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Analytik NEWS
Das Online-Labormagazin
12.12.2024

14.11.2024

Löslichkeit: Bedeutung, Messungen und Anwendungen

Dr. Carmen Guguta , Technobis


Symbolbild LöslichkeitDer Trend zu immer komplexeren Molekülen, Materialien und Systemen bringt neue Herausforderungen für die Kristallisation von Produkten wie Arzneimitteln mit sich. Die Lösung für diese Herausforderungen liegt in einem grundlegenden Verständnis der Löslichkeit - der treibenden Kraft - und der Kristallisationskinetik, auf der wir innovative, integrierte und intensivierte, kontinuierliche Kristallisationsprozesse aufbauen können.

In diesem Beitrag werden Methoden zur zuverlässigen Messung der Löslichkeit in verschiedenen Lösungsmitteln und komplexer Mischungen wie Co-Kristalle vorgestellt. Durch die Auswahl von Lösungsmitteln und Mischungen, die das Spektrum möglicher chemischer Funktionalitäten abdecken, werden die Chancen maximiert, neue, interessante und entwicklungsfähige feste Formen in der Arzneimittelforschung zu finden.

Im Einzelnen beleuchtet dieser Artikel

  • Die Betrachtung verschiedener Messmethoden zur Bestimmung der Löslichkeit
  • Detaillierte Einblicke in die dynamischen Messmethoden der Löslichkeit:
    • die Temperaturvariations (TV) Methode und
    • die Lösungsmitteladditions (SA) Methode
  • Anwendung der TV- und SA-Methoden im Co-Kristall-Screening mit der in das Crystal16, einem Multireaktorkristallisator für Löslichkeit bei mittlerem Durchsatz, integrierten Transmissivitätstechnologie sowie der Partikelkameras des Crystalline von Technobis zur Visualisierung des Kristallisations- und Formulierungsprozess.

Verständnis der Löslichkeit

Die Löslichkeit ist definiert als der Gleichgewichtszustand der Menge einer kristallinen Verbindung, die in einem bestimmten Lösungsmittelsystem unter den gegebenen Prozessbedingungen gelöst werden kann, wobei die Temperatur häufig der einflussreichste Parameter ist. Bei vielen Verbindungen nimmt die Löslichkeit mit der Temperatur zu. Außerdem kann sich die Löslichkeit einer Verbindung je nach untersuchtem Lösungsmittel/Lösungsmittelsystem erheblich unterscheiden.

Löslichkeitsdaten werden verwendet, um kritische Entscheidungen von den frühesten Stadien der Arzneimittelentdeckung über die gesamte Prozessentwicklung bis hin zur Formulierung zu treffen. Bei vielen Produkten wird die Kristallisation sowohl zur Reinigung als auch zur Kontrolle der Partikelbildung eingesetzt.

Bei der Kristallisation von Wirkstoffen hilft die Löslichkeitskurve bei der Wahl eines geeigneten Kristallisationsverfahrens (z. B. Kühlung oder Verdampfungskristallisation) und bestimmt die mögliche Ausbeute. Daher ist die Kenntnis der Löslichkeitskurve für die Gestaltung des Kristallisationsprozesses von wesentlicher Bedeutung. Die Messung der Löslichkeit erfordert eine genaue Kontrolle der Temperatur und eine scharfe Beobachtung des Phasenübergangs, d.h. der vollständigen Auflösung der festen Phase, in Verbindung mit Informationen über die Zusammensetzung des Systems. Da im Allgemeinen ein reproduzierbarer Löslichkeitsdatensatz über einen Temperatur- oder Zusammensetzungsbereich erforderlich ist, müssen viele Datenpunkte separat bestimmt werden. Dies kann arbeitsintensiv und zeitaufwendig sein. Crystal16 und Crystalline bieten wertvolle Werkzeuge, um die Durchführung von Löslichkeitsmessungen schnell, kontrollierbar und reproduzierbar zu automatisieren.

