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05.11.2024

19.10.2018

Wie Eiweiß-Bruchstücke Elektronik-Schrott recyceln

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Ohne wichtige Schlüssel-Elemente, wie Kupfer oder die Metalle der Seltenen Erden, funktioniert weder die moderne Elektronik noch fließt elektrischer Strom. Ausgediente Energiesparlampen, Handys, Computer und Schrotte könnten eine wichtige Quelle für diese Rohstoffe sein, allerdings lassen sich die wertvollen Hightech-Metalle von dort nur schwer zurückgewinnen. Es sei denn, man angelt mit kleinen Eiweiß-Bruchstücken danach, die Forscher vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) und der Technischen Universität Bergakademie Freiberg gerade in der Zeitschrift "Research in Microbiology" vorstellen.

Die defekte Energiesparlampe und das ausgediente Handy wandern heutzutage mehr oder weniger zuverlässig über Sammelbehälter in Großmärkten und andernorts zu den Wertstoffhöfen. Für besonders wertvolle Inhaltsstoffe wie die Seltenen Erden Terbium, Yttrium oder Lanthan, die oft nur in geringen Konzentrationen vorliegen und die fest mit anderen Komponenten verbunden sind, gibt es allerdings häufig noch keine wirtschaftlichen Recyclingtechnologien. "Allein 25.000 Tonnen Leuchtpulver der ausgedienten Energiesparlampen dürften daher in der Europäischen Union bis zum Jahr 2020 gesammelt werden", berichtet die Biologin Dr. Franziska Lederer vom HZDR.

Fein verteilt stecken dort so exotisch klingende Verbindungen wie Yttrium-Oxid, Lanthan-Phosphat, Cer-Magnesium-Aluminium-Oxid und Barium-Magnesium-Aluminium-Oxid, die Spuren von Terbium, Cer, Europium und anderen Seltenen Erden enthalten. Die Seltenen Erden wiederum, ohne die weder Plasmabildschirme, noch Generatoren von Windkraftanlagen oder Elektromotoren für Autos mit Hybrid-Antrieb funktionieren, wurden in den vergangenen Jahren fast ausschließlich in China gewonnen. Export-Beschränkungen können daher die hiesigen Schlüsseltechnologien massiv in Mitleidenschaft ziehen.

Die Nachwuchsgruppe "BioKollekt", die Dr. Lederer seit dem 1. Oktober 2018 am Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF) - einem Institut des HZDR - leitet, beschäftigt sich deshalb mit neuartigen Technologien, um Seltene Erden beispielsweise aus dem Leuchtpulver ausgedienter Energiesparlampen zu gewinnen. Mit diesen Methoden können aber auch wichtige Metalle wie Kupfer und Gold aus dem Abraum von Bergwerken gewonnen oder Plastik sortiert und wiederverwendet werden.

Das Vorbild für diese Techniken findet die Biologin bei Viren, die auf Bakterien spezialisiert sind. Die Hülle dieser winzigen "Bakteriophagen" besteht aus rund 4.000 Proteinen. An diese wurden mit molekularbiologischen Methoden kurze Protein-Bruchstücke geheftet, die acht bis 16 Proteinbausteine lang sind. Von diesen Peptiden gibt es viele unterschiedliche Formen, Franziska Lederer kann daher mit einer Milliarde Bakteriophagen forschen, die jeweils unterschiedliche Peptide besitzen. Eine solche Sammlung nennen Molekularbiologen eine "Bibliothek".

"Die Peptide können kleine Taschen formen, in die bestimmte Mini-Strukturen passen", erklärt die Biologin. Dabei kann es sich zum Beispiel um das Seltene-Erd-Element Terbium handeln. Bringt die Forscherin ihre Bakteriophagen-Bibliothek mit einer solchen reinen Terbium-Verbindung zusammen, die an einer festen Oberfläche hängt, bleiben beim Abwaschen die Bakteriophagen hängen, in deren Peptid-Tasche die Terbium-Verbindung recht gut passt.

Vermehren bis zur perfekten Passfähigkeit

In einem zweiten Durchgang verschärfen die Forscher dann die Bedingungen, so dass nur noch die Bakteriophagen hängen bleiben, in deren Peptid-Tasche die Terbium-Verbindung sehr gut passt. Jetzt folgt eine Analyse des Abschnitts im Erbgut dieser Bakteriophagen, der die Bauanleitung für das Peptid enthält. Nach dieser Bauanleitung lässt Franziska Lederer dann die passenden Peptide für die Terbium-Verbindung anfertigen.

Diese Peptide werden nun zum Beispiel an Partikel aus einem magnetischen Material geheftet. Mischt man diese Teilchen mit dem Leuchtpulver von Energiesparlampen in einer Brühe, dann heften sie sich dort an die enthaltenen Terbium-Verbindungen. Anschließend fischen die Forscher mit einem Magneten die Partikel samt den Seltenen Erden wieder heraus. Nach dem Entfernen der Terbium-Verbindungen können die Teilchen mit den Peptiden wieder zum Recyceln eingesetzt werden. "Mit dieser Methode können wir spezifische Peptide für unterschiedliche Seltene Erden, aber auch für wichtige Metalle wie Kupfer, Gold oder verschiedene Platin-Metalle gewinnen und mit ihnen die jeweiligen Substanzen aus sehr verdünnten und komplexen Gemischen extrahieren", erklärt Franziska Lederer.

Die Erfinder dieser Phagen-Display-Methode wurden vor kurzem mit dem Nobelpreis für Chemie 2018 geehrt; lange vorher hatte die Dresdner Nachwuchsgruppenleiterin die Bakteriophagen-Bibliotheken aus der Gruppe des frisch gebackenen Nobelpreisträgers George Smith an der amerikanischen University of Missouri erhalten. Da andere Wissenschaftler die Phagen-Methode bisher nur für biologische Verfahren wie der Herstellung von Antikörpern verwenden, leisten die HZDR-Forscher beim Recyceln von Metallen echte Pionierarbeit.

Die spezifischen Peptide lassen sich auch an Styropor-Kügelchen anheften. Mit der jeweiligen, gebundenen Substanz schwimmen diese Kügelchen in einem Container an die Oberfläche des Wassers und können einfach abgeschöpft werden. Mit solchen Methoden könnten auch Erze aus den Abraumhalden von Bergwerken gewonnen werden, in denen noch Spuren dieser Erze vorhanden sind.

"Vielleicht können wir auch Peptide isolieren, die spezifisch bestimmte Kunststoffe binden", überlegt Franziska Lederer. Bisher werden Plastik-Abfälle nämlich häufig verfeuert, weil sie ein Gemisch verschiedener Kunststoffe enthalten. Die Peptide der HZDR-Gruppe aber könnten diese Abfall-Mischungen in Zukunft vielleicht sortieren und so ein echtes Recycling einleiten. "Unsere Forschung steht noch am Anfang und eine praktische Anwendung wird noch einige Zeit auf sich warten lassen. Unser Ziel ist es, mit unserer innovativen Technologieplattform das Recycling erheblich zu verbessern."

» Originalpublikation

Quelle: Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR)