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28.09.2024

07.05.2020

Verhalten von Bakterien beeinflusst die Wolkenbildung

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Mit Analysen an einzelnen Zellen haben ETH-Forschende nachgewiesen, dass Stoffwechselvorgänge im Inneren von Meeresbakterien bestimmen, welche Menge eines Gases freigesetzt wird, das an der Wolkenbildung beteiligt ist.

Dass der sinnbildliche Flügelschlag eines Schmetterlings an einem völlig anderen Ort einen Wirbelsturm auslösen kann, weiß die Meteorologie eigentlich schon seit fast 50 Jahren.

Der Chaostheoretiker Edward Norton Lorenz prägte 1972 mit dem Begriff des Schmetterlingseffekts das Verständnis dafür, dass sich minime Änderungen in den Anfangsbedingungen langfristig auf die Entwicklung dynamischer Systeme auswirken können.

Ozeane sind die Lungen der Erde

Doch nun legen Resultate der Forschungsgruppe um Roman Stocker vom Institut für Umweltingenieurwissenschaften der ETH Zürich nahe, dass Meteorologen in Zukunft nicht nur auf Schmetterlinge, sondern vor allem auch auf in Ozeanen lebende Bakterien achten müssen. "Wir haben gezeigt, unter welchen Umständen diese Bakterien ein Gas freisetzen, das zentral an der Bildung von Wolken beteiligt ist", sagt Stocker.

In ihren soeben in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlichten Arbeiten beugten sich die Forschenden über die Kleinstlebewesen, die sich von den Stoffwechselprodukten des marinen Phytoplanktons ernähren. Unter diesem Begriff wird eine Vielzahl mikroskopischer Algen zusammengefasst. Ihre Photosynthese-Aktivität übertrifft diejenige aller Pflanzen. Die wahren Lungen der Erde sind deshalb nicht die Wälder, sondern die Ozeane, wo ungefähr die Hälfte des in der Erdatmosphäre vorhandenen Sauerstoffs entsteht. Dabei stellt das Phytoplankton jährlich auch über eine Milliarde Tonnen der Substanz namens Dimethylsulfoniopropionat oder kurz DMSP her.

Geruch des Meeres

"Mit DMSP decken die Meeresbakterien 95 Prozent ihres Bedarfs an Schwefel und 15 Prozent ihres Bedarfs an Kohlenstoff", sagt Cherry Gao, die Erstautorin der Studie und Doktorandin in Stockers Gruppe. Um das DMSP in Biomasse umzuwandeln, verfügen die Bakterien über zwei verschiedene Stoffwechselwege: Wenn sie es demethylieren, nutzen sie sowohl den Schwefel wie auch den Kohlenstoff. Wenn sie es jedoch in mehrere kleine Moleküle spalten, nutzen sie nur den Kohlenstoff - und der Schwefel entweicht in der Form von Dimethylsulfid (DMS) in die Atmosphäre. "DMS ist für den typischen Geruch des Meeres verantwortlich", sagt Stocker. Zudem spielt DMS als Kondensationskern für Wasserdampf eine entscheidende Rolle bei der Bildung von Wolken.

Bisher war nicht klar, wann die Bakterien welchen Stoffwechselweg brauchen. Die Forschenden um Stocker haben ein Meeresbakterium der Art Ruegeria pomeroyi gentechnisch verändert, sodass es in verschiedenen Farben leuchtete, je nachdem, wie es das DMSP biochemisch umwandelte. So haben die Forschenden nachgewiesen, dass bei tiefen Konzentrationen von DMSP die Bakterien vor allem auf die Demethylierung setzen - und dass dafür bei hohen Konzentrationen von einigen Mikromol pro Liter die Spaltung überwiegt.
Genauer hinschauen

Die durchschnittliche Konzentration von DMSP im Meerwasser beträgt nur einige Nanomol pro Liter. Unter diesen Umständen hat der Stoffwechselweg der Spaltung eine vernachlässigbare Bedeutung, die Bakterien verwenden den Schwefel für ihr Wachstum, und die Wolkenbildung bleibt aus. "Doch der Durchschnittswert - die Konzentration von DMSP in einem großen Eimer, der bisher für die klassischen Messungen einfach ins Meer getaucht wurde - erzählt nur die halbe Wahrheit", sagt Stocker. "Die andere Hälfte der Wahrheit offenbart sich erst beim genaueren Hinschauen."

Denn wo Phytoplankton blüht, können tausendfach erhöhte DMSP-Konzentrationen vorliegen. Offenbar sind die Meeresbakterien an diese ungleiche Verteilung von DMSP im Meerwasser angepasst. Wenn sie unmittelbar neben den mikroskopischen Algen wachsen, beginnen sie das DMSP zu spalten. "Wie viele Wolken sich also bilden oder nicht, hängt schlussendlich auch vom mikrobiellen Zusammenspiel der Algen und Bakterien im Meer ab", sagt Stocker.

» Originalpublikation

Quelle: ETH Zürich