03.05.2007
Neues Testverfahren ersetzt Hautreizungstests bei Kaninchen
Der Beratende Wissenschaftliche Ausschuss des Europäischen Zentrums zur Validierung alternativer Methoden (ECVAM) hat heute die Validierung fünf neuer "in-vitro"-Tests bekannt gegeben. Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung eines Verzichts auf Kaninchenversuche für Haut- und Augenreizungsprüfungen. Die Tests werden für eine Vielzahl täglicher Gebrauchsgegenstände, wie Spülmittel, Gesichtscreme oder Make-up, und buchstäblich Tausende von Chemikalien angewandt, die im Rahmen der neuen REACH-Chemikalienverordnung bewertet werden müssen. Einer der validierten Tests, der das Verhalten menschlicher Haut simuliert und das Hautreizungspotenzial von Chemikalien mit großer Genauigkeit und Präzision bestimmen kann, wird somit Kaninchenversuche ganz ersetzen. Zwei weitere Tests sind in der Lage, Auslöser schwerer Augenreizungen zu identifizieren, wodurch auch Augentests an lebenden Kaninchen künftig wegfallen dürften. Darüber hinaus macht es eine neue validierte Teststrategie für Hautallergien möglich, Tierversuche zu halbieren und in Einklang mit der REACH-Verordnung bis zu 240 000 Mäuse einzusparen. Diese Tests, die von einem Ausschuss aus Vertretern von Mitgliedstaaten und Industrie, Akademikern und Tierschutzorganisationen validiert wurden, müssen nunmehr von Regelungsbehörden und den Mitgliedstaaten angenommen werden. Die Funktion des ECVAM, das seinen Sitz in der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission hat, ist es, Tierversuche zur Ermittlung des Reizungspotenzials von Kosmetika, Arzneimitteln und Chemikalien zu ersetzen, zu verfeinern und zu reduzieren.
Die beiden heute validierten Hautreizungstestsests wurden von der Industrie und Privatunternehmen entwickelt und durch das ECVAM validiert. Bei den Tests werden in-vitro-Zellkulturen verwendet, um das Hautreizungspotenzial von Chemikalien zu prüfen; mit Hilfe einer realistischen Nachbildung der Eigenschaften menschlicher Haut lassen sich dann reizende und reizungsfreie Chemikalien feststellen. Diese Tests sind das Ergebnis dreijähriger Arbeiten von 9 privaten und öffentlichen Laboratorien in der EU und in den USA. Die Validierung durch das ECVAM ist ein wichtiger Schritt, denn sie bietet die Gewähr, dass diese Tests an die Stelle von Tierversuchen treten können und gleichzeitig garantieren, dass die Verbraucher vor potenziell gefährlichen Inhaltsstoffen geschützt werden.
Potenziell hautreizende Stoffe, z. B. Kosmetika, deren Inhaltsstoffe und alle neuen Chemikalien, müssen getestet werden, damit das Risiko, das sie für den Menschen darstellen, in der Kennzeichnung korrekt angegeben werden kann. Alle derartigen Risikoprüfungen werden derzeit an Tieren durchgeführt (ca. 20 000 pro Jahr, vor allem Kaninchen). Solche Tests sind jedoch nicht nur aus Gründen des Tierschutzes unbefriedigend, sondern auch im Hinblick auf ihren wissenschaftlichen Nutzen umstritten. Sie basieren eher auf subjektiven Urteilen als auf der objektiven Messung von Auswirkungen. Außerdem reagiert die Haut von Kaninchen nicht immer wie menschliche Haut. Nach der REACH-Verordnung müssen zurzeit 10 000 Chemikalien, die bereits seit über 25 Jahren auf dem Markt sind, anhand von Kaninchen auf Hautreizungen getestet werden. Nun wird es möglich sein, diese Tests durch neue Tests an menschlichem Hautgewebe zu ersetzen, das im Labor gezüchtet wird.
Mit zwei weiteren Tests, die heute validiert wurden, lassen sich Augenreizstoffe anhand von Tiergewebe aus Schlachthöfen feststellen, das ansonsten entsorgt würde. Auch hier wird der Test den Tierversuch zur Feststellung schwerer Reizungen ersetzen; für schwache Reizungen werden jedoch nach wie vor Tierversuche erforderlich sein. Das ECVAM prüft jedoch zurzeit acht weitere Modelle, die, soweit sie sich bewähren, Untersuchungen an den Augen lebender Kaninchen künftig überflüssig machen dürften. Die Arbeiten werden in Zusammenarbeit mit US-amerikanischen Laboratorien durchgeführt, was die internationale Anerkennung dieser neuen Testmethoden erleichtern wird.
Hautallergien sind ein Gesundheitsproblem, das die Europäische Wirtschaft jährlich rund 3 Millionen Arbeitstage und rd. 600 Mio. EUR kostet. Jede der 30.000 unter die REACH-Verordnung fallenden Chemikalien muss daher bei Mäusen auf ihr Hautreizungspotenzial getestet werden. Mit dem fünften validierten Test lässt sich diese Zahl künftig halbieren und ungefähr 240 000 Mäusen das Leben retten.
Die fünf Tests sind ein wichtiger Aspekt der Politik der Europäischen Kommission zur Verringerung, Ersetzung und Verfeinerung von Tierversuchen in der EU. Diese Politik ist besonders im Lichte der letzten Änderung der Kosmetika-Richtlinie von Bedeutung, mit der das Testen kosmetischer Inhaltsstoffe an Tieren ab 2009 verboten wird, sowie der anstehenden REACH-Chemikalienverordnung, die am 1. Juni 2007 in Kraft tritt.
Quelle: EU Kommission