18.08.2014
Interstellarer Staub ist deutlich heterogener als bisher angenommen
Licht im Dunkel des Universums: Mit der Untersuchung von interstellarem Staub ist ein internationales Wissenschaftlerkonsortium der sogenannten Urmaterie auf der Spur, die als Grundlage für Leben gilt, wie wir es kennen. Das Konsortium aus 33 Forschungseinrichtungen, dem auch Wissenschaftler der Universität Heidelberg angehören, analysiert seit acht Jahren Staub aus interstellarer Materie, der von der Raumsonde Stardust eingefangen wurde. In einer Studie in "Science" und elf Begleitpublikationen wurden nun erste Ergebnisse veröffentlicht. Diese zeigen, dass die Teilchen in ihrer Elementzusammensetzung, Kristallstruktur und Größe heterogen sind und deutlich von bisher angenommenen Eigenschaften abweichen.
"Der Weltraum zwischen den Sternen unserer Milchstraße ist nicht völlig leer, er enthält immerhin einige Prozent der gesamten Masse. Diese sogenannte interstellare Materie ist extrem wichtig, da aus ihr neue Sterne und Planetensysteme entstehen", erläutert Prof. Dr. Mario Trieloff den Hintergrund der Untersuchungen. Der Geowissenschaftler der Universität Heidelberg koordiniert das DFG-Schwerpunktprogramm "Die ersten zehn Millionen Jahre des Sonnensystems", in dessen Rahmen Wissenschaftler verschiedener deutscher Forschungseinrichtungen an dem internationalen Konsortium beteiligt sind. Der größte Teil der interstellaren Materie ist Gas aus Wasserstoff und Helium, nur ein Hundertstel davon ist Staub, der auch alle schweren Elemente enthält. "Diese schweren Elemente im interstellaren Staub sind letztlich der Baustoff für die terrestrischen oder erdähnlichen Planeten", erklärt Prof. Trieloff.
Die Raumsonde Stardust brachte 2006 zusammen mit den ersten Staubproben eines Kometen erstmals Proben dieser Urmaterie mit zur Erde. Dafür war mit speziellen Kollektoren interstellarer Staub aus unserem Sonnensystem eingefangen worden. Diese Staubteilchen waren sowohl kleiner als auch seltener als der Kometenstaub. Das internationale Wissenschaftlerkonsortium unter Leitung der Universität Berkeley untersuchte acht Jahre lang intensiv diese Kollektoren. Diese bestanden aus einem extrem leichten Aerogel, um die Teilchen möglichst schonend abzubremsen und intakt zu sammeln, denn die erwarteten Aufschlaggeschwindigkeiten betrugen bis zu 50 Kilometer pro Sekunde, was 180.000 Stundenkilometern entspricht.
Zunächst mussten diese "Staubfänger" nach Einschlagspuren untersucht werden, wofür mikroskopische Scans erstellt wurden. Diese 1,5 Millionen Bilder wurden von weltweit 34.000 Amateuren, die dafür in einem speziellen Online-Trainingsprogramm eingelernt wurden, optisch inspiziert. "Um vielversprechende Einschlagspuren überhaupt zu erkennen und von ihnen auf die Einschlaggeschwindigkeit und andere Eigenschaften der einschlagenden Teilchen wie Masse, Porosität oder chemische Zusammensetzung rückschließen zu können, wurde Kollektormaterial in Heidelberg in Kooperation mit der Universität Stuttgart unter Leitung von Dr. Ralf Srama mittels eines weltweit einzigartigen Staubbeschleunigers beschossen, um den Einschlagprozess zu simulieren und zu kalibrieren", erklärt Mario Trieloff. Weitere Einschlagspuren wurden an der Goethe-Universität Frankfurt von der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Frank Brenker mittels hochempfindlicher nano-Synchrotron-Röntgenfluoreszenz und am Max-Planck-Institut für Chemie mittels hochauflösender Rasterelektronenmikroskopie analysiert.
"Bislang konnten nur wenige große Teilchen untersucht werden: Zwei Teilchen mit den Namen Orion und Hylabrook wurden in Aerogel eingefangen, ein weiteres hinterließ nur eine Einschlagspur, vier Teilchen erzeugten Einschläge auf Folien zwischen den Aerogel-Waben", erläutert Prof. Trieloff die ersten Untersuchungsergebnisse. Diese Teilchen sind entgegen den gängigen Vorstellungen und Modellen nicht vollständig amorph, sondern eine Mischung aus verschiedenen Mineralen, also auch kristallin. Zum ersten Mal wurden Silikate wie Olivin und Oxide wie Spinell definitiv nachgewiesen, die nicht dem aus Meteoriten bekannten kohlenstoffreichen Sternenstaub entsprechen. Zudem handelt es sich auch nicht um silikatische Hochtemperaturkondensate. Die Elementzusammensetzung entspricht in Teilen dem kosmischen Durchschnitt, es gibt aber wichtige Abweichungen, etwa Defizite des Elements Kalzium oder Überschüsse des Elements Aluminium. "Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Teilchen heterogen bezüglich ihrer Elementzusammensetzung, Kristallstruktur und Größe sind. Der Anteil kristalliner Komponenten ist höher als bislang vermutet, es gibt unterschiedliche eisenhaltige Phasen, darunter Sulfide. Somit weichen diese Teilchen deutlich von den bisher mittels astronomischer Beobachtungen und Modellierungen abgeleiteten Durchschnittseigenschaften ab."
Wie der Geowissenschaftler betont, stehen zum ersten Mal im Labor Staubproben aus dem zeitgenössischen interstellaren Medium zur Verfügung, die so kostbar sind, dass mit Erlaubnis der NASA bislang nur zerstörungsfreie Messungen durchgeführt werden durften. "Diese haben allerdings nur eine begrenzte Genauigkeit, die Analytik für so kleine Teilchen muss in den nächsten Jahren erst noch entwickelt werden. Spätere Untersuchungen werden vermutlich noch überraschendere Ergebnisse zutage bringen. Darüber hinaus befinden sich in den Kollektoren wahrscheinlich noch viele weitere unentdeckte Teilchen. Es stehen also wohl noch weitere wissenschaftliche Entdeckungen bevor."
Quelle: Universität Heidelberg