eine Candida-Infektion wirkt und entzündungsfördernde Reaktionen dämpft." führt Hube weiter aus. Die Wissenschaftler nehmen an, dass solch eine Immunantwort in Nischen relevant ist, die von eigentlich harmlosen Mikroben besiedelt sind. Dort toleriert der Wirt die Mikroorganismen ohne Entzündungen auszulösen.
"Das Wissen über die Infektionsprozesse und der Interaktion des Pilzes mit den Epithelzellen ist für die Entwicklung von effektiven therapeutischen Anwendungen ein wichtiger Meilenstein", hält der Mikrobiologe abschließend fest.
Die Studie wurde im Rahmen eines "Innovative Training Network" (ITN) durchgeführt. Zehn Partner aus sieben Ländern waren an dem inzwischen abgeschlossenen Vorhaben OPATHY beteiligt, das durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 der Europäischen Union gefördert wurde. "Die Förderung ermöglichte uns, mit exzellenten Partnern aus der EU zusammenzuarbeiten. Dieser konstruktive Austausch führt zu Forschungsergebnissen mit einem hohen Mehrwert", bilanziert Hube.
Quelle: Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie Hans-Knöll-Institut (HKI)