Gleichgewichtskonzentration vs. dynamische Methoden

Eine weithin anerkannte und genaue Methode zur Messung der Löslichkeit ist die Sättigungslöslichkeit, wobei durch das Ausgleichen einer Gleichgewichtsverschiebung (Äquilibrierung) einer Suspension, gefolgt von einer Quantifizierung der Lösungszusammensetzung, die Lösungskonzentration bestimmt wird. Die Methode erfordert eine Probenahme, gefolgt von einer Filtration zur Entfernung der Feststoffe und einer Konzentrationsmessung, z.B. mittels Gravimetrie, Spektroskopie oder einer chromatographischen Methode wie HPLC (Abbildung 1a). Diese Bestimmung der Gleichgewichtskonzentration (Equilibrium Concentration, EqC) ist jedoch mühsam und zeitaufwendig.

 versch Methoden zur Bestimmung der Löslichkeit
Abb.1: Drei verschiedene Methoden zur Bestimmung der Löslichkeit einer Verbindung aus einer Suspension mit Zusammensetzung

Es gibt zwei andere, leicht zugängliche Methoden: die Temperaturvariation (TV) und die Lösungsmittelzugabe (solvent addition, SA), bei der die Temperatur der Suspension bzw. die Zusammensetzung der Suspension schrittweise verändert wird, bis alle Feststoffe gelöst sind.

Der Punkt im Konzentrations-Temperatur-Diagramm, an dem die Suspension in eine klare Lösung übergeht, wird als Klarpunkt bezeichnet. Die Temperatur des Klarpunktes kann mit der TV-Methode bestimmt werden. Abbildung 1b zeigt das Prinzip einer Temperaturvariationsmessung (TV), bei der sich Feststoffe in einer Suspension bei Erwärmung auflösen. Bei einer bestimmten Temperatur, der Klarpunkttemperatur, werden keine Kristalle mehr nachgewiesen.

Die SA-Methode kann zur Bestimmung der Klarpunktzusammensetzung bei einer konstanten Temperatur verwendet werden. Abbildung 1c zeigt das Prinzip einer Lösungsmitteladdition (SA),[i] bei der die Kristalle in einer Suspension durch schrittweise Verdünnung aufgelöst werden.

Es kann angenommen werden, dass der Klarpunkt gleich der Löslichkeit ist, wenn die Heiz- oder Zugaberate ausreichend klein gewählt wird. [ii] Verglichen mit der Gleichgewichtskonzentrationsmethode sind diese dynamischen Methoden vorteilhaft, da sie viel weniger arbeitsintensiv und schneller sind, und aufgrund der geringeren Anzahl an erforderlichen Arbeitsschritten (keine Probenahme oder Filtration) ein geringeres Risiko an Handling-Fehlern aufweisen.

Abgesehen von der Heiz- oder Zugaberate und der Genauigkeit der Bestimmung des Klarpunkts hängt der Fehler bei den Löslichkeitsmessungen vom chemischen System ab. Treten beispielsweise Verkrustungen auf, d.h. eine Kristallisation an der Wand des Messgefäßes oberhalb des Flüssigkeitsspiegels, weicht die gemessene Löslichkeit vom tatsächlichen Wert ab, da ein Teil der festen Phase nicht gelöst wurde.

Darüber hinaus haben sich die Methoden Temperaturvariation und Lösungsmittelzugabe dadurch etabliert, dass sie in kurzer Zeit zuverlässige und reproduzierbare Daten für eine beträchtliche Anzahl von Systemen liefern. Das spiegelt sich in der hohen Zahl der jährlich veröffentlichten wissenschaftlichen Artikel wider.

Die TV-Methode ist zur Bestimmung der temperaturabhängigen Löslichkeit einer Verbindung in einem Lösungsmittel am besten geeignet. Beim Erhitzen einer Suspension mit bekannter Zusammensetzung markiert die Temperatur, bei der alle Kristalle gelöst sind, einen Punkt auf der Löslichkeitskurve. Nach einem Rekristallisationsschritt durch Abkühlen kann die Messung wiederholt werden. Ein zusätzlicher Vorteil dieser zyklischen Messungen besteht darin, dass während der Abkühlphase die Temperatur, bei der die ersten Kristalle wieder erscheinen, als Trübungspunkt aufgezeichnet werden kann. Die Aufzeichnung der Trübungspunkte ergibt die Breite der metastabilen Zone (Metastable Zone Width; MSZW), die zur Bestimmung des Betriebsbereichs eines Prozesses verwendet wird und die Tendenz zur primären Keimbildung anzeigt.

