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30.06.2024

07.02.2007

Freies Elektronenpaar als mögliche Ursache für die toxische Wirkung von Blei

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Spekulationen zufolge soll sie beim Untergang des römischen Imperiums eine Rolle gespielt haben: die Bleivergiftung, verursacht durch das Aufkonzentrieren von Traubensaft in Bleigefäßen. Durch die Einführung von bleifreiem Benzin ist die Umweltbelastung zwar zurückgegangen, doch die jährliche Bleiproduktion ist weltweit steigend, da Blei immer noch für Batterien, Gläser, Keramik und elektronische Bauteile eingesetzt wird. Wie die toxischen Wirkungen von Blei auf der molekularen Ebene zustande kommen, ist bisher recht wenig erforscht. Französische Wissenschaftler haben anhand von quantenchemischen Betrachtungen an sehr einfachen Enzymmodelle neue Erkenntnisse gewonnen. Wie sie in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichten, scheint der "Elektronenschild" am Blei der Hauptschuldige zu sein.

Blei schädigt vor allem Nervensystem, Nieren, Leber, Hirn und das blutbildende System - besonders schwerwiegend sind die Schäden bei Kindern, da diese irreversibel sein können. Für eine Entgiftung stehen Komplexbildner zur Verfügung, die Metallkationen in die Zange nehmen und ausschwemmen. Diese Mittel sind jedoch nicht bleispezifisch, sondern entziehen dem Körper zusätzlich andere wichtige Metallkationen.

Christophe Gourlaouen und Olivier Parisel (Laboratoire de Chimie Théorique, Université Paris VI) sahen sich zwei Proteine genauer an, an die Blei bindet. Calmodulin, ein calciumbindendes Protein, spielt eine wichtige Rolle beim Transport von Calciumkationen im menschlichen Körper. Ein Calciumion bindet an sieben Liganden in den aktiven Zentren des Enzyms. Wird eines der möglichen vier Calciumionen in Calmodulin durch Blei ersetzt, bleibt dieses zwar auch annähernd siebenfach koordiniert, aber dieses aktive Zentrum wird verzerrt und arbeitet nicht mehr richtig. Die drei übrigen Zentren werden in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt.

Die delta-Aminolävulinsäure-Dehydratase ist für die Biosynthese des roten Blutfarbstoffs essenziell. Ihre Hemmung stört die Blutbildung bis hin zur Blutarmut. Im aktiven Zentrum bindet ein Zinkion an vier Liganden, drei davon enthalten Schwefelatome. Wenn Blei Zink ersetzt, bindet dieses nur noch an die drei Schwefelatome. Grund ist ein freies Elektronenpaar des Bleikations, das sich wie ein elektronischer Schild auf die eine Seite des Bleis legt und den vierten Liganden abstößt. Diese massive geometrische Verzerrung am aktiven Zentrum könnte erklären, warum Blei das Enzym inhibiert.

Das unterschiedliche Verhalten von Blei in diesen Enzymen belegt, dass Blei Komplexe eingehen kann, bei denen die Metall-Ligand-Bindungen entweder in alle Raumrichtungen weisen können - oder aber nur in eine Hemisphäre, während die andere Hemisphäre durch das freie Elektronenpaar ausgefüllt wird. Diese Beobachtung könnte beim Design zukünftiger bleiselektiver Entgiftungsmittel helfen.

Vollständiger Artikel: Angewandte Chemie 2007, 119, 559-562

Quelle: Angewandte Chemie