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06.12.2024

15.04.2020

Neue funktionale Zustände bei einzelnen Enzymen beobachtet


Wie einzelne Enzymmoleküle arbeiten, das haben Prof. Dr. Claus Seidel, seine Mitarbeiter vom Lehrstuhl für Molekulare Physikalische Chemie, Prof. Dr. Holger Gohlke vom Institut für Pharmazeutische und Medizinische Chemie und weitere Kollegen mittels fortschrittlicher optischer Bildgebung erforscht.

In einer Publikation in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications konnten sie zeigen, dass die Kombination aus fluoreszenzbasierter Technik und struktureller Bioinformatik bei der Aufklärung der Strukturen und Funktion der Enzyme helfen kann. So kann man nun besser verstehen, wie Moleküle aufgebaut sind, funktionieren und interagieren, und letztendlich dazu beitragen, solche Eigenschaften zu modulieren.

Claus Seidel, Hugo Sanabria und Holger Gohlke (Heinrich-Heine-Universität) und Mitarbeiter des Forschungszentrums Jülich zusammen mit einem Forscherteam der Clemson University, Clemson, USA und der University of California, Los Angeles, USA verwendeten den entfernungsabhängigen Förster-Resonanzenergietransfer (FRET) zwischen zwei spezifisch angebrachten fluoreszierenden Sonden, um das kinetische und dynamische Zusammenspiel der Konformationszustände des Enzyms Lysozym aus dem Bakteriophagen T4 zu entschlüsseln (T4L).

Beim Menschen kommt Lysozym in der Flüssigkeit von Tränen und Schleim vor. Dort zerstört das Enzym die schützenden Kohlenhydratketten, die die Zellwände der Bakterien umgeben. Claus Seidel erklärte: "Wir untersuchen wesentliche Reaktionsschritte biomolekularer Maschinen (Enzyme). Unsere FRET-Studien zeigen, dass eine Erweiterung der berühmten klassischen Michaelis-Menten Kinetik von zwei auf drei funktionelle Enzymzustände erforderlich ist. Die Michaelis-Menten-Beschreibung ist eines der bekanntesten Modelle der Enzymkinetik."

Das Herzstück dieses Bildgebungswerkzeugs ist ein FRET-basiertes Mikroskop, ein hochentwickeltes und leistungsstarkes Instrument, mit dem Biomoleküle von nur wenigen Nanometern Größe in Lösung sichtbar gemacht werden können. Um das Enzym bei der Arbeit betrachten zu können, platzierten die Autoren zwei fluoreszierende Marker für eine Serie von verschiedenen Enzymkonstrukten, was die Vermessung vieler Positionen im Enzym auf molekularer Ebene mit dem FRET-Lineal erlaubt.

Unter Verwendung verschiedener Positionen der Marker sammelte das Team eine Reihe von Abständen, die die Strukturzustände des beobachteten Moleküls beschreiben. Im Wesentlichen generiert dieser Prozess eine Sammlung von Datenpunkten, anhand derer mithilfe der strukturellen Bioinformatik unterschieden wird, wie das Molekül aussieht und wie es sich bewegt. "Wir beobachten Veränderungen in der Struktur und da unser Signal zeitabhängig ist, können wir auch eine Vorstellung davon bekommen, wie sich das Molekül im Laufe der Zeit bewegt", sagte Sanabria.

"Zusammen mit molekularen Modellen und Simulationen können solche Daten zustandsspezifische Strukturinformationen zu komplexen dynamischen biomolekularen Anordnungen liefern", fügte Gohlke hinzu. "Hier haben wir T4L auf nahezu atomarer Ebene mit beispielloser räumlicher und zeitlicher Auflösung (Mikro- bis Millisekunden) verfolgt, während es sein Substrat verarbeitet. Wir haben das Feld der FRET-Spektroskopie auf eine völlig neue Ebene gebracht", schloss Sanabria.

Die Arbeit ergab, dass der Strukturraum für dieses klassische und intensiv untersuchte Enzym doch weiter ist als bisher angenommen. Bisher haben Wissenschaftler die Strukturen von Proteinen wie Lysozym weitgehend mithilfe von Methoden wie Röntgenkristallographie, Kernspinresonanzspektroskopie (NMR) und Kryo-Elektronenmikroskopie bestimmt.

"Für die längste Zeit wurde dieses Molekül als Zwei-Zustands-Molekül angesehen, da es das Substrat der Zellwand der Zielbakterien aufnimmt", sagte Sanabria. "Wir haben jedoch einen neuen, dritten Funktionszustand identifiziert, der in dem Reaktionszyklus eines Enzyms essentiell ist, so dass eine erweiterte Michaelis-Menten Beschreibung von Enzymen notwendig ist."

Des Weiteren hilft das Team beim Aufbau einer Datenbank, in der ihre FRET-basierten Strukturmodelle ähnlich anders generierter biomolekularer Modelle gespeichert werden, so dass sie von anderen Wissenschaftlern abgerufen werden können. Zusammen mit der FRET-Community arbeitet die Gruppe auch daran, Empfehlungen für die FRET-Mikroskopie festzulegen.

» Originalpublikation E-mail

» Datenbank für FRET-basierten Strukturmodelle

» Mehr zur FRET-Community

Quelle: Universität Düsseldorf