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04.07.2024

03.05.2004

Gesundheitsrisiken in Kompostierungsanlagen durch biologische Arbeitsstoffe

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Die Kompostierung von Bio- und Grünabfällen ist ein wesentlicher Bestandteil der in Deutschland aufgebauten Kreislaufwirtschaft. Pro Jahr werden etwa acht Millionen Tonnen solcher Abfälle zum vermarktungsfähigen Wertstoff "Kompost" verarbeitet. Mit zunehmender Betriebserfahrung erkannte man allerdings, dass der konzentrierte mikrobielle Abbau im Hinblick auf den Arbeitsschutz in den Anlagen möglicherweise problematische Emissionen von luftgetragenen Keimen verursacht. Eine jetzt abgeschlossene Studie im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ermöglichte neue Erkenntnisse über Erkrankungsrisiken und den notwendigen Arbeitsschutz in Kompostierungsanlagen.

Durch die Kooperation zwischen der Abteilung Arbeits- und Sozialmedizin der Uni Göttingen und dem Niedersächsischen Landesamt für Ökologie konnten in einer weltweit ersten Langzeitstudie fast 200 Kompostwerker in einem Zeitraum von fünf Jahren medizinisch beobachtet werden. Ziel war die Untersuchung langfristiger Gesundheitsfolgen von biologisch belasteter Atemluft: An Arbeitsplätzen in Biomüll-Anlagen befinden sich lebende Mikroben, deren Bruchstücke und Stoffwechselprodukte, die verschiedene Erkrankungen auslösen können.

Als zweites Ziel war festzustellen, ob bei den innerhalb des Untersuchungszeitraumes ausgeschiedenen Beschäftigten vermehrt expositionsbezogene Gesundheitsbeschwerden bestanden. In Kompostierungsanlagen zeigt sich nämlich ein typisches Phänomen, das bei Arbeitsmedizinern als "healthy worker effect" bekannt ist: Allergiker oder empfindliche Personen verlassen Arbeitsplätze mit Bioaerosolexposition offenbar so schnell wie möglich, da sie Atembeschwerden bekommen oder befürchten. In Kompostierungsanlagen ist die Fluktuation insgesamt hoch. Die Gründe sind vor allem sozioökonomischer Natur. Aber auch die gesundheitlichen Belastungen und Beanspruchungen durch die Bioaerosolexposition spielen eine Rolle. So erklärt sich der Umstand, dass an Kompost-Arbeitsplätzen Allergiker im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt relativ selten sind.

Die untersuchten Arbeitsplätze sind nicht risikolos (und eine präzise Risikobewertung wurde in einer eingebetteten und vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft e. V. sowie der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen finanzierten Pilotstudie für den Arbeitsplatz Radladerfahrer exemplarisch erprobt): Infektionsgefährdungen durch die in Kompostierungsanlagen auftretenden Aerosole sind zwar relativ gering, Reizungen der Haut, Augen und Atemwege treten bei Kompostwerkern allerdings vermehrt auf. Je höher das Niveau des Arbeitsschutzes durch Filter und andere Techniken ist, desto seltener treten diese Beschwerden auf. Überdies verschlechterte sich die Lungenfunktion der untersuchten Kompostwerker im Vergleich zu den Kontrollen im 5-Jahres-Zeitraum signifikant. Eine andauernde Exposition kann zu einer chronischen Lungenfunktionsstörung führen. Die Untersuchungsergebnisse geben deshalb Anlass zu weiteren organisatorischen und technischen Maßnahmen zur Reduktion der Bioaerosolexposition. Ist dies nicht möglich, so raten die Autoren der Studie, ist eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung unter Einschluss regelmäßiger Lungenfunktionsuntersuchungen notwendig.

Quelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)