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30.06.2024

21.10.2008

Klinische Studien neuer Medikamente optimiert: Schätzverfahren um 40 Prozent verbessert

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Auf der Suche nach der "minimalen effektiven Dosierung" bei klinischen Studien mit neuen Medikamenten vergeht viel Zeit. Dem Bochumer Mathematiker Prof. Dr. Holger Dette ist es in Zusammenarbeit mit Forschern der Universität St. Petersburg und der Firma Novartis nun gelungen, die Genauigkeit der zugrundeliegende Schätzverfahren um 40 Prozent zu verbessern. Erstmals lässt sich die optimale Dosierung bereits anhand von Daten aus der ersten Testphase bestimmen, so dass das Verfahren, ein Medikament zuzulassen, in Zukunft erheblich beschleunigt und präzisiert werden kann.

Bis ein neues Medikament für den Markt zugelassen wird, vergeht viel Zeit. In dreiphasigen klinischen Studien suchen Wissenschaftler, Ärzte und Pharmaunternehmen stets nach der "minimalen effektiven Dosierung". Das ist der optimale Punkt, an dem ein Medikament am besten wirkt und gleichzeitig die Nebenwirkungen möglichst unbedenklich sind, ermittelt in Experimenten an Probanden mit statistischen Methoden. Dem Bochumer Mathematiker Prof. Dr. Holger Dette ist es in Zusammenarbeit mit Forschern der Universität St. Petersburg und der Firma Novartis nun gelungen, die Genauigkeit der zugrundeliegende Schätzverfahren um 40 Prozent zu verbessern. Erstmals lässt sich die minimale effektive Dosierung bereits anhand von Daten aus der ersten Testphase bestimmen, so dass das Verfahren, ein Medikament zuzulassen, in Zukunft erheblich beschleunigt und präzisiert werden kann. Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher im renommierten "Journal of the American Statistical Association".

In Phase I der klinischen Prüfung nehmen relativ wenige Probanden ein Medikament in zunächst sehr niedriger Dosierung ein, die dann allmählich gesteigert wird. Erweist sich das Präparat als verträglich, beginnt Phase II mit mehreren hundert Freiwilligen, um die Wirksamkeit in der Behandlung einer bestimmten Krankheit zu untersuchen. Erst hier beginnt bisher die Suche nach der optimalen Dosierung, zudem ermitteln Forscher kurzfristig auftretende Nebenwirkungen. Mit der aus diesen Studien gewonnenen Dosierung startet Phase III, eine kostenintensive und groß angelegte, so genannte konfirmatorische Studie mit mehreren tausend Patienten, um die Ergebnisse zu bestätigen.

"Ein ungenügendes Verständnis des Dosis-Wirkungs-Zusammenhangs in Phase I und II kann gravierende Auswirkungen auf die Schätzung der optimalen Dosierung haben", so Prof. Dette - und somit ernsthafte ethische Konsequenzen (ein bei angemessener Dosierung geeignetes Medikament steht den Kranken nicht zur Verfügung) sowie wirtschaftliche Folgen (ein bei richtiger Dosierung wirksames Medikament wird nicht für den Markt zugelassen). Die Forscher um Prof. Dette haben die Modellierung des Dosis-Wirkungs-Zusammenhangs für Phase III substanziell verbessert. Erstmals ist es dadurch möglich, bereits aus Phase I und Phase II genügend Informationen zu gewinnen, um die minimale effektive Dosis eines Medikaments richtig und zuverlässig zu schätzen und diese direkt in Phase III der klinischen Studien einzusetzen.

Entscheidend für diesen Erfolg sind neue Methoden der optimalen Versuchsplanung, die die Bochumer Mathematiker seit Jahren erforschen und weiterentwickeln, finanziert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm "Mathematik in Innovation und Dienstleistung". So koordinieren sie zum Beispiel das Verbundprojekt SKAVOE (Sicherere und kosteneffizientere Arzneimittelentwicklung unter Verwendung von optimalen Experimentdesigns), gefördert vom BMBF mit rund 700.000 Euro. Das National Institute of General Medical Sciences (NIHGMS) der Vereinigten Staaten finanziert darüber hinaus ein gemeinsames Forschungsprojekt der RUB, der University of California, Los Angeles, und der University of New York, Stony Brook. Ziel ist, die Genauigkeit wissenschaftlicher Experimente zu verbessern und damit Kosten zu sparen. Die deutschen und amerikanischen Projektpartner erstellen eine Internetplattform, auf der Anwender online optimale Versuchsanordnungen zusammenstellen bzw. die Effizienz der von ihnen vorgesehen Versuchsanordnungen ermitteln lassen können. Dieses Projekt läuft noch bis zum Sommer 2009. Eine erste Version der Plattform ist bereits für Anwender verfügbar.

Quelle: idw / Universität Bochum