Zum InhaltZur Navigation
Analytik NEWS
Das Online-Labormagazin
06.12.2024

05.01.2023

Klimaschützer im Meer: Braunalgen binden Hunderte Millionen Tonnen Kohlenstoff


Braunalgen nehmen große Mengen Kohlendioxid aus der Luft auf und speichern es in Form organischer Verbindungen. Eine dieser Verbindungen, ein Algenschleim namens Fucoidan, dient dabei als langfristige Kohlenstoffsenke, wie Forschende in einer Studie mit BMBF-Förderung herausgefunden haben. Sie schätzen, dass Braunalgen so bis zu 0,55 Gigatonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen können - fast die Menge der gesamten jährlichen Treibhausgas-Emissionen Deutschlands.

Eine der wichtigsten Klimaschutzmaßnahmen besteht darin, den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid zu verringern. Zusätzlich untersuchen Forschende verschiedene Möglichkeiten, CO2 in natürlichen Prozessen, aber auch durch technische Verfahren aus der Atmosphäre zu entfernen. Eine wichtige Rolle spielt nach wie vor die Photosynthese der Pflanzen, bei der Pflanzen mit Hilfe von Sonnenlicht Kohlendioxid in Glucose umwandeln, aus dem sie zahlreiche weitere organische Verbindungen herstellen.

Sterben die Pflanzen ab, gelangt der gespeicherte Kohlenstoff durch Zersetzung des organischen Materials wieder in die Atmosphäre. Wenn diese Pflanzenreste jedoch auf den Meeresgrund sinken oder tief im Boden eingeschlossen werden, wird dieser Kreislauf über lange Zeiträume verzögert.

Auch Braunalgen haben eine große Bedeutung, wenn es darum geht, Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufzunehmen. Sie übertreffen darin sogar die Wälder an Land. Aber was passiert mit dem Kohlendioxid, nachdem die Algen es aufgenommen haben? Forschende des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie berichten nun in einer Studie im Fachmagzin PNAS, dass die Braunalgen große Mengen an Kohlendioxid langfristig aus dem globalen Kreislauf entfernen können.

Algen nehmen Kohlendioxid aus der Luft auf und nutzen den darin enthaltenen Kohlenstoff für ihr Wachstum. Bis zu einem Drittel des aufgenommenen Kohlenstoffs geben sie wieder ans Meerwasser ab, beispielsweise in Form zuckerhaltiger Ausscheidungen. Je nachdem, wie diese Ausscheidungen aufgebaut sind, werden sie entweder schnell von anderen Organismen genutzt oder sinken Richtung Meeresgrund.

Forschende nehmen Substanz Fucoidan unter die Lupe

"Die Ausscheidungen der Braunalgen sind sehr komplex und daher unglaublich kompliziert zu messen", sagt der Erstautor der Studie, Hagen Buck-Wiese vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen. "Es ist uns aber gelungen, eine Methode zu entwickeln, um sie detailliert zu analysieren." Die Forschenden untersuchten unter anderem im Rahmen der DAM-Forschungsmission CDRmare, im Projekt Sea4Society, eine Vielzahl verschiedener Substanzen und richteten den Fokus auf das sogenannte Fucoidan.

"Fucoidan machte etwa die Hälfte der Ausscheidungen der von uns untersuchten Braunalgenart namens Blasentang aus", berichtet Buck-Wiese. Zudem sei Fucoidan sehr widerständig, wodurch der Kohlenstoff nicht so schnell wieder in die Atmosphäre gelange. "Die Braunalgen sind dadurch besonders gute Helfer, um Kohlendioxid langfristig - für Hunderte bis Tausende von Jahren - aus der Atmosphäre zu entfernen."

Braunlagen könnten fast den gesamten CO2-Ausstoß Deutschlands binden

Braunalgen sind außergewöhnlich produktiv. Nach Ergebnissen der vorliegenden Studie könnten die Pflanzen jedes Jahr bis zu 0,15 Gigatonnen Kohlenstoff, was 0,55 Gigatonnen Kohlendioxid entspricht, langfristig binden. Zum Vergleich: Die jährlichen Treibhausgas-Emissionen Deutschlands belaufen sich laut Umweltbundesamt aktuell auf etwa 0,75 Gigatonnen Kohlendioxid (Schätzung für 2020). "Was die Sache noch besser macht: Im Fucoidan sind keine Nährstoffe wie beispielsweise Stickstoff enthalten", erklärt Buck-Wiese weiter. Das Wachstum der Braunalgen wird durch die Kohlenstoffverluste also nicht beeinträchtigt.

Experimente in Südfinnland

Für die aktuelle Studie konnten Buck-Wiese und seine Kollegen aus der MARUM MPG Brückengruppe Marine Glykobiologie, die sowohl am Bremer Max-Planck-Institut als auch am MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen angesiedelt ist, ihre Experimente an der Tvärminne Zoological Station in Südfinnland durchführen. "Als nächstes wollen wir schauen, wie es bei anderen Braunalgenarten und an anderen Standorten aussieht", sagt Buck-Wiese. "Das große Potenzial der Braunalgen für den Klimaschutz gilt es unbedingt weiter zu erforschen und zu nutzen."

Verbundprojekt sea4soCiety

Das Verbundprojekt sea4soCiety wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Forschungsmission CDRmare der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM) gefördert. Das vom Zentrum für Marine Tropenforschung - ZMT - koordinierte Forschungsvorhaben rückt die Kohlenstoffspeicherung in vegetationsreichen Küstenökosystemen in den Mittelpunkt. Unter Berücksichtigung weiterer gesellschaftlicher Nutzung, sowie potenzieller Risiken, werden innovative Ansätze entwickelt, die dieses natürliche Potenzial der Kohlenstoffspeicherung verbessern sollen. Innerhalb dieses Projekts wurden auch Daten zur genannten Studie erhoben.

» Originalpublikation E-mail

Quelle: Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie (MPI-MM)