10.06.2016
Glutathion als Schutzschild gegen Uran
Mikroorganismen können das Schwermetall Uran besser vertragen, wenn Glutathion vorliegt, ein aus drei Aminosäuren aufgebautes Molekül. Das haben Wissenschaftler vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) und der Universität Bern jetzt nachgewiesen, indem sie den Wärmehaushalt von Zellen genau unter die Lupe nahmen. Dabei fanden sie heraus, dass Glutathion als effizientes Entgiftungsmittel wirkt. Die Untersuchungen liefern wichtige Erkenntnisse für die biologische Sanierung von Abraumhalden und anderen belasteten Gebieten mithilfe von Bakterien oder Pflanzen.
Lebende Zellen sind kleine Kraftwerke, in denen eine Vielzahl von chemischen Reaktionen abläuft. Dabei werden winzige Wärmemengen frei. Setzt man Zellen Uran aus, kurbelt das ihren Stoffwechsel an, ohne aber zu gesteigertem Wachstum zu führen. Diese Extraarbeit ist als erhöhte Wärmeabgabe der Organismen nachweisbar - ein Zeichen für ihren Kampf gegen das Gift. Das vierköpfige HZDR-Team (Dr. Muhammad H. Obeid, Dr. Jana Oertel, Prof. Marc Solioz, Prof. Karim Fahmy) hat eine sehr empfindliche Methode aufgebaut, die sogenannte Mikrokalorimetrie, mit der diese Leistung gemessen werden kann - selbst wenn sie nur im Bereich von einem Mikrowatt liegt.
Die Forscher ermitteln bei ihren Versuchen zudem die Zellzahl der Kulturen und registrieren so, wie sich die Zellen teilen und wachsen. Karim Fahmy fasst die Ergebnisse zusammen: "Wir haben festgestellt, dass der Stoffwechsel mit Uran ineffizienter wird. Die Zellen produzieren mehr Wärme, aber nicht mehr Zellen. Sie fiebern quasi!" Die Organismen verwenden ihre Energie offenbar für Abwehrmechanismen statt für Wachstum. Ein ganz anderes Bild ergibt sich, wenn Glutathion zugegen ist. Dann nämlich wachsen die Zellen weiterhin. "Glutathion senkt die chemische Toxizität von Uran. Die Zellen halten die Belastung besser aus", sagt der Biophysiker.
Für die Untersuchungen wurde ein Bakterium aus der Käseherstellung gewählt, Lactococcus lactis. Die Forscher nutzten einen Stamm, der über eine künstlich eingebaute Erbanlage für die Glutathion-Herstellung verfügt. Das Gen kann wahlweise ein- oder ausgeschaltet werden. So lässt sich genau kontrollieren, ob die Zellen Glutathion herstellen oder nicht. Karim Fahmy: "Wir haben damit ein sauberes Modell vorliegen und müssen das Glutathion nicht von außen zugeben." Störende Faktoren sind somit ausgeschlossen.
Die neuen Erkenntnisse über die schützende Wirkung von Glutathion sind wichtig für innovative Strategien der biologischen Schwermetall-Dekontamination in der Umwelt. Mit dieser sogenannten Bioremediation versucht man, Pflanzen oder Bakterien für die Sanierung von belasteten Standorten einzuspannen. Die Organismen nehmen die Schadstoffe auf, die über eine nachfolgende "Ernte" kontrolliert aus dem Bereich entfernt werden. Das Verfahren erscheint auch für Uran-Dekontaminationen geeignet. Wie aus den Erkenntnissen der HZDR-Forscher deutlich wird, sollte man dabei bevorzugt auf solche Organismen setzen, die über eine eigene Glutathion-Biosynthese verfügen, wie z.B. Cyanobakterien.
Glutathion ist schon länger als "Entgifter" im Gespräch, da es zu den Antioxidantien zählt und beispielsweise freie Radikale unschädlich macht. Allerdings fehlte es bislang an handfesten Nachweisen für seine schützende Wirkung gegen Uran. Die Dresdner Forscher haben dies nun nachgeholt. Besonders aussagekräftig sind die Ergebnisse, da sie an lebenden Organismen gewonnen wurden.
Unlöslicher und deshalb ungiftiger Komplex
Die Forscher konnten weiterhin Anhaltspunkte gewinnen, wie das Zusammenspiel von Schwermetall und Glutathion funktioniert. Karim Fahmy: "Wir sehen, dass Uran an die Carboxylgruppe von Glutathion bindet. Das ergibt einen unlöslichen Komplex, der nicht mehr giftig ist." Dies gilt für den untersuchten Konzentrationsbereich von 10 bis 150 Mikromol Uran - einem Gehalt, der typischerweise an belasteten Standorten im Erzgebirge vorliegt. Bei Kupfer, so ergaben Vergleichsmessungen, laufen dagegen ganz andere Reaktionen im Zellinnern ab. Glutathion vermag hier keine schützende Wirkung zu entfalten. Die Messung von Stoffwechselwärmen für die umweltrelevante Risikobewertung von Schwermetallen wird am Institut für Ressourcenökologie des HZDR intensiv vorangetrieben. Die einzigartige Möglichkeit, dort auch mit radioaktiven Metallen zu arbeiten, erzeugt völlig neue Erkenntnisse über die Wirkung gering konzentrierter medizinisch und umweltbiologisch relevanter Radionuklide auf Organismen.
Quelle: Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR)