14.01.2009
EU-Parlament macht den Weg frei für das Verbot besonders gefährlicher Pestizide
Das Europäische Parlament stimmte heute in Straßburg über neue Gesetze zur Vermarktung und Anwendung von Pestiziden ab. Die Mehrheit der Abgeordneten votierte für neue Regelungen, die das Aus für besonders gefährliche Pestizide in der EU bedeuten. PAN Germany begrüßt die Entscheidung, die zum Ausklang der Legislaturperiode und für die Neuwahlen des EU-Parlaments im Juni 2009 das wichtige Signal sendet, die konventionelle Produktion von Lebensmitteln zukünftig besser am Verbraucher- und Umweltschutz auszurichten.
PAN-Geschäftsführerin Carina Weber: "Nach drei langen Verhandlungsjahren freuen wir uns über dieses Resultat. Allerdings fanden viele Verbesserungsvorschläge des Parlaments nicht die Unterstützung des Agrarrats, so dass wichtige Punkte in dem vorliegenden Kompromissvorschlag nicht mehr enthalten sind. Andererseits sind jedoch wichtige neue Konzepte wie Ausschlusskriterien, das Substitutionsprinzip oder die Verpflichtung zu nationalen Aktionsplänen eingeführt worden, die mittelfristig einen großen Schritt für den Gesundheitsschutz für Landwirte, für Verbraucher und für den Schutz unserer Umwelt bedeuten".
"Wir bemängeln", so PAN-Expertin Susanne Smolka, "dass nach der neuen Zulassungsverordnung Pestizide, die das Immun- und Nervensystem schädigen oder die gefährlich für Bienen sind, weiter eingesetzt werden dürfen, wenn auch unter strengeren Prüfungen. Erfreulich ist, dass der Exposition mit solchen Stoffen ein Riegel vorgeschoben wird, die bekanntermaßen Krebs auslösen, das Erbgut schädigen, die Fortpflanzung beeinträchtigen oder das Hormonsystem beeinflussen können".
Nach einer aktuellen Kalkulation der schwedischen Chemikalienbehörde sind zurzeit 22 Wirkstoffe von den knapp 400 erlaubten Stoffen von diesem Ausschluss betroffen. Bedauerlich ist, dass der Agrarrat an seiner Position festgehalten hat, den Einsatz dieser Stoffe über Ausnahmegenehmigungen für weitere fünf Jahre zu ermöglichen.
Weit reichend ist die Einführung einer Liste mit problematischen Pestizid-Wirkstoffen, die nur noch dann in einem Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden dürfen, wenn keine anderen unbedenklicheren Produkte oder nicht-chemische Verfahren als Alternative zur Verfügung stehen. In der Praxis dürfen Substitutionskandidaten jedoch wiederholt zugelassen werden, wenn es keine Alternativen gibt. Unklar bleibt, wie die Industrie motiviert werden soll, unter diesen Voraussetzungen innovativ an der Entwicklung von unbedenklichen Alternativverfahren zu arbeiten.
Aus PAN-Sicht geht die neue Gesetzgebung in die richtige Richtung, die einzelnen Schritte hätten aber größer ausfallen können. Besonders beim Umgang mit Pestiziden wird es darauf ankommen, welches Engagement die Regierungen der Mitgliedsstaaten in die Umsetzung der neuen Rahmenrichtlinie stecken. Die Bundesregierung ist aufgefordert, eindeutige und kulturspezifische Definitionen für das integrierte Pflanzenschutzmanagements zu entwickeln, welches nach EU-Vorgaben 2014 verpflichtend eingeführt werden muss. Zudem sind quantitative Ziele, Maßnahmen und Zeitpläne zur Reduktion des Risikos und der Einsatzintensität von Pestiziden, die die Bundesregierung nach den EU-Vorgaben zu entwickeln hat, in den deutschen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln einzuführen.
Bis zur letzten Minute hatten noch EU-Abgeordnete des konservativen, industriefreundlichen Lagers um die britischen Abgeordneten Neil Parish und Robert Sturdy versucht, durch Änderungsvorschläge den Entwurf aufzuweichen. Die Mehrheit der EU-Abgeordneten erteilten ihnen aber eine Abfuhr und unterstützten den im Trialogverfahren zwischen EU-Kommission, Parlamentarischen Umweltausschuss und den Agrarministern abgestimmten Kompromissvorschlag. Die Zustimmung des Rates, die voraussichtlich Ende Januar erfolgt, wird den formalen Abschluss einer sehr anspruchsvollen Erneuerung der Pestizidgesetzgebung in Europa bilden.
Quelle: Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN)