08.12.2022
Für einen schnelleren Kunststoffabbau: Hitzebeständigkeit von Enzymen erforschen
Zahlreiche Kunststoffe sind grundsätzlich bioabbaubar, werden aber in der freien Natur, in Abwasser- oder Kompostieranlagen nur sehr langsam abgebaut. Bereits bekannte Enzyme mit der Fähigkeit zum Kunststoffabbau könnten dieses Problem lösen. Dafür müssen sie allerdings hohen Temperaturen standhalten.
Ein interdisziplinäres Team des SFB "Mikroplastik" an der Universität Bayreuth stellt jetzt in der Zeitschrift "Biomacromolecules" neue Verfahren vor, die eine entscheidende Voraussetzung dafür sind, Enzyme vor großer Hitze zu schützen. Sind Enzyme thermisch stabil, können sie bioabbaubaren Kunststoffen schon bei der Herstellung zugefügt werden und später den natürlichen Abbau beschleunigen.
Zahlreiche handelsübliche Kunststoffe unterliegen in der Umwelt natürlichen Abbauprozessen und gelten daher als bioabbaubar. Hierzu zählen insbesondere die aliphatischen Polyester, wie beispielsweise die Polymilchsäure (PLLA). Durch den natürlichen Abbau dieser Kunststoffe entstehen Wasser- und Kohlendioxid-Moleküle, die in der Umwelt von Bakterien für die Produktion mineralischer Stoffe genutzt werden. Neuere Forschungsarbeiten haben allerdings gezeigt, dass diese Prozesse sehr viel mehr Zeit benötigen, als es für einen effizienten Umwelt- und Naturschutz erforderlich ist.
Grundsätzlich könnte der natürliche Kunststoffabbau in der Umwelt mit Hilfe von Enzymen beschleunigt werden. So ist beispielsweise das Enzym Proteinase K imstande, PLLA-Moleküle anzugreifen und aufzuspalten. Die Fähigkeit einiger Enzyme zum Kunststoffabbau könnte optimal genutzt werden, falls es möglich wäre, bioabbaubare Kunststoffe schon während ihrer Herstellung mit diesen Enzymen auszustatten, die dann später in der Umwelt, in Abwasser- oder Kompostieranlagen aktiv werden.
Genau diese attraktive Problemlösung wird aber bisher dadurch verhindert, dass bei der industriellen Herstellung von aliphatischen Polyestern und anderen bioabbaubaren Kunststoffen die Schmelzextrusion zum Einsatz kommt. Dies ist ein unverzichtbarer Produktionsschritt, der bei sehr hohen Temperaturen von weit über 100 Grad Celsius stattfindet. Bisher wurde noch kein Weg gefunden, um Enzyme so gut zu schützen, dass sie bei großer Hitze stabil bleiben und wesentliche Funktionen - wie die Fähigkeit zum Kunststoffabbau - bewahren. Es fehlten wissenschaftliche Verfahren, mit denen sich präzise Daten über die Hitzebeständigkeit von Enzymen gewinnen lassen.
An diesem Punkt ist dem interdisziplinären Team des Bayreuther Sonderforschungsbereichs 1537 "Mikroplastik" jetzt ein entscheidender Fortschritt gelungen. In Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) haben die Wissenschaftler am Beispiel der Proteinase K quantitative Verfahren herausgearbeitet, die es erlauben, die thermische Stabilität von Enzymen mit einer bisher unerreichten Detailgenauigkeit zu ermitteln - bis hin zu einer Temperatur von 200 Grad Celsius.
"Mit den Verfahren, die wir in unserer neuen Studie vorstellen, wird es möglich sein, Enzyme sehr viel besser als bisher vor thermischer Zersetzung zu bewahren. Wir haben jetzt ein zuverlässiges Instrument in der Hand, um technische Maßnahmen, die zum Schutz von Enzymen entwickelt und vorgeschlagen werden, in Bezug auf ihre Wirksamkeit zu bewerten", sagt die Erstautorin der Studie Chengzhang Xu, Doktorandin am Lehrstuhl Makromolekulare Chemie II der Universität Bayreuth. Sie hat auch schon weitere Forschungsschritte im Blick: "In Bayreuth beabsichtigen wir, neue Methoden zur hitzebeständigen Verkapselung der Proteinase K zu erforschen. Die Verkapselung scheint ein vielversprechender Weg zu sein, um Enzyme in die Herstellung bioabbaubarer Kunststoffe einzubringen."
"Die Forschungsergebnisse, die wir am Beispiel der Proteinase K erzielt haben, sind möglicherweise auf andere Proteine übertragbar. Sie stärken damit eine noch junge Forschungsrichtung, die auf der Grundlage von enzymatisch abbaubaren, unter Hitze verformbaren Kunststoffen neue Hybridmaterialen entwickelt. Diese Materialien dienen nicht nur der Bekämpfung von Mikroplastikmüll, sondern können beispielsweise auch die Entwicklung neuer Arzneimittel oder die Regeneration von erkranktem oder beschädigtem Gewebe unterstützen", sagt Prof. Dr. Andreas Greiner, Inhaber des Lehrstuhls Makromolekulare Chemie II, der die Forschungsarbeiten koordiniert hat.
Interdisziplinäre Kooperation im SFB "Mikroplastik" an der Universität Bayreuth
Die neue Studie ist aus einer breit angelegten Zusammenarbeit auf dem Campus der Universität Bayreuth hervorgegangen. Arbeitsgruppen aus der Makromolekularen Chemie (Prof. Dr. Andreas Greiner und Prof. Dr. Seema Agarwal), der Biochemie (Prof. Dr. Andreas Möglich), der Bioorganischen Chemie (Prof. Dr. Carlo Unverzagt) und der Anorganischen Chemie (Prof. Dr. Jürgen Senker) haben daran mitgewirkt und mit einer externen Arbeitsgruppe (Prof. Dr. Bernhard Schartel) an der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung in Berlin kooperiert.
Quelle: Universität Bayreuth