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28.09.2024

10.11.2020

Blauer Phosphor: Wie aus einem Halbleiter ein Metall wird

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Blauer Phosphor, ein atomar dünner synthetischer Halbleiter, wird metallisch, sobald man ihn in eine Doppellage überführt. Dies hat ein interdisziplinäres Team um Prof. Thomas Heine von der TU Dresden und Prof. Gabriel Merino vom mexikanischen Forschungsinstitut Cinvestav Merida herausgefunden.

Die Wissenschaftler beschreiben damit erstmals die Möglichkeit, kleinstskalige, hocheffiziente Transistoren, die aus nur einem Element bestehen, zu konstruieren. Ihre Untersuchungsergebnisse wurden als Highlight-Artikel in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals "Physical Review Letters" veröffentlicht.

Das chemische Element Phosphor gilt als eines der grundlegenden Elemente für alle Lebewesen. Phosphorverbindungen sind stark am Aufbau und der Funktion von Organismen beteiligt, jeder Mensch trägt knapp ein Kilo davon in seinem Körper. Auch außerhalb unseres Körpers sind wir tagtäglich von Phosphaten und Phosphonaten umgeben: in unserer Nahrung, in Wasch- und Düngemitteln oder in Medikamenten.

Phosphor kommt in mehreren Modifikationen vor, die äußerst unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. Unter Normalbedingungen unterscheidet man weißen, violetten, roten und schwarzen Phosphor. Im Jahr 2014 modellierte ein Team der Michigan State University, USA, erstmals auch den "Blauen Phosphor", der zwei Jahre später experimentell hergestellt werden konnte.

Blauer Phosphor ist ein sogenanntes zweidimensionales (2D) Material. Aufgrund seiner einschichtigen bienenwabenartigen Struktur erinnert es an das wohl bekannteste 2D-Material: Graphen. Analog zu diesem benannte man es anschließend auch Blaues Phosphoren (engl. blue phosphorene). Dieses neuartige Halbleiter-Material wurde seitdem als äußerst vielversprechender Kandidat für optoelektronische Bauelemente untersucht.

Wie alle Bauelemente muss auch Blaues Phosphoren mit Strom versorgt werden, der üblicherweise über Metallelektroden in das Material gelangt. An der Schnittstelle Metall-Halbleiter treten gezwungenermaßen Energieverluste auf, man spricht auch von der Schottky-Barriere.

Der Dresdner Chemiker Prof. Thomas Heine hat nun in Kooperation mit mexikanischen Wissenschaftlern eine einzigartige Entdeckung gemacht: Dem interdisziplinären Team gelang es, mittels Berechnungen auf Hochleistungscomputern eine zweischichtige Bienenwabenstruktur aus Blauem Phosphor zu modellieren. Diese zweischichtige Verbindung besitzt kleine Auswölbungen und ist äußerst stabil. Wie die Wissenschaftler überraschend feststellten, verfügt sie aufgrund des äußerst geringen Abstands zwischen den zwei Schichten über metallische Eigenschaften.

Blaues Phosphoren ist folglich als Einzellage halbleitend, als Doppellage jedoch metallisch. Metallische 2D-Materialien sind sehr selten. Darüber hinaus wurde zum ersten Mal ein reinelementares Material entdeckt, dass einen Halbleiter-Metall-Übergang von der Monolage zur Doppellage aufweist. Somit lässt sich aus nur einem chemischen Element ein elektronisches oder optoelektronisches Bauelement für die Anwendung in Transistoren oder Photozellen realisieren. Da in diesen Bauelementen keine Schnittstelle zwischen Halbleiter und Metall auftritt, wird die Schottkybarriere deutlich verringert. Somit ist eine höhere Effizienz zu erwarten.

"Stellen Sie sich vor, Sie legen zwei Lagen Papier aufeinander und auf einmal glänzt das Doppelblatt metallisch wie Goldfolie. Genau das ist uns gelungen. Diese Arbeit unterstreicht die Bedeutung von Interdisziplinarität in der Grundlagenforschung. Mit einem topologisch-mathematischen Modell konnten wir unter Mithilfe der theoretischen Chemie ein neues Material im Computer entwerfen und dessen physikalische Eigenschaften vorhersagen. Anwendungen im Bereich der Nano- und Optoelektronik sind zu erwarten", erläutert Prof. Heine.

Für diese vielversprechenden Ergebnisse der Grundlagenforschung wurde die Erstautorin Jessica Arcudia aus Mexiko bereits mit dem Posterpreis der LatinXChem sowie dem ACS Presidential Award ausgezeichnet. Die Chemikerin war 2018 Gaststudentin in der Arbeitsgruppe von Thomas Heine, wo zuvor auch schon ihr Doktorvater Prof. Gabriel Merino tätig war.

» Originalpublikation

Quelle: Technische Universität Dresden