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Analytik NEWS
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07.12.2024

12.06.2023

Chancen, Risiken und Ungewissheiten von Fracking in Deutschland


Fracking in nicht konventionellen Lagerstätten wurde in Deutschland 2016 verboten und schien seitdem ad acta gelegt. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat jedoch neue Voraussetzungen für die deutsche Energiepolitik geschaffen und die Verfügbarkeit von Erdgas für Deutschland stark eingeschränkt. Wie das Gas ersetzen, das nicht mehr geliefert wird?

Diese Frage wird auch in den kommenden Jahren für die deutsche Energieversorgung von Bedeutung sein. Könnte Fracking einen relevanten Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten? Das Akademienprojekt "Energiesysteme der Zukunft" (ESYS) ordnet Chancen und Risiken von Fracking ein und benennt Ungewissheiten.

Die Frage, ob und in welchem Umfang Fracking in nicht konventionellen Lagerstätten in Deutschland zur Versorgungssicherheit beitragen kann oder soll, erlebt durch den Wegfall der russischen Erdgaslieferungen eine für viele Menschen unerwartete Renaissance. Ein Anlass für das Akademienprojekt "Energiesysteme der Zukunft" (ESYS), einen Überblick zu geben.

In dem Impuls "Fracking: eine Option für Deutschland? Chancen, Risiken und Ungewissheiten beim Fracking in nicht konventionellen Lagerstätten" diskutieren Fachleute der gemeinsamen Initiative der Wissenschaftsakademien acatech, Leopoldina und Akademienunion, ob inländisches Fracking einen sinnvollen Beitrag zur deutschen Energieversorgung leisten könnte.

Umweltrisiken und kurzfristiger Beitrag zu Versorgungssicherheit

Mögliche Umweltrisiken bestimmten bisher die Debatte um Fracking. Die ESYS-Fachleute kommen jedoch zu dem Ergebnis, dass diese Umweltschäden in Deutschland weitgehend vermieden werden könnten. Voraussetzung hierfür sind klare Auflagen zum Schutz der Umwelt und der Einsatz der besten verfügbaren Technik. Restrisiken für die Umwelt blieben jedoch bestehen.

Potenzial zur Förderung von Erdgas aus deutschen Böden ist vorhanden: Schätzungsweise 6 bis 12 % des aktuellen jährlichen deutschen Erdgasverbrauchs könnten gefrackt werden. Bis dahin würden nach Einschätzung der Fachleute aber mindestens drei Jahre vergehen. Noch nicht eingerechnet ist dabei die Zeit, die es bräuchte, um das Fracking-Verbot politisch und gesellschaftlich zu verhandeln und gegebenenfalls abzuschaffen. Ein kurzfristiger Beitrag zur Versorgungssicherheit ist aus ihrer Sicht also nicht zu erwarten. Doch könnte Fracking über diesen Zeitraum hinaus zu einer bezahlbaren Energieversorgung bei zugleich sinkendem CO2-Ausstoß beitragen?

Wirtschaftlichkeit und Beitrag zum Klimaschutz

Fracking in Deutschland könnte die Versorgungssicherheit mittel- und langfristig in einem gewissen Umfang steigern und Importabhängigkeiten senken. Im Rahmen der deutschen und europäischen Klimaziele wäre die Nutzung von Schiefergas aber zeitlich begrenzt. Hinzu kommt, dass zunehmende Entspannung an den Erdgas-Weltmärkten und eine sinkende Nachfrage in Deutschland zu einem hohen Preisdruck für die inländische Erdgaserzeugung führen könnten. Ob und unter welchen Voraussetzungen Unternehmen ohne staatliche Unterstützung ein Geschäftsmodell aufbauen können, ist somit ungewiss.

Ebenfalls ungewiss ist nach Auffassung der Fachleute die Auswirkung von Fracking in Deutschland auf das Klima. Heimisches Erdgas hätte einen niedrigeren CO2-Emissionsfaktor als importiertes Flüssiggas, da keine Energie für die Verflüssigung und den Transport des Gases aufgewandt werden muss. Jedoch könnten die gestiegenen Erdgasmengen einen Anreiz für die weitere Nutzung von Erdgas bilden und sich dadurch Klimaschutzmaßnahmen verzögern.

Karen Pittel, Leiterin des ifo Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen und stellvertretende Vorsitzende des ESYS-Direktoriums, resümiert vor dieser Ausgangslage: "Angesichts der großen gesellschaftlichen Ablehnung, des begrenzten Zeithorizonts und der unsicheren Kosten- und Preisentwicklung ist sehr ungewiss, welchen Beitrag Fracking in Deutschland zur Stärkung der Versorgungssicherheit leisten kann. Es braucht daher eine offene Diskussion über Potenziale und Zielkonflikte."

» Originalpublikation

Quelle: acatech - Deutsche Akademie der Technikwissenschaften