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07.12.2024

20.08.2015

Massenspektrometrische Untersuchung antibiotischer Substanzen und ihrer bakteriellen Produzenten


Mikroben sind die ältesten und erfolgreichsten Organismen auf unserem Planeten. Sie kommunizieren und wirken aufeinander ein, indem sie sich der Chemie als Sprache bedienen. Während die Forschung in den letzten Jahrzehnten faszinieren Einblicke in die chemischen Wechselwirkungen von Mikroorganismen im Labor ermöglichte, ist das Verständnis der komplexen Interaktionen in der Natur noch immer eine große Herausforderung. Die Produktion bestimmter Moleküle individuellen bakteriellen Zellen oder zumindest Zellpopulationen in komplexen Umweltproben zuzuordnen, spielt dabei eine Schlüsselrolle. Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie ist in Zusammenarbeit mit der Firma Thermo Fisher Scientific ein entscheidender Schritt in diese Richtung gelungen: Sie konnten die Verteilung von Antibiotika und ihrer Produzenten in natürlichen Proben gleichzeitig sichtbar machen.

Seit der Entdeckung des Penicillins durch Alexander Fleming im Jahr 1928 haben Antibiotika die Humanmedizin revolutioniert, indem sie die erfolgreiche Behandlung zahlreicher Infektionskrankheiten ermöglichten. Die medizinische Anwendung von Antibiotika führte zu der Annahme, dass diese Verbindungen in der Natur von den produzierenden Mikroorganismen ebenfalls als Waffen im Kampf gegen konkurrierende Lebewesen eingesetzt werden. Allerdings zeigten Entdeckungen aus jüngerer Zeit, dass geringe Mengen antibiotischer Substanzen die Genexpression des Zielorganismus beeinflussen können, ohne diesen zu schädigen. Dies legt nahe, dass die Substanzen Signalfunktionen haben könnten. Im Allgemeinen ist trotz der immensen Bedeutung für die Humanmedizin wenig über die Ökologie von Antibiotika bekannt, insbesondere was ihre Funktionen im natürlichen Kontext betrifft. Ein Hauptproblem stellt dabei die Schwierigkeit dar, Antibiotika in komplexen Umweltproben zu entdecken und zu quantifizieren, und darüber hinaus ihre Produktion und ihre Wirkung in situ zu beobachten.

Um genau dies zu erreichen, konzentrierten sich die Wissenschaftler auf ein vergleichsweise einfaches System, an dem nur eine begrenzte Anzahl von interagierenden Lebewesen beteiligt ist: die Verteidigungs-Allianz zwischen Europäischen Bienenwölfen Philanthus triangulum, einer Grabwespenart, und Bakterien der Gattung Streptomyces. In dieser Symbiose werden die Bakterien in speziellen Reservoiren in den Antennen weiblicher Bienenwölfe kultiviert und später auf die Kokons des sich entwickelnden Nachwuchses übertragen. So ist der Bienenwolfnachwuchs während der langen Periode des Überwinterns im Boden vor Schimmelpilzen geschützt. Die Kenntnis über die Anwesenheit der Symbiose-Bakterien sowie der Antibiotika, die sie auf dem Bienenwolfkokon produzieren, stellte eine ausgezeichnete Grundlage für die Wissenschaftler dar, eine Methode für die gleichzeitige Lokalisierung bakterieller Zellen und ihrer Stoffwechselprodukte in einer Umweltprobe zu entwickeln.

Die Messung der Antibiotika auf dem Bienenwolfkokon wurde mit Hilfe bildgebender massenspektrometrischer Verfahren (MS Imaging) bewerkstelligt. Es handelt sich dabei um eine Analysetechnik, die einen eng fokussierten Laserstrahl nutzt, um Verbindungen von der Oberfläche einer Probe zu trennen und sie zu ionisieren und die daraus resultierenden Molekülionen in einem Massenspektrometer zu analysieren. "Obwohl die laterale Auflösung des MS-Imaging immer noch begrenzt ist, hat es ein enormes Potenzial für das Aufspüren und Sichtbarmachen von chemischen Verbindungen in der Natur, weil es ein breites Einsatzspektrum für eine Vielzahl von Substanzen gibt", kommentiert Aleš Svatoš, der Leiter der Arbeitsgruppe Massenspektrometrie. Auf der äußeren Oberfläche von Bienenwolfkokons konnte das MS-Imaging eine ungleichmäßige, aber ausgedehnte Verbreitung der Antibiotika Piericidin A1 und B1 nachweisen. Anschließend wurden die Kokons einer Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) unterzogen: Indem man mit Hilfe eines Fluoreszenzfarbstoffs markierte Sonden an die RNA der Bakterien bindet, können individuelle Symbiontenzellen unter dem Fluoreszenzmikroskop sichtbar gemacht werden. Durch das Anbringen von Farbmarkierungen an den Proben, die sowohl im MS-Imaging als auch in der FISH sichtbar sind, konnten die Wissenschaftler die resultierenden Bilder beider Verfahren kombinieren. Auf diese Art und Weise wurden die individuellen Symbiontenzellen sowie die Menge der sie umgebenden Antibiotika gleichzeitig sichtbar gemacht. "Beide Methoden waren vorher bekannt, aber keiner hatte sie bisher miteinander kombiniert. Die Stärke dieses Ansatzes liegt vor allem darin, dass FISH das Potenzial hat, individuelle Zellen in komplexen Proben zu lokalisieren und zu identifizieren, während das MS-Imaging gleichzeitig die Detektion ökologisch relevanter chemischer Verbindungen erlaubt", meint Martin Kaltenpoth, der Leiter der Max-Planck-Forschungsgruppe Insektensymbiosen war und inzwischen Professor an der Universität Mainz ist.

Die Welt ist voller Mikroorganismen, und diese Kleinstlebewesen haben einen enormen Einfluss auf alles Leben auf unserem Planeten. Das Verständnis darüber, wie sie miteinander und mit anderen, mehrzelligen Lebewesen in Wechselwirkung treten, stellt daher eine fundamentale Frage in der Biologie dar. Das Aufspüren und Sichtbarmachen von natürlichen chemischen Verbindungen und die gleichzeitige Identifizierung ihrer mikrobiellen Produzenten ist ein wichtiger erster Schritt, um irgendwann einmal solche komplexen Wechselwirkungen direkt beobachten zu können. Dann könnten wir irgendwann auch die ursprünglichen Funktionen von antibiotischen Substanzen und vieler anderer von Mikroorganismen produzierten Verbindungen in der Natur verstehen.

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Quelle: Max-Planck-Institut für chemische Ökologie (MPICE)