Mit dem Crystal16 können 16 Löslichkeitsmessungen im Maßstab von 1 ml durchgeführt werden. Die gleichzeitige Messung mehrerer Proben ergibt einen Datensatz von Sättigungstemperaturen bei verschiedenen Konzentrationen, die die Löslichkeitskurve bilden, wie in Abbildung 2 für die Verbindungen Carbamazepin (CBZ), Picolinamid (PA) und Isonicotinamid (INA) in Ethanol dargestellt.

Löslichkeitskurven von
Abb.2: Löslichkeitskurven von Carbamazepin (CBZ), Picolinamid (PA) und Isonicotinamid (INA) in Ethanol

Wenn Löslichkeitsdaten bei konstanter Temperatur benötigt werden, was bei Mehrstoffgemischen häufig der Fall ist, ist die SA-Methode die erste Wahl. Außerdem ist die Methode sehr nützlich für Systeme, in denen die Löslichkeit nicht stark von der Temperatur abhängt oder in denen die MSZW breit ist. Bei dieser Methode, kann auf die Messung der MSZW verzichtet werden.

Bei der SA-Methode wird die Temperatur konstant gehalten. Während der Verdünnung einer Suspension mit bekannter Zusammensetzung, wird durch Zugabe von Lösungsmittel der Klarpunkt ermittelt, an dem die Gleichgewichtskonzentration erreicht ist. Der Klarpunkt kann durch eine Abnahme der Lösungskonzentration oder durch das Verschwinden von Kristallen festgestellt werden. Letzteres ist in Abbildung 3 dargestellt, wo das Crystalline zur Überwachung der Suspension mit Hilfe der Partikelkameras verwendet wird. Mehrere Kameras nehmen in regelmäßigen Abständen Bilder auf, wobei der Klarpunkt durch das erste Bild ohne Partikel bestimmt wird. Je kürzer der Zeitabstand zwischen der Aufnahme der Bilder, desto genauer kann der Klarpunkt bestimmt werden. Der wichtigste Parameter bei der SA-Methode ist die Additionsrate. Sie muss so niedrig gewählt werden, dass die Auflösung möglichst nahe am Löslichkeitspunkt erfolgt.

Verwendung des Crystallines mit 8 Spritzen
Abb.3: (a) Lösungsmittelzugabe unter Verwendung des Crystallines mit 8 Spritzen. Jede Spritze kann eine andere Lösungsmittelzusammensetzung enthalten. (b) Die Kameras des Crystallines registrieren das Auflösen der Kristalle
bei kontinuierlicher Lösungsmittelzugabe.

Schlussfolgerung

Der Einsatz automatisierter Techniken zur Bestimmung von Klar- und Trübungspunkten, entweder durch Transmissivitätsmessungen oder Kameraanalyse, hat die genaue Erfassung von Löslichkeitsdaten erheblich verfeinert. Die Löslichkeitsbestimmung über Transmisssivität mit dem Crystal16 und seinen integrierten Trübungssensoren ermöglicht es Wissenschaftlern, einfach und reproduzierbar Daten zu generieren, und zwar mit deutlich geringerem Aufwand im Vergleich zur EqC-Methode.

Die mit dem Crystalline und seinen Partikelkameras angewandte SA-Methode ist ein beliebtes Verfahren zur Löslichkeitsbestimmung bei konstanter Temperatur und zur schnellen Erstellung von isothermen Phasendiagrammen. Infolgedessen werden diese Methoden weltweit in vielen Labors sowohl in der Industrie als auch im akademischen Bereich eingesetzt.

Jedes Jahr werden mehr als 25 wissenschaftliche Artikel verfasst, in denen die Verwendung des Crystal16 und des Crystallines bei solchen Messungen hervorgehoben wird.

Referenzen:

[i] Reus, M.A.; A.E.D.M. van der Heijden; J.H. ter Horst; Org. Process. Res. Dev. 2015, 19 (8), 1004-1011.
[ii] Vellema, J.; Hunfeld, N.G.M.; Van den Akker, H.E.A.; ter Horst, J.H.; Eur. J. Pharm. Sci. 2011, 44, 621-626
Weitere Fallstudien zum Thema Löslichkeit in der Wissensbibliothek von Technobis


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